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Intermediäre Hauptstammstenose Enge Entscheidung

Autor: Maria Weiß

Den genauen Stenosegrad zu ermitteln, ist gar nicht so leicht. Den genauen Stenosegrad zu ermitteln, ist gar nicht so leicht. © Crystal light‒ stock.adobe.com
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Ob man sich bei einer Hauptstammstenose und stabiler KHK besser für eine Revaskularisierung oder eine konservative medikamentöse Therapie entscheidet, hängt von vielen Faktoren ab. Das Ausmaß der Verengung ist nur einer davon­.

Bei einem Verschluss des linken Hauptstamms (left main coronary artery, LMCA) ≥ 70 % ist die Sache noch relativ eindeutig. In diesen Fällen steht die Revaskularisierung im Vordergrund, da sie kardiovaskuläre Ereignisse verhindern oder zumindest aufschieben und die Lebenserwartung verbessern kann. Wesentlich schwieriger fällt die Therapieentscheidung, wenn eine Verengung zwischen 40 und 69 % vorliegt und der Betroffene eine stabile KHK aufweist, wie Prof. Dr. Paul Armstrong­ vom Canadian VIGOUR­ Centre, University of Alberta, Edmonton, Kanada, und Kollegen ausführen. In einem State-of-the-art-Review haben die Experten einen pragmatischen Vorschlag für dieses Patientenklientel erarbeitet. 

Den genauen Stenosegrad zu ermitteln, ist gar nicht so leicht. Die quantitative Koronarangiografie kommt der wahren Anatomie zwar schon sehr nahe, wird aber hauptsächlich in der Forschung eingesetzt. Nicht-invasive Stresstests ihrerseits können eine myokardiale Ischämie belegen und eine Revaskularisierung rechtfertigen. Auch mit der koronaren CT-Angiografie lassen sich signifikante LMCA-Stenosen nachweisen. Einen vielversprechenden nicht-invasiven Ansatz bietet den Autoren zufolge vor allem die Kopplung von CT-Angio und Messung der Flussreserve. Dieser ist derzeit allerdings noch in der Entwicklung.

Fraktionelle Flussreserve teils schwer zu interpretieren

In unklaren Fällen kann ein intravaskulärer Ultraschall weiterhelfen. Als Cut-off für Stent oder Bypass nennen die Experten ein Lumen < 6 mm2 (bei Frauen oder bei asiatischer Abstammung < 4,5–4,8 mm2). Eine weitere Alternative bei intermediären Verengungen stellt die fraktionelle Flussreserve dar, deren Interpretation durch Läsionen im Ramus interventricularis anterior und/oder circumflexus jedoch erschwert werden kann.

In die Therapieentscheidung muss neben kardialen Faktoren (LV-Funktion, Angina-Klasse, Kollateralbildung etc.) das gesamte Risikoprofil der Patienten miteinbezogen werden. Dazu gehören neben Komorbiditäten, Familienanamnese, Alter und Geschlecht auch allgemeine Charakteristika wie verbleibende Lebenserwartung, soziale Unterstützung sowie Zugang zu Gesundheitseinrichtungen und Internet.

Zudem gilt es, die Fortschritte der jeweiligen Therapieverfahren zu berücksichtigen, insbesondere die der medikamentösen Behandlung. Die moderne LDL-Senkung unter Einsatz von hochdosierten Statinen und ggf. PCSK9-Inhibitoren sowie die Gabe von SGLT2-Inhibitoren oder GLP1-Rezeptoragonisten bei Diabetes wirken sich deutlich auf kardiovaskuläre Endpunkte aus.

Die optimale medikamentöse Therapie als alleinige Option halten die Autoren für angemessen bei Patienten mit einer LMCA-Stenose < 70 %, die eine gut erhaltene LV-Funktion und gute Lebensqualität haben und keine gravierende Is­chämie aufweisen. Voraussetzung für dieses Vorgehen ist ein engmaschiges Follow-up, Lebensstilinterventionen sowie die aggressive Behandlung von Hyperlipidämie, Hypertonie und Diabetes. Adhärenz und Tolerierbarkeit spielen ebenfalls eine Rolle.

Stent, Bypass oder nur Medikamente?

Verschiedene Faktoren können die Therapieentscheidung bei Hauptstammstenose und stabiler KHK unterstützen.
 

Für eine optimale medikamentöse Therapie sprechen:

  • Minimale Symptome
  • Gute Lebensqualität
  • Tolerieren der Medikation und Erreichen der Zielwerte
  • Zuverlässiges Wahrnehmen der Nachsorgetermine
  • Patientenpräferenz

Bei folgenden Faktoren kann die PCI die beste Option darstellen:

  • Hohes chirurgisches Risiko
  • Weniger komplexe Plaques
  • Geringe Qualität der für den Bypass nötigen Gefäße
  • Hohes Alter und ernste Komor­biditäten
  • Wunsch nach einer kurzen Rekonvaleszenz

Für einen Bypass kann dagegen folgendes sprechen:

  • Diabetes
  • Notwendigkeit eines begleitenden herzchirurgischen Eingriffs
  • Komplexe Mehrgefäßerkrankung
  • Mittlere bis schwere linksventrikuläre Dysfunktion

Optimale Pharmakotherapie als Basis aller Strategien

Grundsätzlich sollten die Elemente der optimalen Pharmakotherapie unabhängig von der gewählten Strategie das LMCA-Management begleiten. Was den Bypass und die perkutane koronare Intervention betrifft, so sind diese seit ihrer Einführung wesentlich sicherer geworden, betonen die Experten. Zudem hätten z.B. medikamentenfreisetzende Stents die Ergebnisse der PCI verbessert. Die Unterschiede zwischen beiden Verfahren bei LMCA sind dadurch deutlich geringer geworden­.

Die Vor- und Nachteile der verschiedenen Optionen müssen dem Patienten ausführlich erläutert werden. Im Mittelpunkt des Entscheidungsprozesses steht der Betroffene und idealerweise ein interdisziplinäres Herzteam. Bedenken sollte man darüber hinaus u.a. die Erfahrungen und Ressourcen des jeweiligen Zentrums. Ein Wechsel der anfangs gewählten Strategie ist natürlich jederzeit möglich und ggf. sogar nötig. Zumal in den nächsten Jahren neue Erkenntnisse bzgl. der optimalen Strategie hinzukommen werden, z.B. in Form des 10-Jahres-Follow-ups der NOBLE-Studie, in der Bypass und PCI bei Hauptstammstenose miteinander verglichen wurden.

Quelle: Armstrong PW et al. Eur Heart J 2022;  DOI: 10.1093/eurheartj/ehac542