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Ösophaguskarzinom Erst mal abwarten?

ESMO 2023 Autor: Friederike Klein

In seiner Diskussion wies Prof. Dr. Dr. Magnus ­Nilsson vom Karolinska Institutet in Stockholm darauf hin, dass die Verzögerung der OP für Patient:innen, die keine anhaltende cCR aufweisen, ein Risiko ist. In seiner Diskussion wies Prof. Dr. Dr. Magnus ­Nilsson vom Karolinska Institutet in Stockholm darauf hin, dass die Verzögerung der OP für Patient:innen, die keine anhaltende cCR aufweisen, ein Risiko ist. © SciePro - stock.adobe.com
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Möglicherweise kann man Erkrankten mit lokal fortgeschrittenen Tumoren der Speiseröhre eine Operation nach einer neoadjuvanten Radiochemotherapie ersparen – nämlich dann, wenn sie danach eine klinische Komplettremission aufweisen.

Die Operation bietet für Erkrankte mit lokal fortgeschrittenem Ösophaguskarzinom die Chance auf Heilung. Der Eingriff geht aber mit erheblichen Mortalitäts- und Morbiditätsrisiken einher und die Betroffenen leiden unter anhaltenden Symptomen und einer reduzierten Lebensqualität. Nach Ergebnissen der Phase-3-Studie ­SANO kann einigen Patient:innen mit klinischer Komplettremission (cCR) nach einer neoadjuvanten Radiochemotherapie (nCRT) möglicherweise die OP erspart werden. Wie Dr. Dr. Berend van der ­Wilk, Erasmus MC – University Medical Centre, Rotterdam, berichtete, war hier eine aktive Überwachung im Vergleich zur Resektion nach zwei Jahren nicht mit einem verschlechterten OS assoziiert.

Die akademisch initiierte Studie sah eine vierwöchige nCRT nach dem CROSS-Regime vor. Eine erste klinische Evaluation erfolgte vier bis sechs Wochen danach. Bei Nachweis eines Residuums ohne Fernmetastasen operierten die Kolleg:innen sofort. War dies nicht der Fall wurde weitere vier bis sechs Wochen zugewartet und danach erneut das klinische Ansprechen beurteilt. 

309 von 809 Personen wiesen zwölf Wochen nach Abschluss der nCRT eine cCR auf und wurden in eine Gruppe mit OP (n = 111) und eine mit aktiver Überwachung (n = 198) randomisiert. Die von Dr. van der Wilk vorgestellte Auswertung nach zwei Jahren bestätigte die erhoffte Nichtunterlegenheit der Strategie mit aktiver Überwachung (HR 1,14; 95%-KI 0,74–1,78; p = 0,55). Auch hinsichtlich des krankheitsfreien Überlebens ergab sich kein signifikanter Unterschied (HR 1,35; 95%-KI 0,89–2,03; p = 0,15). 

Keine Unterschiede

Bei denjenigen, die unter aktiver Überwachung im Verlauf doch operiert werden mussten, fielen die chirurgischen Ergebnisse nicht schlechter aus als im Falle einer sofortigen OP: Die R0-Resektionsrate betrug jeweils 98 % und postoperative Komplikationen traten nicht häufiger auf. 

Innerhalb der ersten 30 Monate entwickelten 34 % vs. 43 % der Patient:innen nach Standard-OP bzw. aktiver Überwachung Fernmetastasen (Odds Ratio 1,45; 95%-KI 0,85–2,48; p = 0,18). 69 Personen aus dem Arm mit aktiver Überwachung (35 %) wiesen ohne chirurgischen Eingriff eine stabile cCR auf. Ihnen ist durch diese Strategie eine OP erspart geblieben, hob der Referent hervor. 

Die aktive Überwachung ging mit einer signifikant besseren gesundheitsbezogenen Lebensqualität einher, ergänzte der Experte. Die Kohorte wird weiter beobachtet. 

In seiner Diskussion wies Prof. Dr. Dr. Magnus ­Nilsson vom Karolinska Institutet in Stockholm darauf hin, dass die Verzögerung der OP für Patient:innen, die keine anhaltende cCR aufweisen, ein Risiko ist.2 Die  ­NeoRes-II-Studie ergab bei Zuwarten bis zu zehn Wochen nach nCRT einen Trend hin zu einem verschlechterten OS.

Außerdem kritisierte er die gemischte Histologie in der ­SANO-Studie. Etwa drei Viertel der Erkrankten in beiden Armen wiesen ein Adenokarzinom auf, das auf eine nCRT schlechter anspricht als ein Plattenepithelkarzinom. Es wäre wichtig zu wissen, welche Histologie die Patient:innen aufwiesen, die im Rahmen der SANO-Studie bislang keine OP benötigt haben. Er vermutete einen hohen Anteil an Platten­epithelkarzinomen.

Quellen:
1 Van der Wilk et al. ESMO 2023; Abstract LBA75 
2 Nilsson M. ESMO 2023; „Invited Discussant LBA75“