Gefährlicher Knochenfortsatz Eagle-Syndrom lähmt Arm und Bein

Autor: Birgit Maronde

Ein unscheinbarer Knochenfortsatz brachte das Gehirn eines Patienten ins Straucheln. Ein unscheinbarer Knochenfortsatz brachte das Gehirn eines Patienten ins Straucheln. © Matthieu - stock.adobe.com

Bei Kopfdrehung Paresattacken oder Bewusstseinstörung: Ein unscheinbarer Knochenfortsatz brachte das Gehirn eines Patienten ins Straucheln.

Seit Jahren erlebtein Mann täglich eine Schwächeim linken Arm und Bein – immer, wenn er seinen Kopf nach rechts dreht. Ein seltener Fall des Eagle-Syndroms, wie sich herausstellt.

Mit transienten neurologischen Defiziten gab ein 57 Jahre alter Hypertoniker den Ärztinnen und Ärzten des Universitätsklinikums Maastricht eine harte Nuss zu knacken. Unter Kopfdrehung nach rechts trat ein plötzlicher Kraftverlust im linken Arm und Bein auf. Gelegentlich trat eine kurzzeitige Bewusstlosigkeit hinzu. Weitere Symptome gab es keine – weder kam es bei den Attacken zu Schwindel oder Doppelbildern noch zu orofazialem Schmerz, Sprechstörungen oder Tinnitus.

Wie ein Team um Dr. Britt Schuurman von der Maastrichter HNO-Klinik berichtet, dachte man differenzialdiagnostisch an eine TIA im Karotisstromgebiet, epileptische Anfälle und andere vorübergehende neurologische Ereignisse sowie die Kompression des Zervikalmarks. Daher wurden eine kraniale CT und eine CT-Angiografie (CTA) der Karotiden veranlasst. In Letzterer fiel zwar keine Atherosklerose, aber angrenzend an die rechte A. carotis interna ein verlängerter Processus styloideus ossi temporalis auf. Dieser könnte bei Kopfdrehung das Gefäß komprimieren, so die Vermutung. Also wiederholte man die CTA mit rotiertem Kopf. Tatsächlich zeigte sich dabei eine Einengung der Arterie durch den Knochenfortsatz.

Kompression der Carotis interna bedingte kortikale Ischämie

Offenbar litt der Patient unter der vaskulären Form des seltenen Eagle-Syndroms. Bei diesem nach seinem Entdecker benannten Krankheitsbild kommt es durch den engen Kontakt des verlängerten Processus styloideus (> 3 cm) mit der Carotis interna bzw. externa zu einer Kompression oder Dissektion des Gefäßes. In diesem Fall wurde das Lumen der rechten Carotis interna bei Kopfrotation verengt. Da gemäß CTA außerdem ein inkompletter Circulus Willisii ohne linkes A1-Segment vorlag, resultierten eine Minderperfusion der rechten A. cerebri media und beider Aa. cerebri anteriores. Die dadurch verursachte Ischämie der motorischen Hirnareale war Ursache für die Schwächeattacken in der linken Körperhälfte. Dass die Kopfdrehung den zerebralen Blutfluss beeinträchtigte, bestätigte das Team mittels transkranieller Dopplersonografie.

Ein zu langer temporaler Processus styloideus kann noch zwei weitere Eagle-Varianten hervorrufen: Die klassische geht mit Schmerzen einher, etwa einer Odynophagie oder orofazialen Beschwerden, zumeist einseitig. In manchen Fällen tritt eine Dysphagie auf. Ursache scheint eine Kompression nervaler Strukturen, z. B. des N. glosspharyngeus, des unteren Trigeminusastes und/oder der Chorda tympani, zu sein. Auch die direkte Irritation dieser Strukturen durch den zu langen Knochenfortsatz ist denkbar, erläutern Dr. Schuurman und ihre Kolleginnen und Kollegen. Beim jugularen Eagle-Syndrom kommt es zu einer Kompression der Vena jugularis interna. Das Risiko für Thrombose, zerebrale Blutung und Kopfschmerz ist erhöht.

Übrigens: Der beschriebene Patient mit vaskulärem Eagle-Syndrom konnte erfolgreich behandelt werden. Seit der Resektion des 4 cm langen Processus styloides ist er beschwerdefrei. 

Quelle: Schuurman B et al. Neurology 2025; 105: e213764; doi: 10.1212/WNL.0000000000213764