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Mehr als 100 potenzielle Interaktionen mit Arzneien durch nur eine Mahlzeit

Autor: MT

Wo lauern die Gefahren bei Kaffee, Milch oder Lakritze? Wo lauern die Gefahren bei Kaffee, Milch oder Lakritze? © aanbetta – stock.adobe.com
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Dass Grapefruitsaft nicht zusammen mit bestimmten Medikamenten eingenommen werden soll, ist schon länger bekannt. Wie sieht es aber mit den immer beliebter werdenden Goji-Beeren aus? Oder welchen Einfluss hat Schwarztee auf die Therapie mit Antidepressiva?

Wechselwirkungen zwischen Arznei- und Lebensmitteln können für Patienten schwerwiegende Folgen haben. Diese reichen von Abschwächung und Verlust der erwünschten Wirkung bis hin zu lebensgefährlichen Überdosierungen. Da bereits eine Mahlzeit mehr als hundert potenziell interagierende Verbindungen enthalten kann, sind Interaktionen zwischen Medikamenten und Nahrungsmitteln wesentlich komplexer als die zwischen Arzneien, schreibt Professor Dr. Martin Smollich, Klinische Pharmakologie und Pharmakonutrition, Hochschule Rheine.

Ein Glas Grapefruitsaft, drei Tage Wechselwirkungen

Ein sehr prominentes Beispiel sind Wechselwirkungen von grapefruithaltigen Lebensmitteln mit verschiedenen Wirkstoffen wie Benzodiazepinen oder Kalziumkanalblockern. Folge: Ein erhöhtes Risiko für unerwünschte Wirkungen. Bereits nach einem Glas Grapefruitsaft (0,2 l) ist der Interaktionseffekt voll ausgeprägt und hält bis zu drei Tage an.

Deshalb sollten Patienten, die entsprechende Pharmaka einnehmen, generell keine grapefruithaltigen Lebensmittel verzehren. Ein mehrstündiger "Sicherheitsabstand" reicht nicht aus. Die Wechselwirkungen zwischen Milch- bzw. Milchprodukten und Medikamenten wie z.B. bestimmten Antibiotika und Bisphosphonaten kommen durch die Bildung von nicht resorbierbaren Komplexen mit Kalziumionen zustande.

Ein besonderes Augenmerk verdienen Osteoporose-Patienten mit ausgiebigem Milchkonsum: Bei ihnen ist streng darauf zu achten, dass Bisphosphonate nüchtern (mit Leitungswasser) und mit zwei Stunden Abstand zu jeglicher Mahlzeit eingenommen werden.

Bei Beruhigungsmitteln kommt es durch Alkoholkonsum zu einer Verstärkung der beruhigenden Wirkung. Dies gilt auch bei Substanzklassen mit beruhigender Wirkung wie Opioiden, Antidepressiva, Neuroleptika oder Antiepileptika. Falls Alkohol parallel zur hoch dosierten NSAR-Therapie konsumiert wird, steigt das Risiko für Magen-Darm-Blutungen, warnt der Pharmakologe.

Ein weiterer problematischer Inhaltsstoff in der Nahrung ist Tyramin. Es kommt beispielsweise in Käse, Salami, Schokolade und Rotwein vor. Bei Patienten, die mit Antidepressiva therapiert werden, ist der Abbau von Tyramin blockiert. Dies kann den Blutdruck stark ansteigen lassen und zu hypertensiven Krisen führen. Betroffene sollten den Verzehr tyraminreicher Lebensmittel begrenzen bzw. ganz darauf verzichten.

Bei Blutverdünnungsmitteln auf Goji-Beeren verzichten

Ein völlig neues Interaktionsrisiko ergibt sich durch die zunehmende Verbreitung von Goji-Beeren-Produkten. Vorsicht ist hier insbesondere bei einer Therapie mit Blutverdünnungsmitteln geboten. Patienten sollten in diesem Falle sicherheitshalber gojihaltige Lebensmittel meiden, da sich die Blutungsneigung erhöhen kann.

Auch die geliebte Tasse Kaffee oder Tee kann zu bedenklichen Wechselwirkungen führen. Die enthaltenen Gerbstoffe können schwerlösliche Arzneistoffkomplexe bilden, wenn die Medikamenteneinnahme zusammen mit einem der beiden Getränke erfolgt. Insbesondere Antidepressiva und Neuroleptika sind davon betroffen. Prof. Smollich hält es sogar für vorstellbar, dass eine antidepressive Therapie durch das allmorgendliche Trinken von Schwarztee versagt.

Quelle: Smollich M. Internistische Praxis 2016; 56: 539-550