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Erfolgreiche Defibrillation: Bereits fünf Sekunden ohne Kompression mindern die Chancen

Autor: Dr. Dorothea Ranft

Beim Herz-Kreislauf-Stillstand gilt: 100–120 Mal pro Minute drücken und bei defibrillierbarem Rhythmus frühzeitig einen Defibrillator einsetzen. Wird ein Medikament gespritzt, mit 20 ml einer kristalloiden Lösung nachspülen und die Beine hochlegen. Beim Herz-Kreislauf-Stillstand gilt: 100–120 Mal pro Minute drücken und bei defibrillierbarem Rhythmus frühzeitig einen Defibrillator einsetzen. Wird ein Medikament gespritzt, mit 20 ml einer kristalloiden Lösung nachspülen und die Beine hochlegen. © iStock/piola666
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Beim Herz-Kreislauf-Stillstand kommt es auf jede Sekunde an. Die initiale Einschätzung soll maximal zehn Sekunden dauern und im Falle einer Defibrillation gilt es, die Kompression so kurz wie möglich zu unterbrechen. Denn Prä- und Post-Schock-Pausen verschlechtern die Prognose.

Für Laien kann es schwierig sein, den Herz-Kreislauf-Stillstand zu erkennen. Auf die Pulskontrolle – auch über der Carotis – ist dabei kein Verlass, schreibt der Kardiologe Dr. Alexander­ Kersten­ von der Uniklinik der RWTH Aachen. Ein wesentlich valideres Zeichen ist die Schnappatmung (bei ca. 40 % der Patienten nachweisbar). Deshalb sollen Ersthelfer einen Kreislaufstillstand bereits vermuten, wenn ein nicht ansprechbarer Patient eine veränderte Atmung zeigt. Die Evaluation darf nicht länger als zehn Sekunden dauern. Außerdem sollte die Laien-Reanimation immer unter telefonischer Anleitung aus der Rettungsleitstelle erfolgen – bis ein erfahrener Helfer vor Ort eintrifft.

Medikamente notfalls intraossär spritzen

Als Standard gilt nach wie vor die Kombination von 30 Brustkorb-Kompressionen mit zwei Atemhüben. Empfohlen werden 100–120 Kompressionen pro Minute (zentral über dem Brustkorb, Eindringtiefe 5–6 cm). Wenn verfügbar, sollte so bald wie möglich ein automatischer externer Defi (AED) angelegt werden.

Sobald medizinisches Personal eintrifft, beginnt der Advanced-Life-Support mit Maßnahmen zur Atemwegssicherung, Applikation von Medikamenten einschließlich Epinephrin, regelmäßiger Rhythmuskontrolle (alle zwei Minuten) und durchgehender Herz-Lungen-Wiederbelebung (sobald der Atemweg gesichert ist). Das Hauptaugenmerk liegt dabei nach wie vor auf der mechanischen Kompression und, falls erforderlich, der frühzeitigen Defibrillation – mit möglichst kurzen Unterbrechungen der Kompression. Schon Prä-Schock-Pausen von 5–10 Sekunden reduzieren die Wahrscheinlichkeit einer erfolgreichen Defibrillation.

Für die Applikation von Medikamenten wird ein peripherer venöser Zugang benötigt (notfalls ein intraossärer). Nach jeder i.v. Applikation rät Dr. Kersten, 20 ml einer kristalloiden Spüllösung nachzuspritzen und die Extremität anzuheben, um den Eintritt der Wirkung zu beschleunigen. Während des Advanced-Life-Support sollte alle 3–5 Minuten Epinephrin in einer Dosis von 1 mg injiziert werden. Bei einer prolongierten Reanimation wird weiterhin empfohlen, nach drei erfolglosen Defibrillationsversuchen 300 mg Amiodaron zu verabreichen. Natriumbikarbonat gehört nicht zum Routineprogramm und eine fibrinolytische Therapie sollte nur beim Verdacht auf Lungenembolie erfolgen (danach Herz-Lungen-Wiederbelebung über mindestens 60 min fortsetzen).

Prähospitale Erfolgsquote liegt bei rund 40 % 

Intubieren dürfen nur geübte Kräfte, als Alternative kommt ein subglottischer Zugang mit Larynxmaske in Betracht. Kammerflimmern und pulslose ventrikuläre Tachykardie erfordern eine rasche Defibrillation (drei konsekutive Schocks mit eskalierender Stromstärke). Pulslose elektrische Aktivität und Asystolie sind dagegen keine Indikation zur Defibrillation, es sei denn, der Kreislaufstillstand hat eine rasch behebbare Ursache (Hypovolämie, Hypokaliämie etc.).

Behebbare Ursachen des Kreislaufstillstands

  • 4 x H: Hypoxämie, Hypovol­ämie, Hypo- und Hyperkaliämie, Hypo- oder Hyperthermie
  • 4 x T: Thrombose (kardial oder pulmonal), Spannungspneumothorax (Tension pneumothorax), kardiale Tamponade, Toxine

Bei etwa 40 % der Patienten mit prähospitalem Herz-Kreislauf-Stillstand gelingt es zwar, den Spontankreislauf wiederherzustellen. Dennoch sind Mortalität und Morbidität aufgrund der Schwere der Grunderkrankung und der Folgen des Herzstillstands bzw. der kardio­pulmonalen Reanimation hoch. Die Kompetenz der weiterbehandelnden Klinik hat somit eine große Bedeutung für das Überleben der Patienten. Die aktuelle Leitlinie fordert, prähospital reanimierte Patienten in spezialisierten Krankenhäusern (sog. Cardiac-Arrest-Zentren) zu behandeln. Die Therapie nach einer erfolgreichen Reanimation ist komplex und intensivmedizinisch aufwendig, betont Dr. Kersten. Dazu gehört die hämodynamische Stabilisierung des Patienten ebenso wie die Behandlung der ischämiebedingten Multi­organdysfunktion. Wichtig ist zudem eine sorgfältige Temperaturkontrolle – Fieber sollte mindestens in den ersten 72 Stunden nach dem Ereignis unbedingt vermieden werden. Hypoxische Hirnschäden sind nach wie vor häufig, zwei Drittel der Patienten mit extrahospitalem Herz-Kreislauf-Stillstand versterben nach der Aufnahme auf der Intensivstation. Dabei spielt auch die Änderung des Therapieziels aufgrund der schweren neurologischen Schäden eine wesentliche Rolle. Entscheidend für die Einschätzung der Prognose ist das Resultat der neurologischen Untersuchung (CT oder MRT, EEG). Mehr als 90 % der Patienten mit gutem neurologischem Ergebnis erwachen innerhalb von vier Tagen nach dem Kreislaufstillstand. Im Zweifel braucht die Evaluierung aber mehr Zeit, da auch spät erwachende Patienten eine gute Prognose haben können. 

Quelle: Kersten A. Dtsch Med Wochenschr 2020; 145: 555-568; DOI: 10.1055/a-0665-6690