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FSME: Risikogruppen rechtzeitig impfen

Autor: Dr. Elke Ruchalla

Patienten mit Verdacht auf FSME sollten immer stationär eingewiesen werden. Patienten mit Verdacht auf FSME sollten immer stationär eingewiesen werden. © iStock/fotoquique
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Die Gebiete, in denen man sich mit dem FSME-Virus infizieren kann, haben sich in den letzen 20 Jahren deutlich ausgeweitet. Zuverlässigen Schutz vor der Infektion bietet nur die regelmäßige Impfung.

Zecken, die den Erreger der Frühsommer-Meningoenze­phalitis (FSME) übertragen, leben etwa 30–60 cm, seltener 1,5 m über dem Boden in Wäldern und Wiesen. Im Gebirge kommen die Spinnentiere bis etwa 1500 m Höhe vor. Aktiv werden sie ab einer Außentemperatur­ von 6–8 °C.

Reservoir des Virus sind in erster Linie Kleintiernager. Wobei Epidemiologen nun herausgefunden haben, dass der Erreger auch in Ziegen, Schafen und Rindern vorkommt. Problematisch kann das in seltenen Fällen werden, wenn man Rohmilchprodukte, die von solchen Tieren stammen, zu sich nimmt, schreiben die Autoren der aktuellen S1-Leitlinie unter Federführung des Neurologen Professor Dr. Reinhard Kaiser vom Helios Klinikum Pforzheim. Die Transplantation infizierter Organe ist sehr selten Ursache einer FSME. Risikogebiete in Deutschland sind vor allem Baden-Württemberg und Bayern (siehe Abb.).

Männer erkranken doppelt so häufig wie Frauen

Wissenschaftler gehen davon aus, dass nur etwa zwei von eintausend Zecken das Virus in sich tragen. Und dann, wenn sich ein Mensch den Erreger einfängt, kommt es nur bei etwa jedem Dritten überhaupt zu Beschwerden, bei jedem Zehnten zu klassischen neurologischen Anzeichen. Männer trifft es schwerer: Sie erkranken doppelt so häufig wie Frauen. Und bei Älteren, etwa ab dem 60. Lebensjahr, verläuft die Erkrankung ebenso wie bei Patienten mit Immunsuppression oft komplizierter. Die manifeste FSME teilt sich in zwei Phasen: Durchschnittlich zehn Tage nach der Infektion kommt es zu unspezifischen, grippeähnlichen Beschwerden mit Krankheitsgefühl, Fieber, Kopf- und teils auch Bauchschmerzen. Nach etwa einer Woche sinkt das Fieber zunächst, um einige Tage später erneut deutlich anzusteigen. In dieser zweiten Phase können neurologische Symptome einsetzen:
  • Bei etwa der Hälfte der Kranken treten sie als isolierte Meningitis auf, etwa mit Kopfschmerzen und hohem Fieber.
  • 40 % haben mit zusätzlichen enzephalitischen Beschwerden zu kämpfen, z.B. mit Bewusstseinsstörungen, Ataxien, peripheren und Hirnnervenlähmungen.
  • Bei einer Minderheit von 10 % befällt das Virus auch das Rückenmark (Meningoenzephalomyelitis), mit beidseits schlaffen Paresen und Muskelatrophien. Oft ist der Hirnstamm betroffen. Es kommt zu Schluck- und Sprechstörungen, ggf. droht eine Atemlähmung. Deshalb sollten Sie Patienten mit Verdacht auf FSME immer stationär einweisen.
Die Diagnose kann man bei passender Anamnese – Aufenthalt in einem Risikogebiet, Risikoberufsgruppe, eventuell wird von einem Zeckenstich berichtet – vermuten. Das Labor weist dann nach etwa 2–4 Wochen FSME-spezifische IgM-Antikörper nach, weitere 1–2 Wochen später zusätzlich IgG-Antikörper. In Zweifelsfällen kann die Bestimmung der intrathekalen Synthese FSME-spezifischer Antikörper im Liquor (Antikörperindex) weiterhelfen. Mögliche Differenzialdiagnosen listet die Tabelle auf. Eine kausale Therapie gibt es nicht. Die Fachleute empfehlen aber Anti-Herpes-Virostatika, bis die Frühsommer-Meningoenze­phalitis feststeht. Ansonsten erfolgt die Behandlung symptomatisch, dazu gehören bei Bedarf – mitunter langfris­tige – Physiotherapie, Ergotherapie und Logopädie.
Es muss nicht immer FSME sein
Erkrankung
Abgrenzung zur FSME
Herpes-simplex-Enzephalitis direkter Virusnachweis MRT: bei Herpesenzephalitis temporale Läsionen, bei FSME vor allem im Thalamus und im Corpus callosum
Neuroborrelioseselten hohes Fieber und verminderter Allgemeinzustand, häufig sensible Störungen Schmerzen in Extremitäten und Rumpf (speziell beim Bannwarth-Syndrom)
sonstige virale Meningoenzepha­litiden (z.B. durch Enteroviren)direkter Virusnachweis Serologie: spezifische Antikörper

Die Grundimmunisierung ist ab dem 13. Lebensmonat möglich

Die fehlende spezifische Therapie ist ein Grund mehr, seinen Patienten die Impfung nahezulegen. Die Ständige Impfkommission am Robert Koch-Institut empfiehlt sie für Risikoberufsgruppen und alle Personen, die in Risikogebieten leben oder dorthin reisen. Mittlerweile gelten auch nahezu die gesamte Schweiz und Teile der Niederlande als Endemiegebiete. Die Grundimmunisierung, die ab dem 13. Lebensmonat möglich ist, umfasst drei Impfungen. Die zweite soll 1–3 Monate nach der ersten, die dritte 9–12 Monate nach der zweiten erfolgen. Die erste Auffrischung empfehlen die Experten nach drei Jahren, die nachfolgenden bei unter 50-Jährigen alle fünf und bei Älteren alle drei Jahre. Die Impfung erhöht nicht die Schubrate bei Patienten mit Multipler Sklerose, schreiben die Autoren. Wenn man sich ins Zeckengebiet aufmachen will, wählt man sinnvollerweise Kleidung, die Arme und Beine sicher abdeckt. Repellenzien schrecken die Blutsauger allenfalls einige Stunden ab. Eine FSME gilt bei einschlägigen Berufen – etwa Waldarbeiter, Beschäftigte in der Landwirtschaft – als Berufskrankheit (Nr. 3102) und ist der zuständigen Berufsgenossenschaft zu melden­.

Quelle: S1-Leitlinie Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME), AWMF-Register-Nr. 030/035; www.awmf.org