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Lymphadenopathie Ein Hämatologe führt durch das diagnostische Dickicht

DGIM 2024 Autor: Dr. Vera Seifert

Bei unklarer Lymphknotenvergrößerung ist von der Gabe von Glukokortikoiden abzusehen. Bei unklarer Lymphknotenvergrößerung ist von der Gabe von Glukokortikoiden abzusehen. © jitendra jadhav – stock.adobe.com
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Bei der Lymphadenopathie ist das Spektrum möglicher Ursachen riesig. Entscheidend für den Hausarzt ist, was diagnostisch sinnvoll ist und wann der Spezialist ran muss. Es ist ein Indizienprozess, meinte ein Hämatologe. Anhand eines roten Fadens zeigte er, wie man bei entsprechendem Verdacht am besten vorgeht.

Eine unklare Lymphknotenvergrößerung hat in der Hausarztpraxis eine Prävalenz von ca. 1 %. Von diesen Patienten werden etwa 10 % aufgrund weiterer Hinweise dem Spezialisten vorgestellt, der bei jeder zehnten Lymphknotenexstirpation ein Malignom findet, erklärte Prof. Dr. Karl-Anton Kreuzer, Klinik I für Innere Medizin am Universitätsklinikum Köln.

Eine Eselsbrücke zu den wichtigsten Ursachen liefert das sogenannte MIAMI-Schema. Danach unterscheidet man:

  • Malignome, u.a. maligne Lymphome, Leukämien, Metastasen
  • Infektionen
  • Autoimmunerkrankungen
  • Miscellaneous (engl. für: Verschiedenes), etwa Morbus Castlemann, Histiozytose, Iso-Kikuchi-Syndrom, Sarkoidose, Morbus Gaucher
    iatrogene Ursachen, z.B. Serumkrankheit oder Medikamente

Was für viele andere Erkrankungen gilt, trifft auf die Lymphadenopathie in besonderem Maße zu, betonte der Hämatologe: Anamnese und Klinik weisen den Weg. Beim Lokalbefund sind nicht nur Ort und Größe der auffälligen Lymphknoten zu erfassen, sondern auch Schmerzhaftigkeit, Konsistenz, Mobilisierbarkeit und Entzündungszeichen. Beim Allgemeinbefund sollte man vor allem auf Leber- und Milzgröße, Fieber und B-Symptome achten. Anamnestisch helfen Angaben zu Haustieren, Auslandsaufenthalten, Zeckenstichen, Sexualverhalten, Drogenmissbrauch sowie zur Einnahme von Medikamenten und zu zurückliegenden Impfungen weiter.

Für ein Malignom sprechen schleichende Progredienz, fehlende Verschieblichkeit und derbe Konsistenz der Lymphknoten sowie das Fehlen von Infektionszeichen. Suspekte Lokalisationen sind die Achseln und die Clavikula. So ist bei supra- oder infraclavikulär tastbaren Lymphknoten an ein Magenkarzinom zu denken. Leber- oder Milzvergrößerung und B-Symptome sind ebenfalls malignomverdächtig. Man sollte die Abflussgebiete bei den verschiedenen Tumoren im Hinterkopf haben, allerdings halten sich die meisten Tumoren nicht an diese Systematik, gab Prof. Kreuzer zu bedenken. Risikofaktoren für einen bösartigen Prozess sind ein Lebensalter über 40 Jahre, männliches Geschlecht, generalisierte Lymphadenopathie und ausbleibende Rückbildung nach acht bis zwölf Wochen. 

Indizien für eine Infektion sind rasche Progredienz und Schmerzhaftigkeit, zervikale, nuchale oder inguinale Lokalisation, Fieber und starkes Krankheitsgefühl. Bei entsprechendem Verdacht ist die Liste möglicher Erreger sehr lang. Zur Eingrenzung können gezielte Fragen nach einer möglichen Exposition weiterhelfen, z.B. der Konsum von rohem Fleisch, Zeckenstich, Bluttransfusionen oder eine Tropenreise.

Bei einer Autoimmunerkrankung ist die Lymphadenopathie meist nur gering ausgeprägt, schmerzlos und oft generalisiert. Der Vielzahl möglicher anderer Ursachen nähert man sich durch das Ausschlussprinzip. Letztlich stellen lässt sich die Diagnose nur durch eine Lymphknotenexstirpation. Medikamente, die die Erkrankung iatrogen auslösen können, sind u.a. Allopurinol, Atenolol, Captopril, Carbamazepin, Hydralazin, Penicilline, Cotrimoxazol und Phenytoin. 

Im Wesentlichen sind es sechs Fragen, die sich ein Hausarzt bei erstmalig aufgetretenen unklaren Lymphadenopathien stellt. Prof. Kreuzer beantwortete sie folgendermaßen:

1. Kann ich zuwarten und wenn ja, wie lange?

Bei fehlender Dynamik und ohne sonstige Symptome kann man vier bis acht Wochen warten. Dies gilt insbesondere bei jungen Patienten.

2. Soll ich Laborwerte anfordern? Wenn ja, welche? 

Eine Laboruntersuchung hilft diagnostisch kaum weiter. Zwar könnte das Blutbild einen Hinweis auf eine Leukämie geben, der CRP-Wert und die BSG auf eine Infektion. Aber es gibt nur wenige wegweisende Befunde aus dem Allgemeinlabor. Bei gezielter Fragestellung kann eher das Speziallabor weiterhelfen, etwa durch serologische Tests.

3. Soll ich eine Bildgebung veranlassen?

Das sollte man tun, wenn sich der Befund nach vier bis acht Wochen nicht ändert. Am besten beginnt man mit einer Sonografie, gegebenenfalls gefolgt von einer CT. Nicht zu empfehlen ist die PET-CT. Sie ist zum einen teuer und hilft andererseits bei der Einschätzung der Dignität nicht weiter. Zum anderen kann sie den Patienten stark verunsichern.

4. Soll ich Infektionsdiagnostik betreiben? 

Bei entsprechendem Verdacht ist eine entsprechende Virusdiagnostik, etwa auf das Epstein-Barr-, Zytomegalie- oder HI-Virus sowie auf Hepatitiden, zu empfehlen. Sinnvoll ist auch die bakterielle Diagnostik, die Toxoplasmose, Tuberkulose und Brucellose sowie Infektionen mit Leptospira oder Bartonella umfasst. Bei Fieber sollten Blutkulturen angefertigt werden.

5. Soll ich zum Hämatoonkologen überweisen?

Dieser Schritt steht spätestens bei blander initialer Infektionsdiagnostik und suspekter Bildgebung an.

6. Wann ist eine Lymphknotenhistologie sinnvoll?

Diese Untersuchung ist immer bei Verdacht auf Malignität indiziert. Goldstandard ist die Lymphknotenexstirpation. Je nach Verfügbarkeit und Dringlichkeit kommt auch eine Punktion infrage.

Zeitdruck verursachen eher die infektiösen als die malignen Ursachen, betonte Prof. Kreuzer. Prognostisch mache es überhaupt nichts aus, ob man ein Hodgkin-Lymphom oder eine chronische lymphatische Leukämie vier oder acht Wochen früher oder später diagnostiziert. Eine über Wochen unbehandelte Streptokokkeninfektion hingegen könne sehr problematisch werden.

Abschließend warnte der Referent noch davor, Glukokortikoide zu geben. Sie können zum einen eine Infektion verschlimmern, zum anderen die histopathologische Diagnose eines Malignoms oder einer immunologischen Erkrankung erheblich erschweren. Auch die Bestimmung unspezifischer Tumormarker sei keine gute Idee. Sie sind diagnostisch wertlos und tragen zu starker Verunsicherung bei den Patienten bei.

Quelle: 130. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin 2024