
HIV und Herpes-simplex-Viren Fingerulkus als Fingerzeig

41-jährigen Mann der rechte Mittelfinger zu schaffen. Unter dem Nagel und seiner Umgebung hatten sich Hypergranulationen, Ulzerationen und gelbe Krusten gebildet, begleitet von einem seropurulenten Exsudat. Eine antibiotische Therapie hatte keine Besserung bewirkt. Dennoch tippten die Ärztinnen und Ärzte der dermatologischen Abteilung zunächst auf eine bakterielle Infektion, berichten Dr. Chiara Blomen und Team vom Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf. In der Kultur eines Abstrichs waren Klebsiella aerogenes und Morganella morganii gewachsen. Eine entsprechende Therapie nach Antibiogramm und Resistenztestung brachte aber ebenfalls keinen Effekt.
Also ging die differenzialdiagnostische Suche weiter. Auf die richtige Spur führte letztlich die Hautbiopsie. Immunhistochemisch ließen sich Herpes-simplex-Viren (HSV) nachweisen, die PCR bestätigte eine Infektion mit HSV-2. Die Diagnose lautete: schweres chronisches herpetisches Nagelgeschwür. Die intravenöse Gabe von Aciclovir über sieben Tage besserte den Befund deutlich.
Reduktion der CD4-Zellen gab Hinweis auf Immundefizienz
Neben der HSV-2-Infektion an untypischer Stelle brachte die Untersuchung des Mannes noch eine seborrhoische Dermatitis und einen Zoster ophthalmicus ans Licht. Damit kam der Verdacht auf eine zugrundeliegende Immunschwäche auf. Der Patient gab an, keine chronische Erkrankung zu haben. Ein HIV-Test im letzten Monat sei negativ ausgefallen, einen weiteren lehnte er beharrlich ab. In zytomorphologischen Untersuchungen und der Durchflusszytometrie zeigte sich aber eine signifikante Reduktion von CD4-Zellen, ein Hinweis auf eine schwere zelluläre Immundefizienz.
Daraufhin klärte das behandelnde Ärzteteam den Mann noch einmal darüber auf, wie wichtig die Kenntnis seines HIV-Status ist. Er gab danach an, dass er Sex mit Männern hat, aus Angst vor einem positiven Ergebnis aber bisher keinen HIV-Test habe durchführen lassen. Schließlich willigte er doch in die Testung ein, die die Diagnose HIV bestätigte. Es wurde eine antiretrovirale Therapie eingeleitet, die gut anschlug.
Hautinfektionen durch Herpes-simplex-Viren kommen häufig vor, betreffen aber in erster Linie Mund- und Genitalschleimhäute. Ein derart schwerer Verlauf an ungewöhnlicher Stelle wie in dem beschriebenen Fall sollte immer an eine Immunsuppression denken lassen, klären die Autorinnen und Autoren auf. Auch das gleichzeitige Auftreten mehrerer Hauterkrankungen deute darauf hin. Daher kommt Dermatologinnen und Dermatologen eine zentrale Rolle bei der Diagnose einer Immunschwäche zu, so das Expertenteam.
Außerdem zeige der Fall, dass weiterhin psychologische Barrieren gegenüber einem HIV-Test bestehen, aus Angst vor einem positiven Ergebnis und der damit zusammenhängenden Stigmatisierung. Manche Kranke halten daher Informationen zurück, was die Diagnose erschwert. Eine einfühlsame Aufklärung der Patientinnen und Patienten über die Infektion und die Behandlungsmöglichkeiten sei daher essenziell.
Quelle: Blomen C et al. JEADV Clinical Practise 2025; DOI: 10.1002/jvc2.70008