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Atopische Dermatitis Lymphozyten auf Wanderschaft

Autor: Alexandra Simbrich

Reduzierte Lymphozytenzahlen könnten das Risiko für Infektionen erhöhen. Reduzierte Lymphozytenzahlen könnten das Risiko für Infektionen erhöhen. © Science Photo Library/ Gschmeissner, Steve
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Menschen mit atopischer Dermatitis sollten auf ihre Immunabwehrkräfte achten. Denn offensichtlich geht die chronisch-entzündliche Hauterkrankung mit einer Abnahme der Lymphozyten einher.

 Bei atopischer Dermatitis kommt es durch ein dysreguliertes Immunsystem zur Migration von Lymphozyten in die Haut. Dieses sogenannte Homing kann bei Menschen, die an dieser chronisch-entzündlichen Hauterkrankung leiden, zu einer Lymphopenie führen, wie eine aktuelle Studie zeigt. 

An der komplexen Pathogenese der Neurodermitis sind Lymphozyten zentral beteiligt. Das Ausmaß von deren Migration in die Haut kann ausreichen, um eine nachweisbare Lymphopenie zu verursachen. Wie genau der Zusammenhang zwischen atopischer Dermatitis und Lymphopenie ist, untersuchte ein Team um Dr. Loes ­Hollestein vom Erasmus University Medical Center Rotterdam. 
Ausgangsbasis für die Kohortenstudie waren Daten des Clinical Practice Research Datalink Services, der etwa 9 % der britischen Bevölkerung abdeckt. Die Forscher ver­glichen mehr als 71.000 erwachsene Neurodermitiker mit über 126.000 Personen ohne die Haut­erkrankung (median 68 bzw. 70 Jahre alt).

Zum einen interessierte sie das Risiko einer Lymphopenie, definiert als zweimalig erniedrigte absolute Lymphoyztenzahl von unter 1.000 Zellen/μl innerhalb von drei Monaten, sowie die mediane Lymphozytenzahl. Zum anderen ging es um das Risiko für Cellulitis, Herpes zoster, Gastroenteritis und Harnwegsinfekte.

Lymphopeniegefahr abhängig von Schwere der Erkrankung

Wie die Analysen zeigten, erhöhte die chronisch-entzündliche Haut­erkrankung das Risiko für eine Lymphopenie signifikant (adjustierte Odds Ratio 1,16). Handelte es sich um eine schwere atopische Dermatitis, war der Zusammenhang noch stärker ausgeprägt (OR 1,89). Auch die Einnahme von Immunsuppressiva war signifikant mit einer Lymphopenie assoziiert (OR 1,15). 

Die Lymphozytenzahlen von Personen mit atopischer Dermatitis waren niedriger als die der Kontrollkohorte (adjus­tierte mittlere Differenz -47 Zellen/μl). Dieser Unterschied war größer bei Männern, mit zunehmendem Alter und zunehmendem Schweregrad der Neurodermitis. Für Personen mit atopischer Dermatitis fand das Team zudem ein erhöhtes Risiko für alle untersuchten Infektionen. Allerdings blieb unklar, ob dieses durch die reduzierten Lymphozytenzahlen zu erklären war. 

Die Wiederholung der Auswertungen anhand einer externen Kohorte mit Daten der US-amerikanischen NHANES-Studie* führte zu ganz ähnlichen Ergebnissen: Die adjustierte OR für Lymphopenie bei Personen mit atopischer Dermatitis lag dieses Mal bei 1,30. Die adjustierte mittlere Differenz der Lymphozytenzahlen betrug -30  Zellen/μl. Die Autoren betonen, dass die langfristigen Auswirkungen einer Lymphopenie bei Patienten mit atopischer Dermatitis weiter untersucht werden sollten.

*    National Health and Nutrition Examination Survey
Quelle: Hollestein LM et al. J Eur Acad Dermatol ­Venereol 2023; doi: 10.1111/jdv.18841