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Individuelles KHK-Risiko mit Scores ermitteln

Autor: Elisa Sophia Breuer

Vielen Patienten ist der Zusammenhang zwischen ihren Beschwerden und einer KHK gar nicht bewusst. Vielen Patienten ist der Zusammenhang zwischen ihren Beschwerden und einer KHK gar nicht bewusst. © Sebastian Kaulitzki – stock.adobe.com
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Fast jeder zweite kardiovaskuläre Tod ereignet sich ohne vorherige Symptome oder Diagnosen. Umso wichtiger ist es, das individuelle Risiko vor allem von asymptomatischen Patienten zu ermitteln.

Wer seine Risikofaktoren in den Griff bekommt, kann das Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen um bis zu 80 % reduzieren, schreiben die Kardiologen Dr. Ulrike­ Rudolph­ und Professor Dr. Ulrich­ Laufs­ vom Universitätsklinikum Leipzig. Bereits ein Rauchstopp oder regelmäßige Bewegung senken die Wahrscheinlichkeit einer KHK um 35–45 %.

Diagnostik asymptomatischer Patienten

Spätestens beim „Check-up 35“ sollten Sie folgende Punkte empfehlen:

  • 2,5–5 h pro Woche Ausdauertraining (Schwitzen!)
  • gesunde Ernährung
  • BMI zwischen 20–25 kg/m²
  • HbA1c < 7 %
  • ggf. LDL-Cholesterin reduzieren
  • ggf. Maßnahmen zum Rauchstopp
  • ggf. Blutdruck < 140/90 mmHg senken
  • Stressmanagement

An den Schrauben Alter (Männer > 55 Jahre, Frauen > 65 Jahre) und positive Familienanamnese für kardiovaskuläre Erkrankungen lässt sich hingegen nichts drehen.

Typisch Angina

Trifft maximal eines der folgenden Kriterien zu, steckt hinter den Beschwerden keine Stenokardie. Im Falle von zwei positiven Kriterien liegt vermutlich eine atypische, bei drei Punkten eine typische Angina pectoris vor:
  • retrosternale, einengende Symptome und/oder Schmerzen in Nacken, Schulter, Kiefer oder Arm
  • körperliche Belastung oder emotionaler Stress verstärken das Krankheitsbild
  • Ruhe oder Nitroglycerin sublingual bessern innerhalb von 5 min die Beschwerden

Die Autoren merken an, dass Patienten die Zusammenhänge zwischen ihren Beschwerden und kardiovaskulären Erkrankungen oft als solche nicht erkennen. Sie raten deshalb, in der Anamnese Symptome wie Belas­tungsluftnot, Schwindel, Synkopen, Arrhythmien und Schmerzen in den Beinen abzufragen. Zum kardiovaskulären Screening Asymptomatischer gehört:

 

... ab dem 20. Lebensjahr

 

Mindes­tens alle fünf Jahre Blutdruck an beiden Armen messen. Unterschiede von systolisch > 20 mmHg und diastolisch > 10 mmHg erfordern eine sonographische Abklärung der Hals-Armgefäße hinsichtlich Atherosklerose. Bei Diabetikern oder Personen mit hohem kardiovaskulärem Risiko können Sie bereits im Falle von hochnormalen Blutdruckwerten (130–139/85–89 mmHg) eine Medikation erwägen. Zusätzlich sollten Sie nun die Blutfette Gesamtcholesterin, HDL-Cholesterin, LDL-Cholesterin sowie Triglyzeride alle fünf Jahre bestimmen. Der LDL-Zielwert hängt dabei vom kardiovaskulären Risiko ab. Ein mittleres Risiko bedeutet einen Zielwert von < 115 mg/dl, ein hohes < 100 mg/dl und ein sehr hohes < 70 mg/dl. Patienten der beiden letztgenannten Gruppen müssen Level zwischen 100–200 mg/dl bzw. 70–135 mg/dl halbieren.

 

... ab 45 Jahre

 

Trotz unauffälliger Befunde alle drei Jahre Glukose ermitteln. Je jünger der Patient und je länger die Lebenserwartung, desto niedriger der HbA1c-Zielwert (6,5–7,5 %), schreiben die Autoren. Cave: Hypoglykämie!

... für Männer ab 40 Jahre und Frauen ab 50 Jahre sowie bei Personen mit Risikofaktoren

Laut der europäischen Leitlinie: Einen Risiko­score anwenden, z.B. SCORE (Systematic Coronary Risk Estimation). Der Wert beziffert die prozentuale Wahrscheinlichkeit, innerhalb der nächs­ten zehn Jahre eine schwerwiegende oder tödliche kardiovaskuläre Erkrankung zu erleiden. Onlinerechner wie der vom Bundes­verband Nieder­gelassener Kardio­logen (BNK)­ erleichtern das Ermitteln. Die Leipziger Kollegen empfehlen, zusätzlich das Risiko in die Kategorien niedrig (≤ 1 %), mittel (2–3 %), mäßig erhöht (4–5 %), erhöht (6–9 %) und sehr hoch (≥ 10 %) einzustufen. Diabetes mit einer Dauer von über zehn Jahren, Patienten mit kardiovaskulärer oder chronischer Nierenerkrankung bzw. mit familiärer Hypercholesterinämie landen automatisch in der Hoch­risikogruppe.

Diagnostik symptomatischer Patienten

Bestehen bei Ihrem Patienten bereits eine KHK oder kardiovaskuläre Symptome, sollte eine kardiale Basisdiagnostik inklusive Vortestwahrscheinlichkeit erfolgen. Mit Letzterer schätzen Sie abhängig von Alter und Geschlecht das Risiko für (a)typische Angina pectoris bzw. nicht-anginöse Brustschmerzen. Beträgt die Vortestwahrscheinlichkeit 15–85 %, folgt eine funktionelle Bildgebung (Ischämienachweis!). Im Falle von Werten zwischen 15–50 % kann das eine CT-Koronarangiographie sein, zzgl. der Ermittlung des koronaren Kalzium-Scores. Grundsätzlich ergänzen 12-Kanal-EKG und Echokardiographie sowie Ergometrie die Untersuchung. Die Kardiologen warnen vor falsch positiven Befunden im Ruhe-EKG.

Quelle: Rudolph U, Laufs U. Dtsch Med Wochenschr 2019; 144: 1192-1201; DOI: 10.1055/a-0818-8169