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Ataxie Husten + Neuropathie = CANVAS

DGN 2023 Autor: Friederike Klein

CANVAS (zerebelläre Ataxie, Neuropathie, vestibuläre Areflexie Syndrom) ist eine genetisch bedingte langsam fortschreitende neurodegenerative Erkrankung. CANVAS (zerebelläre Ataxie, Neuropathie, vestibuläre Areflexie Syndrom) ist eine genetisch bedingte langsam fortschreitende neurodegenerative Erkrankung. © Sandris_ua – stock.adobe.com
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Das CANVA-Syndrom ist wahrscheinlich die häufigste Ursache einer autosomal rezessiven Ataxie. Besteht ein erster Verdacht, ist die Okulomotorikuntersuchung wegweisend.

Das Syndrom mit zerebellärer Ataxie, Neuropathie und vestibulärer Areflexie (CANVAS) ist genetisch bedingt und wahrscheinlich die häufigste Ursache einer autosomal rezessiven Ataxie. Es sollte einem vor allem bei sensorischer Neuropathie und schon lange vorbestehendem chronischem Husten einfallen, sagte PD Dr. ­Andreas ­Steinbrecher vom Helios Klinikum Erfurt.

Wichtig sei es in solchen Fällen, die Augenbewegungen zu prüfen und einen Kopfimpulstest zu machen. Eine zerebelläre Okulomotorikstörung zeigt sich an Blickrichtungsnystagmus, Downbeat-Nystagmus, Blickfolgestörung und dysmetrischen Sakkaden. Ein typischer Befund ist der visuell verstärkte vestibulo-okuläre Reflex (< 1 Hz), der die kombinierte zerebelläre und vestibuläre Schädigung anzeigt.

Dr. Steinbrecher berichtete von einem 66 Jahre alten Mann, der 2021 vorstellig geworden war. Seit einem Jahr hatte er ein Taubheitsgefühl von den Füßen bis in die Leistengegend verpürt; er klagte über Kribbeln und brennende Schmerzen an den Füßen. Sein Gang war insbesondere bei Dunkelheit unsicher. B-Symptome wies er nicht auf, hatte aber seit mehr als 20 Jahren Husten. Sein Bruder hatte ähnliche Symptome. 

Der klinische Befund bestätigte die berichteten sensiblen Auffälligkeiten. Es zeigte sich außerdem eine afferente Stand- und Gangataxie mit ungerichteter Fallneigung bei geschlossenen Augen, ein breitbasiges Gangbild und ein unsicherer Hacken- und Zehenstand. Die Okulomotorik wurde als normal beschrieben. Elektroneurografisch waren an den Beinen keine sensiblen Nervenaktionspotenziale ableitbar, motorisch gab es nur geringe Veränderungen, Liquor und Labor waren weitgehend unauffällig. Der Röntgenthorax zeigte eine diskrete Belüftungsstörung der Lungenunterfelder beidseits. Wegen der axonalen sensiblen, beinbetonten Polyneuropathie unklarer Genese wurde bei Entlassung Pregabalin zur Nacht empfohlen. Eine empfohlene humangenetische Diagnostik blieb ohne Nachweis einer hereditären Neuropathie.

Die Wiedervorstellung erfolgte nach mehr als einem Jahr; die Beschwerden waren unverändert. Bei der Visite erzählte der Patient, dass er erstmals 2018 beim Blick in den wolkenlosen Himmel – sein Hobby sind Modellflugzeuge – gestürzt sei und dass er beim Fahren im welligen Gelände Sehstörungen habe. Daraufhin wurde die Okulomotorikuntersuchung wiederholt. Es zeigte sich eine sakkadierte Blickfolge, ein leichter Downbeat-Nystagmus im Seitblick und ein beidseits pathologischer Kopfimpulstest.

„Es ist in solchen Fällen extrem wichtig, die komplette neurologische Untersuchung selbst zu machen“, betonte Dr. Steinbrecher. Das HNO-Konsil ergab eine bilaterale Vestibulopathie. Die MRT zeigte keine deutlichen Besonderheiten. Eine gezielte genetische Testung ergab ein biallelisches AAGGG-Repeat im Intron 2 des RFC1-Gens. Damit konnte die Diagnose CANVAS gestellt werden.

Quelle: DGN*-Kongress 2023

* Deutsche Gesellschaft für Neurologie e.V.