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Typ-2-Diabetes Gesundes Wandern bei Diabetes

Autor: Dr. Stephan Kress, Dr. Peter Borchert

Wandergruppen waren u.a. in der Nähe von Landau (l.) und in Bayern gesund unterwegs. Wandergruppen waren u.a. in der Nähe von Landau (l.) und in Bayern gesund unterwegs. © privat
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Gehen ist eine der natürlichsten Bewegungsformen, die in allen Alters- und Bevölkerungsgruppen durchführbar und verfügbar ist. Gehen erfordert kein Fachwissen und keine logistische Unterstützung, kann an verschiedenen Orten durchgeführt werden und ist für die meisten Menschen mit Diabetes im täglichen Leben leicht anwendbar. Ein idealer Ausgangspunkt für die Aktion „Gesundes Wandern bei Diabetes“.

In seinem Artikel aus dem Jahr 1997 beschreibt der Epidemiologe Professor Jeremiah Noah ­Morris trefflich: „Gehen ist eine rhythmische, dynamische, aerobe Aktivität der großen Skelettmuskeln, die die vielfältigen Vorteile dieser Aktivität mit minimalen nachteiligen Effekten verbindet. Gehen ist die Aktivität, die dem perfekten Training am nächsten kommt.“1 

Das Risiko für Typ-2-Diabetes durch Bewegung reduzieren 

Es gibt eine gute wissenschaftliche Studienlage, dass körperliche Aktivität zur Risikoreduktion der Entstehung von Typ-2-Diabetes geeignet ist. Die Metaanalyse von Aune et al.2 liefert bereits deutliche Hinweise auf einen umgekehrten Zusammenhang zwischen körperlicher Aktivität und dem Risiko für Typ-2-Diabetes. 

In dieser Arbeit wurde auch schon der positive Effekt des Gehens auf die Risikoreduktion des Typ-2-Diabetes anhand von sieben Kohortenstudien und 326.779 Teilnehmern gezeigt. Eine der wesentlichen Aussagen: Je 20 MET-Stunden körperlicher Aktivität pro Woche in der Freizeit wird das Diabetesrisiko um 15 % gesenkt. MET meint „Metabolic Equivalent of Task (deutsch „metabolisches Äquivalent“). Es beschreibt den Energieverbrauch eines Menschen in Ruhe.

Gute Gründe, bei Diabetes zu gehen

Gehen verbessert die Blutzuckereinstellung bei Typ-2-Diabetes und sollte als eine Form des aeroben Trainings für die meisten Menschen mit Diabetes empfohlen werden.3 Wichtige Gründe dafür sind:  

  • Der Blutzuckerspiegel sinkt und der HbA1c-Wert wird signifikant gesenkt. Die Insulinempfindlichkeit steigt. Das Gehen kurz vor oder nach den Mahlzeiten scheint den postprandialen Anstieg des Blutzuckerspiegels und der Glukosevariabilität stärker zu senken als zu anderen Zeitpunkten. 
  • Kurze Spaziergänge zur Unterbrechung einer längeren sitzenden Tätigkeit wirken sich günstig auf das Blutzuckerprofil von Menschen mit Diabetes aus und sollten, wann immer dies möglich ist, allen sitzenden Personen neben der Verschreibung von Bewegung empfohlen werden. 
  • Einige wenige randomisierte, kontrollierte Studien zeigten durchweg verbesserte Blutzuckerprofile nach Unterbrechung des langen Sitzens bei Typ-2-Diabetes, z.B. drei Minuten alle 30 Minuten, und dieser Effekt blieb über mehrere Stunden erhalten. 
  • Regelmäßiges Gehen begünstigt eine leichte Senkung von Körpergewicht und Blutdruck. 
  • Einige randomisierte, kontrollierte Studien deuten auf eine Verbesserung des allgemeinen Wohlbefindens und eine Verringerung der Notwendigkeit einer pharmakologischen Therapie hin. 
  • Gehen verbessert signifikant die kardiorespiratorische Fitness (VO2max) bei Typ-2-Diabetes. 
  • Die Informationen zur Verbesserung der Muskelkraft sind begrenzt und uneinheitlich. 

Gehen könnte sich günstig auf chronische Komplikationen bei Diabetes auswirken. Die Verbesserung des kardiovaskulären Risikos oder auch günstige Veränderungen bei verschiedenen funktionellen Aspekten der diabetischen Neuropathie sind berichtet. Liegen Folgeerkrankungen vor, ist es ratsam, bei den Empfehlungen zum Gehen bei Menschen mit Typ-2-Diabetes eine maßgeschneiderte medizinische und funktionelle Bewertung vorher anzustreben.

Das Konzept von „Gesundes Wandern bei Diabetes“

Am 6. Mai 2023 hat die AG Diabetes, Bewegung & Sport der DDG bundesweit gesundes Wandern angeboten. Die Aktion wurde gemeinsam mit diabetesDE – Deutsche Diabetes-Hilfe organisiert. Warum ist gerade bei Diabetes die kompetente Begleitung wichtig? Es sind bei Menschen mit Diabetes einige Barrieren für die Bewegung bekannt. Zwei sind von besonderer Bedeutung: die Angst vor Unterzuckerung und die Angst vor Verletzung.4 Deshalb ist es sinnvoll und notwendig, die erste Wandererfahrung durch ein Diabetesteam zu begleiten und nicht durch einen in diesem Aspekt unerfahrenen Wanderführer.

Die Teilnehmer wurden aufgefordert, Blutzuckermessgerät und Teststreifen, Traubenzucker oder Fruchtsaft und gutes, passendes Schuhwerk mitzubringen. Vor, während und nach der Wanderung wurde der Blutzucker gemessen und praktische Tipps für gesundheitsförderndes Wandern vermittelt. Durch die Messungen sollten die Teilnehmer kennenlernen, wie ihr Körper auf die Bewegung im Blutzuckerverhalten reagiert, um sich bei den nächsten Wanderungen möglicherweise allein sicher auf den Weg zu machen.

Schon kurze Wanderungen und wenig Bewegung tun gut

Bereits kurze Wanderungen können sehr wohltuend sein. Drängende Fragen, z.B. „Wie viel kann ich mir zutrauen? Und welche Belastung ist geeignet, um den Diabetes durch Bewegung wirksam zu behandeln?“, wurden an diesem Aktionstag beantwortet. Während einer 90-minütigen Wanderung mit einer Länge von drei bis fünf Kilometern wurden zwei bis drei Aktivpausen für Koordinations- oder Stabilisationsübungen eingebaut. Für die Intensität wurde als Regel „Laufen ohne Schnaufen“ ausgeben. 

Literatur:
1.    Morris JN et al. Sports Med 1997; 23 (5): 306-332; doi: 10.2165/00007256-199723050-00004. Erratum in: Sports Med 1997; 24 (2): 96; doi: 10.1007/BF03257359
2.    Aune D et al. Eur J Epidemiol 2015; 30 (7): 529-542; doi: 10.1007/s10654-015-0056-z
3.    Moghetti P et al. Nutr Metab Cardiovasc Dis 2020; 30 (11): 1882-1898; doi: 10.1016/j.numecd.2020.08.021
4.    Korkiakangas EE et al. Health Promot Int 2009; 24 (4): 416-427; doi: 10.1093/heapro/dap031