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Fehlerkultur: Die Entschuldigung dem Schweigen vorziehen

Autor: Dr. Elke Ruchalla

Es hat keine negativen Auswirkungen, wenn nach einem Fehler zu einem Patienten „Es tut mir leid“ zu sagen. Es hat keine negativen Auswirkungen, wenn nach einem Fehler zu einem Patienten „Es tut mir leid“ zu sagen. © iStock/Cecilie Arcurs
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Wer sich bei seinem Patienten wegen eigener Fehler oder Versäumnissen des Teams entschuldigt, bricht sich keinen Zacken aus der Krone. Im Gegenteil.

Der Umgang mit Fehlern in der Medizin ist ausbaufähig. Nach wie vor stehen viele Ärzte und in den Kliniken auch ihre Vorgesetzen Entschuldigungen skeptisch gegenüber. Das liegt zum Teil an Versicherungsklauseln, wie sie früher gang und gäbe waren. Danach verlor ein Arzt den Anspruch auf Leistungen seiner Berufshaftpflichtversicherung, wenn er ein „Schuldanerkenntnis“ aussprach. Und da keiner so genau wusste, was unter einem solchen Anerkenntnis zu verstehen war, hielten Ärzte gegenüber ihren Patienten lieber ganz den Mund nach dem Motto „bloß keine schlafenden Hunde wecken“.

Derartige „Maulkorbklauseln“ gibt es in neuen Verträgen nicht mehr, erklärt Dr. Jutta von Campenhausen vom Institut für Geschichte und Ethik der Medizin am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf. Und wenn ältere Verträge sie noch enthalten, sind sie wirkungslos. Es hat also keine negativen Auswirkungen, wenn Sie nach einem Fehler zu einem Patienten „Es tut mir leid“ sagen. Im Gegenteil, Kranke nehmen dies eher als Anteilnahme und Verständnis für ihre Situation wahr.

Sie müssen auch gar nicht selbst für ein Problem verantwortlich sein, um Mitgefühl zu äußern. Konnten Sie sich zum Beispiel erst zwei Stunden nach dem ausgemachten Termin um einen Patienten kümmern, weil Sie außerplanmäßig einen Schwerkranken versorgen mussten, hilft ein offenes Wort, etwa: „Ich kann gut verstehen, dass Sie wegen der langen Wartezeit sauer sind, das tut mir leid. Es gab einen unerwarteten Notfall. Danke, dass Sie so geduldig waren.“ Vermutlich wird Ihnen der Patient die Wartezeit nicht mehr so übel nehmen.

Sprechen Sie dagegen echte oder vermutete Probleme nicht an, entsteht schnell der Verdacht, dass „irgendwas vertuscht“ werden soll. Das macht Patienten in der Folge misstrauisch – das Verhältnis zu Ihnen wird leiden. Diese mangelnde Kommunikation kann die Mitarbeit des Patienten an seiner Behandlung und damit den Therapieerfolg beeinträchtigen, erklärt Dr. von Campenhausen. Das gilt ganz besonders in der Onkologie, in der Betroffene oftmals mit erheblichen Nebenwirkungen einer Behandlung fertig werden müssen. Fehlt das Vertrauen zum Arzt, muss mit schlechteren Therapieergebnissen gerechnet werden.

„Patienten können viel aushalten und haben erstaunlich viel Verständnis für menschliches Versagen, wenn es offen kommuniziert wird“, schreibt die Humanbiologin. Sie wollen hören, dass dem Arzt sein Fehler bewusst ist, auch damit er in Zukunft nicht mehr auftritt. Noch ein Beispiel aus der Onkologie: Hat der Arzt mit bloßen Händen am Port seines Leukämiekranken so lange herumgefummelt bis ein Krankenpfleger ihn darauf aufmerksam macht, sollte er ehrlich sagen: „Ja, ich habe einen Fehler gemacht, ich hätte Handschuhe anziehen sollen. Das kommt nicht wieder vor.“

Und nicht zuletzt: Auch im Team kommen Entschuldigungen gut an. Stellen Sie sich vor, Sie haben eine Pflegekraft wegen eines angeblichen Fehlers zusammengestaucht und erfahren erst später, dass sie auf Anordnung eines Ihrer Kollegen gehandelt hat.

Dann gibt’s nach Auffassung von Dr. von Campenhausen nur eines: Gehen Sie hin und sagen „Es tut mir leid, ich weiß jetzt, wie es gelaufen ist.“ Unterbleibt die Entschuldigung, wird Ihnen eine Halbgott-in-Weiß-Attitüde unterstellt. Zu Unrecht?

Quelle: von Campenhausen J. Klinikarzt 2020; 49: 351-353; DOI: 10.1055/a-1236-7117