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Ausreichender Kinderschlaf Einschlafhelfer von Fläschchen bis Smartphone

Autor: Dr. Joachim Retzbach

Neueste Erkenntnisse zu gutem Schlaf bei Kindern wurden auf der 30. Jahrestagung der DGSM vorgestellt. Neueste Erkenntnisse zu gutem Schlaf bei Kindern wurden auf der 30. Jahrestagung der DGSM vorgestellt. © Dragana-Gordic – stock.adobe.com
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Muss das Baby im Dunkeln liegen? Soll das Smartphone des Teenagers nach dem Abendessen ausgeschaltet bleiben? Viele Eltern rätseln, wie sie den Schlaf ihrer Sprösslinge fördern können. Schlafforscher präsentierten auf ihrem Kongress die neuesten Erkenntnisse.

Dass Eltern sich fragen, wie ihre Kinder besser – und mehr – schlafen, ist aus somnologischer Sicht zu begrüßen. Denn ausreichend Schlaf wirkt sich nicht nur auf Stimmung und Energie des Nachwuchses aus, sondern ist auch langfristig wichtig für die neurokognitive Entwicklung. Außerdem stellen Schlafprobleme vor allem für Eltern von Kleinkindern einen erheblichen Stressfaktor dar, sagte Dr. ­Mirja ­Quante, Bereich Kinderschlafmedizin am Universitätsklinikum Tübingen. 

Unglücklicherweise ist die Spanne an Empfehlungen für junge Familien breit und eine evidenzbasierte Auswahl kaum möglich. Babys nachts schreien lassen, zum Trösten auf den Arm nehmen? Familienbett oder Stubenwagen? Schnuller ja oder nein? Für zusätzliche Unsicherheit sorgt, dass es gerade bei Säuglingen extreme interindividuelle Unterschiede beim Schlafen gibt.

Dunkles Ambiente fördert die Schlafqualität

Um den Einfluss einiger Faktoren zu untersuchen, analysierte die Schlafmedizinerin und Neonatologin Daten einer US-Längsschnittstudie mit 313 Babys. Verschiedene Einflussgrößen im Alter von einem Monat setzte sie mit Schlafdauer und -phasen im Alter von sechs Monaten in Beziehung. Als förderlich erwies sich etwa ein dunkles Schlafzimmer: Dieses sorgte im Vergleich zu einer helleren Umgebung im Schnitt für 28 Minuten mehr Schlummer pro Nacht sowie eine um 39 Minuten verlängerte längste Schlafphase. Wenn die Eltern ein Kind, das aufgewacht ist, zu sich ins Elternbett holen, verkürzen sich dadurch Gesamtschlaf (−18 min) und längste Schlafphase (−25 min). Das Baby ohne Berührung zu beruhigen, wirkt sich dagegen förderlich aus (+15 min). Den größten Effekt aber hatte eine Mahlzeit direkt vor dem Zubettgehen: Sie verlängerte die längste Schlafphase um durchschnittlich 62 Minuten (Gesamtdauer +9 min). Dabei war Stillen effektiver als Säuglingsnahrung. Temperatur und Lautstärke im Zimmer hatten dagegen keinen Einfluss auf den Schlaf.

Einfache Interventionen wie eine dunkle Umgebung und das abendliche Füttern verhelfen jungen Eltern demnach zu mehr Nachtruhe, so Dr. Quante. Auch Verhaltensstrategien, die die Autonomie des Säuglings fördern, sind in Bezug auf die reine Schlafenszeit von Vorteil. Der Streit darum, welche Bedeutung körperliche Nähe für eine sichere psychologische Bindung der Kinder hat, ist damit freilich nicht beigelegt.

Nutzung elektronischer Medien verkürzt Schlafdauer

In Familien mit älteren Kindern sorgt insbesondere die Bildschirmzeit für Diskussionen. 94 % der 12- bis 19-Jährigen in Deutschland besitzen ein Smartphone, wie die JIM-Studie 2021 ergab. Tatsächlich gibt es bei Schulkindern eine klare Korrelation zwischen der Nutzung elektronischer Medien und einer kürzeren Schlafdauer, erklärte ­Sebastian ­Sennock, von der Abteilung Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie im Kindes- und Jugendalter der Uniklinik Tübingen. Auch mit Einschlafstörungen scheint die Bildschirmzeit assoziiert zu sein. Allerdings sind Ursache und Wirkung nicht ganz eindeutig: Vielleicht greifen vor allem jene Jugendliche spät abends zum Smartphone, die ohnehin schlecht einschlafen?

Dem Referenten zufolge gibt es jedoch mindestens drei mögliche kausale Verbindungen zwischen Screentime am Abend und weniger Schlaf: Einmal braucht die Beschäftigung mit dem Gerät schlicht Zeit. Der zweite Punkt ist Licht – physiologisch ist das Smartphone eine Art Taschenlampe, mit der man sich ins Gesicht leuchtet. Drittens könnten vor allem emotionale Inhalte, wie sie in sozialen Netzwerken bevorzugt kursieren, zu einem erhöhten Arousal führen und die Kinder dadurch am Einschlafen hindern.

In einer Pilotstudie haben Sennock und Kollegen untersucht, wie abendliche Medien­nutzung den Schlaf und die Gedächtnisleistung von Kindern beeinflusst. Drei Nächte lang wurde bei 20 Teilnehmern im Alter von 12–14 Jahren im eigenen Zuhause ein EEG aufgezeichnet. Abends lernten die Probanden Wortpaare auswendig. Vor dem Einschlafen sollten sie dann entweder 45 Minuten lang in einem Buch lesen, dieselbe Geschichte auf dem Handy lesen oder mit dem Smartphone nach Gusto soziale Netzwerke nutzen.

Schlaflos durch ADHS-Medikation?

Zwischen der Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS) und Schlafproblemen besteht ein enger Zusammenhang: Motorische Unruhe, häufiges Erwachen und Schlafwandeln sind bei betroffenen Kindern oft zu beobachten und könnten die Symptomatik tagsüber verstärken. Allerdings ist der Effekt einer ADHS-Medikation auf den Schlaf noch nicht ausreichend untersucht, warnte Prof. Dr. Osman Ipsiroglu von der University of British Columbia. Er stellte die Ergebnisse von Literaturanalysen vor, die belegen, dass unter Methylphenidat dosisabhängig bei bis zu 80 % der Patienten Schlafstörungen als Nebenwirkungen auftreten. „Schlafdeprivation ist medizinisch mit einer chronischen Alkoholintoxikation gleichzusetzen“, sagte Prof. Ipsiroglu. „Daher müssen wir Schlaf als Kinderrecht ernster nehmen!“ Er forderte umfassendere Studien zur Wirkung von ADHS-Medikamenten auf den Schlaf. Dabei müssten auch die subjektiven Erfahrungen der Kinder viel stärker berücksichtigt werden als bisher.

Smartphone kann labile Teenies in Gefahr bringen

Es zeigte sich kein Einfluss der Aktivität vor dem Einschlafen auf die Schlafdauer, die Schlafarchitektur im EEG oder die Erinnerungsleistung am Folgetag, berichtete Sennock. Zumindest eine begleitete und reglementierte Nutzung von Social Media am Abend könnte weniger schädlich sein als gedacht, vermutete der Kollege. Allerdings war die Stichprobe klein und psychisch gesund. 

Nach Aussage des Referenten ist davon auszugehen, dass die Smartphonenutzung für psychisch labile Teenager größere Gefahren birgt. Auffällig sei jedoch, dass sich die meisten Teenager heutzutage der möglichen schädlichen Auswirkungen ungezügelter Handynutzung bewusst sind.

Quelle: Kongressbericht - 30. Jahrestagung der DGSM (Deutsche Gesellschaft für Schlafforschung und. Schlafmedizin)