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Kollaps oder Anfall – Plötzlicher Bewusstseinsverlust oft fehlgedeutet

Autor: Dr. Elke Ruchalla

Bei plötzlicher Bewusstlosigkeit gilt es, zwischen Synkope, epileptischem und psychogenem Anfall zu unterscheiden. Bei plötzlicher Bewusstlosigkeit gilt es, zwischen Synkope, epileptischem und psychogenem Anfall zu unterscheiden. © iStock/Tunatura
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Wie aus heiterem Himmel kippt ein Patient um, die Extremitäten zucken. Eine Epilepsie? Eher nicht. Wahrscheinlicher ist eine von zwei anderen Ursachen. Gezielte Fragen nach den Umständen erlauben eine Differenzierung.

Ist kein Schädel-Hirn-Trauma vorangegangen, steht bei einer plötzlichen Bewusstlosigkeit vor allem die Unterscheidung von Synkope, epileptischem und psychogenem Anfall an, schreiben Dr. Tobias Baumgartner und Privatdozent Dr. Rainer Surges von der Klinik für Epileptologie am Universitätsklinikum Bonn. „Etwa die Hälfte der Betroffenen mit fälschlich vermuteter Epilepsie leiden in Wahrheit an rezidivierenden Synkopen“, so die beiden Neurologen. Etwa ein Drittel hätte psychogene nicht-epileptische Anfälle.

Bei der Anamnese solle man nicht nur den Patienten selbst nach dem genauen Ablauf des Geschehens fragen, sondern auch mögliche Zeugen des Anfalls, beispielsweise Familienmitglieder, betonen die Experten. Wichtig sei auch zu klären, ob die Bewusstlosigkeit zum ersten Mal aufgetreten sei oder ob es zuvor schon ähnliche Ereignisse gegeben habe. Vorboten der Episode, die Kenntnis der unmittelbaren Auslöser, die Dauer der Episode und das Geschehen unmittelbar danach können bei der Abgrenzung der Ursachen weiterhelfen. Auch Smartphone-Aufnahmen seien hilfreich.

Es gibt vasovagale, kardiale und orthostatische Synkopen

Synkopen sind meist durch eine Minderdurchblutung des Gehirns bedingt:

  • Unter den Begriff der vasovagalen Synkopen fallen neurokardiogene, emotional induzierte und Karotissinussynkopen. Mitunter fehlt ein erkennbarer Trigger. n
  • Kardiale Synkopen treten vor allem bei Herzrhythmusstörungen auf.
  • Zu orthostatischen Synkopen kommt es bei einem schnellen Blutdruckabfall ohne adäquate Gegenregulation, etwa bei Volumenmangel oder als Nebenwirkung von Medikamenten.

Bei epileptischen Anfällen dagegen liegt die Ursache im Gehirn, wenn sich Gruppen von Neuronen pathologisch synchronisiert immer wieder entladen.Fokale Anfälle beginnen dabei mit der Aktivierung eines eng begrenzten Areals, sie können sich im nächsten Schritt aber auf beide Hirnhemisphären ausbreiten. Demgegenüber findet sich bei generalisierten Anfällen von Anfang an kein Hinweis auf eine bestimmte Lokalisation der verantwortlichen Nervenzellen.

Psychogene nicht-epileptische Anfälle schließlich treten oft als Begleitsymptom verschiedener psychiatrischer Diagnosen auf. Sie gehen nicht auf neuronale Überaktivierungen zurück.

Charakteristische Phänomene bei kurzem Bewusstseinsverlust
Synkope
Epileptischer Anfall
Psychogener Anfall
Vorher
Vorzeichen„Schwarzwerden“ vor den Augen, Geräusche werden leiser, Schweißausbruch, „Ohrensausen“

verschiedene Auren (olfaktorischer Art, gustatorisch oder visuell)

 

sich über eine Extremität oder Körperhälfte ausbreitende Sensibilitätsstörung

 

Aura kann bei primär generalisierten Anfällen fehlen

verschiedene
Auslöser direkt vor der Episodehäufig: langes Stehen, rasches Aufrichten, Blutabnehmen, Angstselten: flackerndes LichtTrauer, starker Stress, akute Konfliktsituation
Dauer30 s bis 60s30 s bis 180s5 min oder länger
Währenddessen
Augenhalb offen, Bulbi nach oben gewendetmeist offen, starrer Blick, teils unwillkürliche Blickwendung mit Kopfdrehunggeschlossen oder zugekniffen
Gesichtsfarbeblasszyanotisch, gerötet oder blass (bei generalisierten Anfällen)rosig
Motorik

Atonie, ggf. gefolgt von Kloni einzelner Muskelgruppen

 

bei ausgeprägter motorischer Symptomatik Verwechslungsgefahr mit epileptischen Anfällen

generalisierte Anfälle: Beginn mit Kopf- und Blickwendung zu einer Seite, Versteifung des Körpers (tonische Phase), gefolgt von synchronen Zuckungen der Extremitäten (klonische Phase); Schaumbildung vor dem Mund möglich

 

fokale Anfälle: variables Bild, abhängig von der Lokalisation der auslösenden Neuronen

verschiedene Bewegungsmuster, meist rhythmisch, teils heftig und abrupt

 

fluktuierender Verlauf mit An- und Abschwellen; Seit-zu-Seit-Kopfdrehung

Danach
Reorientierungrasch nach 30 s bis 60sverzögert (postiktale Schläfrigkeit)verschieden, oft mit der Frage „Was ist passiert?“
Atmungmeist unauffällignach generalisierten Anfällen mitunter vertieft, aber regelmäßignormal oder hechelnd

Sobald Sie einen Verdacht zur Ursache des Bewusstseinsverlusts haben, können Sie zu einer gezielteren Diagnostik übergehen. Bei Synkopen ist eine eingehende Medikamentenanamnese ein wichtiger Punkt. Zusätzlich werden im Labor Blutbild, Entzündungsparameter und Herzenzyme bestimmt. Das Zwölf-Kanal-EKG zeigt Rhythmusstörungen und andere kardiale Auffälligkeiten. Vermuten Sie eine Epilepsie, sollten Sie den Patienten frühzeitig an einen Fachkollegen aus der Neurologie/Psychiatrie überweisen und ein EEG anfertigen lassen. 

Quelle: Baumgartner T, Surges R. Dtsch Med Wochenschr 2019; 144: 835-841; DOI: 10.1055/a-0629-0362