Impflücken Masern – Epidemiologische Trends, Präventions- und Therapiemöglichkeiten

Autor: Dr. Angelika Bischoff

Erkrankte Kinder sind bereits vier Tage vor und meist bis vier Tage nach Ausbruch des typischen Exanthems ansteckend.
Erkrankte Kinder sind bereits vier Tage vor und meist bis vier Tage nach Ausbruch des typischen Exanthems ansteckend. © Aleksandr – stock.adobe.com

Wegen zunehmender Impflücken in der Bevölkerung hat sich das Masernvirus in den letzten Jahren stark ausgebreitet. In allen WHO-Regionen steigen derzeit die Erkrankungszahlen. Für eine Herdenimmunität braucht es Durchimpfungsraten von mindestens 95 %.

Mit einer Basisreproduktionszahl zwischen 12 und 18 pro Fall ist die Maserninfektion extrem ansteckend. Typische Symptome des zwei bis vier Tage dauernden Prodromalstadiums sind Husten, Schnupfen und Konjunktivitis. Zusätzlich können in dieser Phase die für Masern pathognomonischen Koplik-Flecken an der Wangenschleimhaut auftreten, berichten Dr. Lien Anh Ha Do und Prof. Dr. Kim Mulholland, beide vom Murdoch Children’s Research Institute in Melbourne. Das typische Masernexanthem entwickelt sich anschließend zusammen mit einem Anstieg des Fiebers. Die Hautflecken beginnen meist im Gesicht und breiten sich dann auf andere Körperteile aus. Ansteckend ist die oder der Infizierte etwa vier Tage vor bis vier Tage nach Auftreten des Masernexanthems.

Fast jede dritte erkrankte Person entwickelt Komplikationen wie Diarrhö, Pneumonie oder Otitis media. Diese können auch noch auftreten, wenn die Maserninfektion schon lange überstanden ist. Kinder mit einem Vitamin-A-Mangel sind vermehrt gefährdet, Spätkomplikationen in Form einer schweren Corneaulzeration zu entwickeln. Diese kann zur Erblindung führen. Eine temporäre Immunamnesie macht Masernkranke längere Zeit anfällig für Sekundärinfektionen wie Pneumonien. Hintergrund ist eine durch das Masernvirus ausgelöste Depletion von B-Zellen und T-Gedächtniszellen. 

Durchbruchsinfektionen können selten auch bei vollständig geimpften Personen auftreten. Dafür gibt es zwei Erklärungsansätze: Zum einen kann es an einer mangelnden Serokonversion nach der Immunisierung liegen, zum anderen steckt evtl. ein sekundärer Immunitätsverlust aufgrund eines gesunkenen Antikörperspiegels dahinter. Diese Infektionen verlaufen klinisch milder und davon betroffene Personen sind weniger ansteckend. Immundefizienz oder Mangelernährung hingegen prädestinieren für einen schweren, manchmal fatalen Verlauf einer Maserninfektion. 

Wirksame und sichere attenuierte Masernimpfstoffe sind weltweit verfügbar. Sie werden entweder allein oder in Kombination mit einer Mumps-Röteln-Vakzine (mit oder ohne zusätzlichen Varizellenimpfstoff) verabreicht. 

Empfohlenes Alter bei Erstimpfung variiert

In Ländern mit Maserneliminationsstatus wird die erste Dosis zwischen dem 12. und 18. Lebensmonat gegeben, um eine möglichst hohe Immunogenität zu erzielen. In Ländern, in denen Masern endemisch sind, impft man im Alter von neun Monaten zum ersten Mal. Alle Kinder sollten eine zweite Dosis in einem zeitlichen Abstand von mindestens vier Wochen zur ersten Dosis erhalten. Bei Neugeborenen lässt der Schutz durch mütterliche Antikörper im Alter von drei bis vier Monaten nach, wodurch das Infektionsrisiko steigt. Untersuchungen zur Wirksamkeit und Sicherheit von vorgezogenen Masernimpfungen sind dringend erforderlich. 
Weitere Booster-Impfungen werden derzeit diskutiert, da die Antikörpertiter in der Bevölkerung sinken. Einige Masernausbrüche können sicherlich auf sekundäres Impfversagen zurückgeführt werden. Versuche mit einer dritten Dosis haben aber gezeigt, dass der Boostereffekt auf den Antikörpertiter rasch verpufft. 

Die Hauptursache dafür, dass Maserninfektionen derzeit nach einem historischen Tiefstand weltweit dramatisch zunehmen, ist und bleibt die mangelnde Teilnahme an Impfungen. Um eine Herdenimmunität zu erreichen, braucht man in der Bevölkerung eine Durchimpfungsrate von ≥ 95 %. 

Bei ungeimpften oder unzureichend geimpften Personen besteht die Option einer Postexpositionsprophylaxe. Dazu gibt man entweder einen Masernimpfstoff innerhalb von 72 Stunden nach dem Kontakt oder– etwa bei Kontraindikation – ein humanes Immunglobulin innerhalb von sechs Tagen. Einer Metaanalyse zufolge liegt die Schutzwirkung der Vakzine zwischen 83 % und 100 %, die des Immunglobulins zwischen 76 % und 100 %.

Wenn die Masern einmal ausgebrochen sind, steht keine antivirale Therapie zur Verfügung. Die oder der Erkrankte muss frühzeitig und konsequent isoliert werden, um weitere Personen vor Ansteckung zu schützen. 

Kindersterblichkeit durch Vitamin-A-Gabe senken

In großen randomisierten Studien hat sich gezeigt, dass die Gabe von Vitamin A die masernbedingte Mortalität von unter Fünfjährigen in ärmeren Ländern um bis zu 50 % vermindern kann. In solchen Regionen ist ein Vitamin-A-Mangel bei Kindern sehr verbreitet. Deshalb sollten die entsprechenden Kinder bei einer Masernerkrankung eine Vitamin-A-Supplementation erhalten.

In entwickelten Ländern, in denen ein Vitamin-A-Mangel kaum vorkommt, reicht die Datenlage nicht, um bei Maserninfektion generell eine Supplementierung zu empfehlen. Denn gerade bei Kindern kann ein Zuviel an Vitamin A toxische Effekte haben. Die WHO empfiehlt den Einsatz von Vitamin A bei Kindern mit schwerem Masernverlauf in altersadaptierter Dosierung über zwei Tage. Vitamin A beugt übrigens keineswegs einer Maserninfektion vor, auch wenn manche das glauben.

Quelle: Do LAH, Mulholland K. N Engl J Med 2025; doi: 10.1056/NEJMra2504516