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Cannabisforschung Hype oder Wahrheit?

Autor: Sabine Mattes

Die Berichterstattung zu Ergebnissen klinischer Studien zur Wirksamkeit von Cannbinoiden sind möglicherweise durch einen Positivity-­Bias beeinflusst. Die Berichterstattung zu Ergebnissen klinischer Studien zur Wirksamkeit von Cannbinoiden sind möglicherweise durch einen Positivity-­Bias beeinflusst. © Africa Studio – stock.adobe.com
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Cannabinoide finden in der Schmerztherapie zunehmendes Interesse. Die mediale Präsenz der Hanfmedizin ist hoch – womöglich so hoch, dass der Rummel ums Cannabis die Ergebnisse der klinischen Studien beeinflusst?

In den entsprechenden Untersuchungen zeigen sich Cannabinoide gegenüber Placebo nur wenig überlegen, schreiben Dr. ­Filip ­Gedin vom Karolinska-­Institut in ­Stockholm und Kollegen. Die Wissenschaftler hatten 20 Studien zum Thema mit insgesamt knapp 1.500 Patienten mit chronischen Schmerzen ausgewertet. Sie stellten fest, dass sich sowohl mit Cannabinoiden als auch ohne jeden Wirkstoff eine Verbesserung in klinisch relevantem Maß erreichen ließ. 

Absolut betrachtet scheint die Therapie mit den Cannabinoiden etwas erfolgreicher. Mit einem mittleren Hedges g von 0,95 resultierte sie durchschnittlich in einer „großen“ Schmerzreduktion (Effektstärken Hedges g: klein: < 0,2; mittel: 0,2–0,8; groß: > 0,8). Doch auch mit den Scheinmedikamenten ließen sich „mittlere“ bis „große“ Effektstärken erzielen (mittlerer Hedges g 0,64). 

Das Risiko für eine Ergebnisverfälschung lag für die meisten Studien im mittleren Bereich. Eine funktionierende Verblindung sei aufgrund der verwendeten Präparate und deren psychotroper Effekte oft nur schwer oder überhaupt nicht möglich, erläutern die Autoren. Von den geprüften Wirkstoffen Tetrahydrocannabinol, Cannabidiol, Nabilon, Dronabinol und Nabiximols nehme lediglich das Cannabidiol keinen Einfluss auf die Psyche. Viele Patienten würden also merken, wenn sie ein Präparat mit Wirkstoff erhielten. Das Vertrauen in den Therapieerfolg könnte in der Folge das Behandlungsergebnis verzerren

Die beiden Arbeiten mit geringem Risiko für einen Bias und einer vermutlich funktionierenden Verblindung lieferten deutlich höhere Effekte für die Placebobehandlung. Eine Erklärung hierfür könnte in der überdurchschnittlich hohen Beachtung in der Laienpresse liegen, die allen Studien dieser Art zuteil wird. „Wir fanden heraus, dass Presseartikel und Blogs einen starken Positivity-­Bias hinsichtlich der Wirksamkeit von Cannabinoiden in der Schmerztherapie erzeugten“, erläutern die Autoren. Dies gilt ihnen zufolge unabhängig von den tatsächlichen klinischen Ergebnissen und ungeachtet der wissenschaftlichen Qualität der jeweiligen Studie.

Die Forscher sehen die übermäßig positive Berichterstattung in den Medien kritisch. Sie würde Studienteilnehmer nachhaltig beeinflussen, was zu einem höheren Ansprechen auf die Placebopräparate führen dürfte. Auch die Aussagekraft von Open-Label-Studien zum Cannabinoideinsatz sehen die schwedischen Wissenschaftler hierdurch geschmälert.

Quelle: Gedin F et al. JAMA Netw Open 2022; 5: e224384; DOI: 10.1001/jamanetworkopen.2022.43848