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COPD Eine komorbide renale Dysfunktion ist häufig und limitiert die Prognose

ERS 2023 Autor: Manuela Arand

Lunge und Nieren sind u.a. dafür zuständig, den pH-Wert im Blut zu stabilisieren. Damit dies gelingt, müssen sie ständig miteinander kommunizieren. Lunge und Nieren sind u.a. dafür zuständig, den pH-Wert im Blut zu stabilisieren. Damit dies gelingt, müssen sie ständig miteinander kommunizieren. © rh2010 - stock.adobe.com
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Zur Betreuung von COPD-Patienten sollte auch ein regelmäßiger Nierencheck gehören. Denn eine schwächelnde Lunge kann das Ausscheidungsorgan in Mitleidenschaft ziehen. Therapeutische Ansätze sind in Sicht.

Die am besten untersuchten Komorbiditäten bei COPD betreffen Herz, Gefäße, Knochen und Muskulatur. Dazu kommen vielleicht noch Depression und Diabetes. Es gibt aber so gut wie keine Studien, die sich damit beschäftigen, was mit den Nieren passiert, wenn jemand raucht und eine COPD entwickelt, beklagte Prof. Dr. ­Francesca ­Polverino, Baylor College of Medicine in Houston. „Dabei besteht eine enge Verbindung zwischen Lunge und Niere.“ Diese beiden Organe sind dafür zuständig, den pH-Wert im Blut zu stabilisieren. Sie müssen ständig kooperieren, damit das System funktioniert. 

Rauchen beschleunigt den Niedergang der Niere

Dass Rauchen die Nieren schädigt, wundert wenig, denn die sys­temischen Endothelschäden erfassen auch die renalen Gefäße. Eine der wenigen Studien, die sich mit diesem Thema beschäftigt, zeigte schon vor zehn Jahren, dass COPD-Patienten – unabhängig von anderen kardiovaskulären Risikofaktoren – häufig eine Mikro­albuminurie aufweisen und dass diese mit der Hyp­oxämie korreliert.1 Prof. Polverinos Team konnte nachweisen, dass die Glomeruli dras­tisch schrumpfen und die GFR als Messlatte der Nierenfunktion immer weiter abnimmt, wenn ein Raucher eine COPD entwickelt.2 Mehr noch: Patienten, die rasch FEV1 einbüßten, schieden besonders viel Albumin über die Niere aus. 

Tierversuche deuten an, welche therapeutischen Konsequenzen die Erkenntnisse haben könnten. So entwickelten zigarettenrauch­exponierte Mäuse, deren Futter mit einem ACE-Hemmer versetzt wurde, weniger pulmonale Inflammation, Atemwegsremodeling und Emphysemzeichen, aber auch weniger glomeruläre Schäden und Albuminurie. Ähnliche Effekte ließen sich für Metformin zeigen, dem heute viele protektive Wirkungen jenseits des antidiabetischen Effekts zugeschrieben werden.

Wachsendes Verständnis für Organinteraktion eröffnet neue Perspektiven

Das wachsende Verständnis der Organinteraktionen eröffnet neue Perspektiven hinsichtlich Dia­gnose und Therapie. Und die gehen weit über simple Zusammenhänge hinaus, etwa, dass die Nieren ohne Sauerstoff nicht funktionieren und die Lunge ohne adäquate Nierenfunktion im Lungenödem ertrinkt. Die Lunge ist entscheidend für das Renin-Angiotensin-System, weil dort die Aktivität von ACE am größten ist, erklärte Prof. Dr. ­Wolfgang ­Kübler, Charité – Universitäts­medizin Berlin. Auf der anderen Seite produziert die Niere viele wichtige Hormone und Botenstoffe, darunter Vitamin D, Erythropoetin und das Anti-Aging-Protein Klotho. „Wir kennen außerdem eine Fülle weiterer Sig­nale und Verbindungen zwischen den Organen in Homöostase und Krankheit“, so der Kollege. 

Zum Verständnis lohnt ein Blick in die Kommunikationstheorie. Die Vorstellung, dass ein Organ eine Botschaft – ein Hormon, ein Zytokin, eine Effektorzelle – sendet, die vom Zielorgan 1:1 verstanden und umgesetzt wird, greift zu kurz. Denn es zählt nicht nur die Botschaft, die z.B. als Biomarker messbar ist, sondern auch der Sender. Übertragen auf die Lunge bedeutet das: In welcher Menge, zu welcher Zeit, in welcher Form verschickt sie die Information? Zudem kann der Kanal (beispielsweise Blutstrom, Nervensystem) das Signal verstärken oder dämpfen. 

Auf Empfängerebene, also in der Niere, beeinflussen Art und Zahl der Rezeptoren, Signalwege, genetische Ausstattung oder Komorbiditäten, wie das Signal verstanden und umgesetzt wird. Störgeräusche, Feedback- und indirekte Kommunikationsmechanismen, beispielsweise über das intestinale Mikrobiom, machen das Bild noch komplexer und schwerer nachvollziehbar.

Rheuma, Lunge, Niere

Interstitielle Lungenerkrankungen (ILD) sind eine häufige Begleiterscheinung rheumatischer Erkrankungen, vor allem von Kollagenosen. Kommt dann noch eine Niereninsuffizienz dazu, verschlechtert sich die Prognose erheblich. Prototyp ist die Sklerodermie, die in bis zu 70 % der Fälle mit einer ILD und bei jedem vierten Patienten mit einer Niereninsuffizienz einhergeht, berichtete Prof. Dr. Gabriela Riemekasten, Rheumatologin am Universitätsklinikum Lübeck. Als wichtige Bindeglieder konnten agonistisch wirksame Autoantikörper gegen den Angiotensinrezeptor AT1R, den Endothelinrezeptor A und die Chemokinrezeptoren CXCR3/4 identifiziert werden, die bei rheumatischen Patienten mit Lungen- wie auch Nierenschäden assoziiert sind und sich vielleicht als therapeutische Ziele anbieten.

Lunge ist essenziell für das Renin-Angiotensin-System

Inzwischen dokumentieren viele Studien das Resultat der Inter­organkommunikation zwischen Lunge und Nieren. Patienten mit Pneumokokkenpneumonie entwickeln noch Jahre später überzufällig häufige schwere Nierenschäden.4 „Die Folgen beschränken sich also nicht auf die akute Phase der Pneumonie“, betonte Prof. Kübler. Eine Kohortenstudie zeigte, dass das Risiko für eine chronische Nierenerkrankung auch bei Patienten ohne septischen Verlauf und ohne renale Beteiligung in der Akutsituation erhöht ist.5 Daraus lassen sich protektive Konzepte ableiten, denn es ist bereits belegt, dass z.B. eine Grippe­impfung das Risiko für akute Nierenprobleme um ein Drittel senken kann.6 Bekannt ist das Phänomen der beatmungsinduzierten Nierenschädigung. Es zeigt, dass sich die pathogenen Interaktionen nicht auf infektiöse Ursachen beschränken. 

Albumin und eGFR regelmäßig messen

Was bleibt aktuell für die Praxis? Prof. Polverino riet, bei COPD-Patienten eGFR und Albumin im Urin regelmäßig zu messen und anormale Werte nicht leichtfertig auf die im Alter physiologisch abnehmende Nierenfunktion zu schieben. Eine Mikro­albuminurie kennzeichnet vermutlich Patienten mit generalisierten Endothelschäden, die von endothelrestaurierenden Therapien profitieren  – ein Konzept, das die Kardiologen übrigens schon länger verfolgen. Ob davon auch die Lunge profitiert, sollte geprüft werden.

*    European Respiratory Society

Quellen:
1  Casanova C et al. Am j Respir Crit Care Med 2012; 182: 1004-1010;  DOI: 10.1164/rccm.201003-0360OC
2  Polverino F et al. Am J Respir Crit Care Med 2017; 195: 1464-1476; DOI: 10.1164/rccm.201609-1765OC
 Polverino F et al. Am J Respir Crit Care Med 2021; 204: 651-666; DOI: 10.1164/rccm.202012-4510OC
4  Huang ST et al. Kidney Int 2014; 86: 1023-30; DOI: 10.1038/ki.2014.79
 Sundin PO et al. Clin Epidemiol 2018; 10: 971-979; DOI: 10.2147/CLEP.S169039
 Shih et al. Eur J Intern Med 2018; 54: 65-69; DOI: 10.1016/j.ejim.2018.04.020