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„Die Schwarze soll mich nicht behandeln“: Rassistisches und sexistisches Verhalten von Patienten macht Ärzte sprachlos

Autor: Dr. Elke Ruchalla

Viele reagieren nicht auf Diskriminierung, weil sie nicht wissen, was sie sagen sollen – und dürfen. Viele reagieren nicht auf Diskriminierung, weil sie nicht wissen, was sie sagen sollen – und dürfen. © fizkes – stock.adobe.com
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So mancher Patient hat eine festgefahrene Vorstellung von seinem Arzt. Eine schwarze Ärztin bekommt daher auch mal rassistische und sexistische Kommentare an den Kopf geworfen, wie eine US-Studie zeigt.

Pflegenotstand, Ärztemangel – in den Krankenhäusern und ländlichen Gebieten Deutschlands fehlen Fachkräfte. Verantwortliche versuchen, diesem Mangel mit der Verpflichtung von medizinischem Personal aus dem Ausland zu begegnen. Die neuen Kollegen müssen sich von Patienten anscheinend einiges gefallen lassen, wie ein Blick in die USA zeigt. Auch dort finden sich in der Medizinergemeinde zunehmend Menschen nicht-kaukasischer Herkunft, z.B. Schwarze, Asiaten und/oder Muslime, die in der Vorstellung Mancher nicht dem Bild des kompetenten Behandlers entsprechen.

Kaum Untersuchungen trotz bekanntem Problem

In einer Online-Umfrage aus dem Jahr 2017 gaben generell fast sechs von zehn befragten Ärztinnen und Ärzten an, in den vorangegangenen fünf Jahren von Patienten herabgesetzt worden zu sein – durch mehr oder weniger abfällige, offen sexistische oder rassistische Bemerkungen. Angehörige von Minderheiten traf es verstärkt.

Das Problem ist also im Prinzip bekannt, dennoch gibt es kaum sys­tematische Untersuchungen dazu, ganz zu schweigen von Versuchen, die Betroffenen vor derartigen Diskriminierungen zu schützen. Dr. Margaret­ Wheeler von der Abteilung für Innere Medizin der University of California in San Francisco und ihre Kollegen haben sich nun solche Herabsetzungen aufgrund sozialer Charakteristika näher angeschaut.

Letztlich nur ein Mikrokosmos der Gesamtgesellschaft

Insgesamt 50 Mediziner (elf Krankenhausärzte, 26 niedergelassene Ärzte, 13 Medizinstudenten) nahmen an Diskussionsgruppen mit semistrukturierten Interviews teil und schilderten ihre Erfahrungen. Darunter waren 22 Männer, 26 Frauen und zwei Gendervarianten. Etwas mehr als die Hälfte waren Weiße, die restlichen 48 % machten Latinos, Asiaten, Araber und Schwarze aus. Dabei fragten die Wissenschaftler sowohl nach entsprechenden Ereignissen, in denen die Teilnehmer herabgesetzt worden waren, als auch nach den Empfindungen der Betroffenen und der Reaktion von unbeteiligten Zeugen, z.B. Vorgesetzten.

Die Befragten beschrieben eine Vielzahl von Vorfällen, bei denen sie sich Patientenvorurteilen gegenüber gesehen hatten. Die Ereignisse differierten, grob ließen sich aber einige Typen klassifizieren (s. Kasten).

Oft genannte Verhaltensweisen

  • Patienten lehnten explizit die Versorgung durch einen nicht-weißen Arzt ab. Dabei sagten sie z.B., jemand solle sie behandeln, der „so wie sie aussehe“.
  • Patienten machten offen rassistische Bemerkungen; etwa „Ihr seid an allem schuld, was hier schiefläuft“ gegenüber einer muslimischen Studentin mit Kopftuch.
  • Patienten stellten die Professionalität infrage; bspw. sprachen sie eine Ärztin als Schwester an und den sie begleitenden Medizinstudenten als „Herr Doktor“.
  • Patienten (oder Angehörige) äußerten mangelnden Respekt nonverbal, z.B. pfiffen sie Studentinnen oder Ärztinnen hinterher.
  • Patienten rissen „Witze“, die sich auf die – scheinbare (!) – ethnische Herkunft der Profis beziehen, etwa indem sie eine dunkelhäutige Assistentin (eine Latina) nach den besten Zutaten für ein Curry fragten.
  • Patienten erkundigten sich explizit nach der Herkunft, wenn sie auf dem Klinikausweis einen ausländisch klingenden Namen lasen.
  • Patienten machten gegenüber Ärztinnen oder Studentinnen unangemessene flirtende Bemerkungen oder nannten sie „Schätzchen“.

Im Allgemeinen ärgerten sich die Betroffenen, sie waren verletzt oder sogar in ihrer Rolle als Mediziner verunsichert. Teilweise beeinträchtigte das sogar ihre zukünftige Arbeit oder ihr Studium, und diese Effekte hielten deutlich über den Moment hinaus an. Einige Teilnehmer beschrieben einen „inneren Rückzug“. Viele gaben keine direkte Antwort auf die Bemerkungen: Entweder weil sie es für sinnlos hielten oder einfach nicht wussten, wie sie adäquat reagieren sollten – und durften. Denn immer noch wird oft implizit vorausgesetzt, auch von ihnen selbst, dass Ärzte dauerhaft 24/7 edel, hilfreich und gut zu sein haben; Kritik an Patienten gehört dagegen nicht zur Rolle. Unbeteiligte, die solche Vorfälle mitbekamen, waren ebenfalls oft unsicher, was sie tun sollten. Manche Vorgesetzte wiesen Patienten nach solchen Bemerkungen zurecht, andere grinsten nur. Und oft genug reagierten sie gar nicht. Bestürzend, aber nicht überraschend finden Dr. Lisa A. Cooper vom Department of Medicine an der Johns Hopkins University School of Medicine in Baltimore und ihre Kollegen diese Veröffentlichung. Letztlich stellt das Gesundheitssystem nur einen Mikrokosmos der Gesamtgesellschaft dar, schreiben sie, und dort sind rassistische, sexistische und andere Vorurteile ebenfalls keine Seltenheit – möglicherweise haben sie in letzter Zeit sogar zugenommen. Was aber kann man dagegen tun?

Trainingsmaßnahmen und Rollenspiele organisieren

Die Kommentatoren haben einige Vorschläge zu machen. Klinikleitungen sollten sich dieser Probleme bewusst sein und sie nicht ignorieren oder als nur marginal einstufen. Zwar muss das Personal die adäquate medizinische Betreuung der Kranken gewährleisten, aber vorgesetzte Ärzte und Verwaltungen haben auch eine Fürsorgepflicht gegenüber ihren Angestellten, die sie vor respektlosen Patienten schützen müssen. Die Verantwortlichen sollten etwa Trainingsmaßnahmen und Rollenspiele organisieren, in denen Betroffene und Zeugen solcher Herabwürdigungen lernen, wie sie wirkungsvoll darauf regieren können. Damit es ihnen nicht nur einfach die Sprache verschlägt.

Quellen:
1. Wheeler M et al. JAMA Intern Med 2019; DOI: 10.1001/jamainternmed.2019.4122
2. Cooper LA et al. A.a.O.; DOI: 10.1001/jamainternmed.2019.4100