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DDG Die Leitlinien zur Therapie des Typ-1-Diabetes und zur Behandlung von Kindern und Jugendlichen mit Diabetes wurden aktualisiert

Autor: Nicole Finkenauer

Nur im Team möglich: Die Erarbeitung neuer Leitlinien und Empfehlungen. Nur im Team möglich: Die Erarbeitung neuer Leitlinien und Empfehlungen. © Odin AI – stock.adobe.com
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Zwei aktualisierte S3-Leitlinien sind im September erschienen: die Leitlinie „Therapie des Typ-1-Diabetes“ und die Konsultationsfassung der Leitlinie „Diagnostik,  Therapie und Verlaufskontrolle des Diabetes mellitus im Kindes- und Jugendalter“. 

Was ist neu an diesen Leitlinien? Was sagen die Koordinatoren? Außerdem interessant: Die DDG und weitere Fachgesellschaften haben auf Basis der Typ-1-Diabetes-Leitlinie Stellung genommen zum Vorbericht des IQWiG zur Aktualisierung des DMP Diabetes mellitus Typ 1. Die neue S3-Leitlinie zur Therapie des Typ-1-Diabetes ist nun bis zum 1. September 2028 gültig, die voran­gegangene Version stammte aus dem Jahr 2018. Koordiniert wurde die Arbeit an der Leitlinie von Professor Dr. Thomas Haak aus Bad Mergentheim.

Leitlinie Typ-1-Diabetes: Das ist neu

  • In der Überarbeitung sind vor allem die technischen Neuentwicklungen in der Behandlung des Typ-1-Diabetes beschrieben und auf ihre Effektivität geprüft worden. Aufgrund der rasanten Entwicklung auf dem Gebiet der Glukosesensoren und – in Verbindung mit Insulinpumpen – der Automatischen Insulin-Dosiersysteme (AID) sind Studien zum Langzeit-Outcome verständlicherweise fehlend. Es gibt jedoch eine Vielzahl von Studien und die Erfahrung von Expert*innen und Patient*innen zu diesem Thema, die den Vorteil dieser Therapieoptionen eindeutig belegen, betonen die Autor*innen der Leitlinie.
  • Die kontinuierliche Glukosemessung (CGM) ist mittlerweile aufgrund des jederzeit abrufbaren Glukosewertes und der Warnfunktion vor Über- und Unterzucker zum Standard in der Glukoseüberwachung von Menschen mit Diabetes mellitus Typ 1 geworden und damit integraler Bestandteil einer sicheren Therapie unter Vermeidung von Hypoglykämien.
  • In Bezug auf die Therapieziele in der Behandlung des Typ-1-Diabetes zeigt sich, dass die neuen Messparameter durch CGM gut mit dem HbA1c-Wert korrelieren und zunehmend in klinischen Outcome-Studien verwendet werden.
  • Die Vermeidung hoher post-prandialer Werte und nächtlicher Hypoglykämien sind wichtige Therapieziele. Aber gerade bei älteren Patient*innen ist eine Verringerung der Zeit im Zielbereich (Time in Range, TIR) bei häufigen Hypoglyk­ämien gerechtfertigt. Grundsätzlich hat der Sicherheitsaspekt in der Therapieplanung und und -führung einen hohen Stellenwert.
  • Die Einbeziehung von Menschen mit Typ-1-Diabetes in die Dia­gnostik und Therapie ihrer Erkrankung nimmt einen breiten Raum ein und wird in einem eigenen Kapitel („Partizipative Entscheidungsfindung“) ausführlich dargestellt.

Koordinator Prof. Dr. Haak sieht die Arbeit an der Leitlinie durchweg positiv: „Ich bin richtig stolz, dass wir die Bearbeitung in so kurzer Zeit geschafft haben und so auch noch die Stellungnahme an das IQWiG rechtzeitig rausgehen konnte.“ Er hebt hervor, dass Dr. Ralph Ziegler sowohl an der Leitlinie Typ-1-Diabetes als auch an der Leitlinie für Kinder und Jugendliche mit Diabetes beteiligt war: „Das war wichtig, um eine Harmonisierung der beiden Leitlinien zu erreichen.“

DMP Diabetes mellitus Typ 1: Stellungnahme der DDG zum Vorbericht des IQWiG

Am 12. September ist die aktualisierte S3-Leitlinie Typ-1-Diabetes unter Federführung der DDG erschienen. Am selben Tag hat die DDG zusammen mit ihrer AG Pädiatrische Diabetologie und weiteren Fachgesellschaften eine Stellungnahme zum Vorbericht des IQWiG abgegeben. Das IQWiG identifiziert in diesem Vorbericht Aktualisierungsbedarf für das DMP Diabetes mellitus Typ 1. 

Die Aspekte der Stellungnahme resultieren aus dem Abgleich der IQWiG-Leitliniensynopse mit der Leitlinie Typ-1-Diabetes und der aktualisierten Fassung der S3-Leitlinie „Diagnostik, Therapie und Verlaufskontrolle des Diabetes mellitus im Kindes- und Jugendalter”. Als weitere internationale Leitlinie, so heißt es in der Stellungnahme, sollten die ISPAD Guidelines 2022 berücksichtigt werden. 

Die Autoren der Stellungnahme nennen als übergeordnete Therapieziele u.a. die partizipative Entscheidungsfindung, gute Lebensqualität, Reduktion des Risikos für die Entstehung von Folge­erkrankungen, Vermeidung von Akutkomplikationen und eine möglichst stabile Stoffwechsellage. Zudem gibt es Ergänzungen und Differenzierungen der IQWiG-Leitliniensynopse, konkret z.B. zum HbA1c-Zielwert, in Bezug auf CGM-abgeleitete Parameter und zur Indikation zur Anwendung von CGM. Aus Sicht der Autoren soll allen Menschen mit Typ-1-Diabetes ein CGM angeboten werden.
Geht es um Kinder und Jugendliche mit Diabetes, gehen die Autoren u.a. auf die Therapieziele, die Aufnahme moderner Therapien ins DMP, die Transition und die psychosoziale Betreuung ein. 

Leitlinie für Kinder und Jugendliche: Das ist neu

Leitlinien-Koordinatoren der AG Pädiatrische Diabetologie der DDG für die Leitlinie „Diagnostik, Therapie und Verlaufskontrolle des Diabetes mellitus im Kindes- und Jugendalter“ sind Dr. Martin Holder, Stuttgart, und Dr. Ralph Ziegler, Hannover. Insgesamt waren 36 Personen mit der Erstellung befasst, der gesamte Prozess der Aktualisierung hat fast drei Jahre gedauert. Die Leitlinie liegt derzeit noch in der Konsultationsfassung vor. Als wichtigste Neuerungen werden von Dr. Holder und Dr. Ziegler genannt:

  • Die Leitlinie berücksichtigt alle Besonderheiten und Formen der chronischen Erkrankung Diabetes im Kindes- und Jugendalter. Die Empfehlungen der Leitliniengruppe konzentrieren sich auf das gesamte Spektrum der pädiatrischen Diabetologie, es werden aber auch die Besonderheiten der verschiedenen Altersgruppen berücksichtigt. 
  • Gedacht sind die Leitlinien für alle Berufsgruppen, die Kinder und Jugendliche mit Diabetes betreuen und unterstützen und mit der Erkrankung befasst sind. Dazu zählen Diabetolog*innen, päd­­­­iatrische Diabetolog*innen, Endokri-no­­­­log*innen, Pädiater*innen, die Betroffenen und Angehörigen selbst und auch Organisationen wie Krankenkassen, Medizinischer Dienst der Krankenkassen, Bildungs- und Betreuungseinrichtungen.
  • Abgebildet werden in der Leitlinie die wichtigen Fortschritte u.a. auf den Gebieten der Früherkennung, Stadieneinteilung und Prävention, der Diabetes-Technologie und der Intensivierung der Insulintherapie. Wenn möglich, so die Empfehlung, soll allen Kindern und Jugendlichen mit einer Insulinpumpe auch CGM und AID-System angeboten werden. „Ein weiteres wichtiges Aufgabengebiet ist die Integration und Teilhabe von Kindern mit Typ-1-Diabetes in KiTa und Schule. Und auch in der Diagnostik, Behandlung und Betreuung von Kindern und Jugendlichen mit anderen Diabetesformen hat sich seit der letzten Aktualisierung der Leitlinie sehr viel getan. Dies alles wird in der neuen Leitlinie im Gesamten umfassend bearbeitet“, sagen die beiden Leitlinienautoren.
  • Neue Kapitel sind dazugekommen, so Dr. Holder und Dr. Ziegler, z.B. „Telemedizin und Videosprechstunde“, „Inklusion und Teilhabe“, andere Kapitel sind deutlich erweitert worden, z.B. „Risikofaktoren, Früherkennung und Prävention“, „Diabetes und Technologie“ und „Andere Diabetesformen“, einige Themenbereiche haben ein eigenes Kapitel bekommen wie „Ernährungstherapie“ und „Transition“.

Zudem wurden wichtige Neuerungen eingeführt, um den gestiegenen Anforderungen und dem vergrößerten Umfang gerecht zu werden: „Zum einen haben wir die Anzahl der Kapitelautoren erweitert. Jedem bisherigen Kapitelautor wurden ein bis zwei ‚neue’ Autoren zur Mitarbeit hinzugefügt, auch um eine möglichst breite Vielfalt der Expertise abzubilden. Zum anderen haben wir die weiteren Berufsgruppen eines Diabetesteams einbezogen, z.B. Diabetesberatung, Ernährungsberatung und erneut eine Patientenvertreterin (neben selbst betroffenen Autoren).“

Leitlinien, Praxis­empfehlungen: Das steht 2023 noch an

Aktuell wurden und werden unter Federführung der DDG fünf Leitlinien aktualisiert (Therapie des Typ-1-Diabetes; Diagnostik, Therapie und Verlaufskontrolle des Diabetes mellitus im Kindes- und Jugendalter; Gestationsdiabetes; Diabetes und Straßenverkehr; Diagnostik, Therapie und Verlaufskon­trolle des Diabetes mellitus im Alter).  Zudem sind viele Praxisempfehlungen neu entstanden. Dazu Professor Dr. Karsten Müssig, neben Professor Dr. Monika Kellerer Leitlinienkoordinator der DDG: „Zur Herbsttagung werden nun sogar 28 aktualisierte oder neu entstandene Praxisempfehlungen veröffentlicht werden.

Neu hinzugekommen ist die Praxisempfehlung ‚Ernährungsempfehlungen zur Prävention des Diabetes mellitus Typ 2’ unter Federführung des Ausschusses für Ernährung der DDG.“ „Und“, so Prof. Müssig, „aktuell entsteht eine weitere Praxisempfehlung ‚Diabetes im Krankenhaus’, die den Diabetesteams konkrete Hilfestellungen geben möchte.“ All dies ist nicht selbstverständlich: „Die Leitlinien und Praxisempfehlungen haben wir der außerordentlichen Expertise und dem großartigen Engagement der Autorinnen und Autoren zu verdanken.“