
Lebten Babyboomer gesünder? Jüngere Generationen erkranken häufiger früh an Krebs

Sogenannte Early-onset-Malignome, die vor dem 50. Lebensjahr ausbrechen, haben weltweit zwischen 1990 und 2019 um fast 80 % zugenommen, berichtet Prof. Dr. Hans Scherübl, Vivantes Klinikum Am Urban, Berlin. Das Risiko für ein solches Frühkarzinom liegt in den USA bei den Generationen X (Geburtsjahre 1964–1980) und Y (1981–1996) fast doppelt so hoch wie bei den Babyboomern (1956–1965). Bei manchen Krebsarten stiegen auch die Sterberaten in jüngeren Generationen an.
Die Zunahme früher Krebserkrankungen scheint ein globales Phänomen zu sein. Fachleute sprechen teilweise von einem „Birth Cohort Effect“, d. h. jede nachfolgende Generation hat ein höheres Risiko als die davor. Westliche Länder waren bei diesem Phänomen Vorreiter. Gleichzeitig haben sich Ernährungs- und Lebensweisen geändert, sodass ein Zusammenhang naheliegt. Hereditäre Krebsarten haben nicht zugenommen, können also nicht für den Anstieg verantwortlich sein. Ausschlaggebend dürften unterschiedliche Expositionen gegenüber Risikofaktoren in Kindheit und Jugend sein.
Tabakkonsum ist die wichtigste vermeidbare Krebsursache. In den meisten Ländern wird aber heute weniger geraucht als vor 20 Jahren. An zweiter Stelle folgt Übergewicht (BMI ≥ 25 kg/m2), das u. a. Karzinome des Dickdarms, Ösophagus, Pankreas und der Schilddrüse fördert. Für viele Tumorarten gilt: Je höher der BMI und je früher ein zu hohes Körpergewicht erreicht ist, desto größer das Risiko.
Sportliche Betätigung kann vor Krebs schützen
Auch Bewegungsmangel erhöht das Krebsrisiko. Was diesen Lebensstilfaktor angeht, hat sich viel geändert. Kinder und Jugendliche verbringen seit einigen Jahrzehnten mehr Zeit im Sitzen und bewegen sich weniger. Nachgewiesenermaßen kann regelmäßiger Sport das Risiko von Brust-, Endometrium-, Leber-, Pankreas- und Dickdarmkrebs reduzieren.
Die Ernährungsgewohnheiten haben einen deutlichen Wandel erlebt. In den USA machen heute hochverarbeitete Lebensmittel über 60 % der verzehrten Kalorien aus. Außerdem ist der Konsum zuckerhaltiger Getränke gestiegen. Beides trägt zur Entstehung von Übergewicht bei.
Beim Risikofaktor Alkohol gilt wie beim BMI: je mehr und je länger, desto gefährlicher. Assoziiert sind Karzinome der Mundhöhle, des Pharynx, Larynx, Ösophagus, Pankreas, Leber, Dickdarm sowie Brustkrebs. Schließlich gibt es auch Untersuchungen, die einen Zusammenhang zwischen Luftverschmutzung und der Zunahme früher Krebserkrankungen beschreiben. Ob dabei eine Kausalität besteht, ist bislang nicht belegt. In Deutschland ist inzwischen Krebs die häufigste Ursache für einen vorzeitigen Tod, betont Prof. Scherübl.
Kontrollierte prospektive Untersuchungen über Expositionen gegenüber Risikofaktoren in Kindheit und Jugend sowie deren Zusammenhang mit der Krebsentstehung im Erwachsenenalter gibt es bislang kaum. Sie sind aber sehr wichtig für die Krebsprävention, betont der Experte. Fest steht: Eine gesunde Lebensweise mit ausgewogener Ernährung, regelmäßiger Bewegung sowie Einschränkung des Alkohol- und Tabakkonsums kann das Krebsrisiko erheblich senken.
Quelle: Scherübl H. Dtsch Med Wochenschr 2025; 150: 575-583; DOI: 10.1055/a-2531-9761