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Mediastinum Ein Tummelplatz für (Pseudo-)Tumoren

Autor: Dr. Angelika Bischoff

Die meisten Tumoren bevorzugen bestimmte Kompartimente.

Die meisten Tumoren bevorzugen bestimmte Kompartimente. © iStock/Ilya Lukichev
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Mediastinale Massen können eine Vielzahl von Ursachen haben. Mit einem strukturierten Vorgehen unter Berücksichtigung von Alter, Geschlecht, Bildgebung, einigen Laborbefunden und vor allem der Lokalisation des Prozesses gelingt die korrekte Diagnose.

Durch das Mediastinum ziehen zahlreiche wichtige Strukturen wie große Gefäße, Herz, Trachea, Hauptbronchien, Ösophagus, Thymus sowie Lymphgefäße und Nerven. Mediastinale Raumforderungen sind selten, aber tricky wegen der Vielzahl möglicher Entitäten. Den Weg zur Diagnose skizzieren die Pathologen Dr. Maria-
Rosa Ghigna und Dr. Vincent Thomas de Montpreville vom Marie Lannelongue Hospital in Le Plessis Robinson in einem aktuellen Review.

In der Abklärung ergibt sich eine erste Verdachtsdiagnose aus der Lokalisation der Herde. Denn die meis­ten mediastinalen Tumoren zeigen „Vorlieben“ für bestimmte Kompartimente. Ein gebräuchliches, auf CT-Querschnittsbildern basierendes Klassifikationssystem unterscheidet drei Kompartimente: anterior, medial und posterior. Auf dieser Basis können Biopsie und/oder Operation gut geplant werden.

Anteriores (prävaskuläres) Mediastinum

Dort finden sich bevorzugt Thymus­tumoren oder -hyperplasie, Keimzelltumoren, Lymphome, Lymphknotenmetastasen und intrathorakale Strumen. Im Erwachsenenalter dominieren die – meist malignen – Thymome. Vor allem die Subtypen B1, B2 und B3 haben eine starke Assoziation zur Myasthenia gravis.

Das Mediastinum ist der häufigste extragonadale Ort, an dem Keimzelltumoren auftreten. Der Verdacht darauf sollte aufkommen bei Patienten unter 40 Jahren mit bestimmten klinischen Merkmalen:

  • Gynäkomastie
  • keine Myasthenia gravis oder B-Symptome eines Lymphoms
  • Anstieg von β-HCG oder a-Fetoprotein
  • in der Bildgebung heterogene Masse mit Anteilen von Fett oder Knochen

Am häufigsten handelt es sich um Teratome. Reife Teratome bestehen aus zahlreichen Gewebearten, wobei die Gewebe nur selten maligne entarten. Auch eine Invasion in benachbarte Strukturen findet nicht statt.

Bei jüngeren Männern mit Seminomen rechnen

Reine Seminome betreffen ausschließlich Männer in der dritten oder vierten Lebensdekade. In der CT imponieren die Tumoren als zumeist infiltrierende homogene Massen und sind häufig assoziiert mit Lungenmetastasen. Seminome sprechen in der Regel auf eine alleinige Chemotherapie an und haben eine gute Prognose. Ganz im Gegensatz zu den primär malignen nicht-seminomatösen Keimzelltumoren, die im Alter zwischen 20 und 39 Jahren, bevorzugt bei Männern, auftreten können. Sie fallen als große heterogene Massen auf, die mediastinale Strukturen verdrängen. Man beob­achtet eine starke Erhöhung von β-HCG und/oder α-Fetoprotein. Meist reichen Labor und Bildgebung aus, um diese Tumoren eindeutig zu diagnostizieren.

Die zweithäufigsten Tumoren im anterioren Mediastinum nach Thymomen sind Lymphome, meist Hodgkin-Lymphome. Sie lassen sich häufig im Thymus, weniger in Lymphknoten nachweisen, und betreffen meist unter 40-Jährige. Diese können leichte respiratorische Beschwerden haben und/oder B-Symptome. Um eine geeignete Therapie zu selektieren, braucht man Biopsie und histologische Typisierung.

Primäre mediastinale neuroendokrine Tumoren (NET) oder Weichteiltumoren finden sich extrem selten. Kürzlich erstmals im Mediastinum beschrieben wurden SMARCA4-defiziente Tumoren. Es handelt sich um eine Gruppe undifferenzierter Sarkome mit schlechter Prognose, die vor allem bei Männern, gewöhnlich Rauchern, entstehen.

Mittleres (viszerales) Mediastinum

In dieser Region trifft man auf Läsionen trachealen, ösophagealen, perikardialen, kardialen oder großvaskulären Ursprungs und auf Lymphadenopathien. Letztere gehören zu den häufigsten radiologischen Befunden im mittleren Mediastinum. Ätiologisch kommen sowohl inflammatorische als auch neoplastische Prozesse in Betracht.

Lymphknoten mit mehr als 2 cm Durchmesser, hypodensem Zentrum und/oder peripherer Kalzifizierung charakterisieren die Tuberkulose. Eine bilaterale hiläre und paratracheale Lymphknotenvergrößerung kennzeichnet die Sarkoidose, in Frühstadien oft noch ohne Beteiligung des Lungenparenchyms. Histologisch liegt bei der Sarkoidose eine granulomatöse Entzündung ohne Nekrose vor. Lymphknotenmetastasen im Mediastinum gehen vor allem vom Bronchial-, Mamma- oder Ösophaguskarzinom aus. Das mittlere Mediastinum ist auch der Ort, an dem sich bronchogene Zysten entwickeln.

Posteriores (paravetebrales)Mediastinum

In diesem Raum befinden sich die Wirbelsäule mit dem paravertebralen Bindegewebe und Ganglien. Dort finden sich meist gutartige neurogene Tumoren, z.B. Schwannome und Neurofibrome, die meist asymptomatisch bleiben. Kommt es zur Kompression durch benachbarte Strukturen, können Schmerzen und/oder Parästhesien auftreten. In der CT fallen Schwannome als scharf begrenzte paraspinale Massen auf. Manchmal werden sie ziemlich groß, was u.U. zur Erosion von Wirbelkörpern führt. Die intraspinale Ausdehnung muss mittels MRT untersucht werden, um die operative Entfernung zu planen. Es gibt auch von Markscheiden ausgehende maligne Tumoren – sporadisch auftretend oder im Zuge einer Neurofibromatose entstehend –, die sich lokal invasiv verhalten. Sie können mit fokalen neurologischen Defiziten und/oder Schmerzen einhergehen.

Die Castleman-Krankheit

Bei der Castleman-Krankheit ist ein einzelner Lymphknoten oder eine ganze Gruppe vergrößert. Im Rö-Thorax sieht man die Läsionen als solitäre runde Masse im mittleren Mediastinum oder am Hilus. Als wichtiges Kennzeichen gilt die Hypervaskularität, erkennbar an der intensiven Kontrastverstärkung.
Zur Sicherung der Diagnose und dem Ausschluss eines Lymphoms muss eine Biopsie mit Histologie erfolgen. Bei unizentrischer Krankheit zeigt der Lymphknoten follikuläre und interfollikuläre Hyperplasien – Letztere von vielen Gefäßen durchzogen –, atrophische follikuläre Zentren und Gefäße mit hyalinen Wänden. Diese Form der Erkrankung hat einen gutartigen Charakter und lässt sich mittels operativer Resektion therapieren. Im Gegensatz dazu stellt die multizentrische Form eine aggressive lymphoproliferative Krankheit dar, die eine Assoziation zu Infektionen mit dem Herpesvirus Typ 8 hat. Histologisch sieht man hierbei plasmazellartige Veränderungen.

Es gibt auch von Markscheiden ausgehende maligne Tumoren – sporadisch auftretend oder im Zuge einer Neurofibromatose entstehend –, die sich lokal invasiv verhalten. Sie können mit fokalen neurologischen Defiziten und/oder Schmerzen einhergehen.

Sympathikus-Ganglien sind der Ursprungsort von Neuroblastomen, malignen Neoplasien, die Kleinkinder betreffen. Bei Kindern und jungen Erwachsenen kommen Ganglioneurome vor, die aus reifen Ganglienzellen bestehen. Einen neuralen Tumor imitieren können Müller-Zysten, die nur bei Frauen auftreten. Sie können konservativ behandelt werden, da keine ernsthaften Komplikationen drohen.

Quelle: Ghigna MR, de Montpreville VT. Eur Respir Rev 2021; 30: 200309; DOI:10.1183/16000617.0309-2020