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Melanom-Therapie: Fruchtbarkeit zum Thema machen

Autor: Birgit-Kristin Pohlmann

Die Kinderwunsch-Frage sollte bei jungen Patienten angesprochen werden. Die Kinderwunsch-Frage sollte bei jungen Patienten angesprochen werden. © iStock/ugurhan
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Neue Therapien erlauben inzwischen auch beim malignen Melanom Rezidiv- und möglicherweise sogar Krankheitsfreiheit. Damit entstehen aber neue Fragen – etwa wie es um die Fertilität steht.

Das Wichtigste ist, frühzeitig an die Fertilität und einen potenziellen Kinderwunsch der Patienten zu denken, erläuterte Dr. Elisabeth Livingstone, Hautklinik und Hauttumorzentrum, Universitätsklinikum Essen, zum Umgang mit adjuvanten zielgerichteten und immunonkologischen Therapien beim malignen Melanom. Dies gelte bei Frauen und Männern.

Fachinformationen bieten bisher nur wenige Daten

Das Problem: Es gibt nur wenig Daten zu diesem Thema. Fertilitätsstudien am Menschen sind nur eingeschränkt möglich und tierexperimentelle Daten nicht ohne Weiteres übertragbar. In den Fachinformationen der Substanzen finden sich auch deshalb kaum Angaben. Auch Registerdaten für eine retrospektive Datenauswertung sind Mangelware, betonte die Referentin.

Harte Fakten gibt es derzeit weder zu den MAPK-Inhibitoren noch zu den Checkpointhemmern. Es sei aber nicht auszuschließen, dass die neuen Medikamente in Organsysteme eingreifen, die für die Fertilität wichtig sind, betonte Dr. Livingston. Auch spezifische Nebenwirkungen könnten die Fruchtbarkeit indirekt beeinflussen.

Auswirkungen sowohl für Männer als auch für Frauen

Bei der Hemmung des MAPK-Signalwegs etwa könne nicht ausgeschlossen werden, dass die Spermiogenese irreversibel beeinträchtigt wird, da dieser Signalweg eine Rolle bei der Zellteilung und -differenzierung spielt. Bei den Anti-PD1-Antikörpern zeigen Untersuchungen zur PD1- und PD-L1-Expression, dass diese auf Proteinebene nur in sehr geringem Maß im Hoden und im Ovar exprimiert werden. In der Plazenta lässt sich aber eine sehr starke PD-L1-Expression nachweisen, erläuterte Dr. Livingston.

Einflussfaktoren sind zahlreich

Neben fehlenden Daten ist die Komplexität der Fertilität ein Problem, betonte Dr. Livingston. Außer strukturellen Gegebenheiten, z.B. durchgängige Eileiter, gibt es eine Vielzahl endokrinologischer Schaltstellen und zahlreiche Organsysteme, die bei der Fertilität eine Rolle spielen bzw. diese beeinflussen. Zudem spiele beim Mann neben der Spermienqualität auch ihre Menge eine Rolle. Letztere ist zwar einfach zu messen, unterliegt aber Schwankungen und einer nicht unerheblichen Variabilität, weshalb sie schwer zu beurteilen ist.

Beim Mann spielt laut der Expertin die Blut-Hoden-Schranke eine wichtige Rolle, die das Keimepithel vor dem körpereigenen Immunsystem schützt. Im Mausmodell führte die PD1-Inhibition zur Aufhebung der Suppression von CD8+ T-Zellen in der Blut-Hoden-Schranke. Eine irreversible Schädigung des Keimepithels ist demnach grundsätzlich möglich. Zudem haben Checkpoint-Inhibitoren einen Einfluss auf die endokrinologische Situation und könnten endokrine Nebenwirkungen induzieren, z.B. eine Hypophysitis, die möglicherweise die männliche und weibliche Fertilität beeinflusst. Endokrine Nebenwirkungen seien jedoch grundsätzlich behandelbar. Vor dem Hintergrund der sehr limitierten Datenlage hat ein Expertengremium, in dem verschiedene Fachdisziplinen vertreten sind, Empfehlungen für den klinischen Alltag erarbeitet. Die Experten empfehlen, das Thema Fertilität und Kinderwunsch grundsätzlich mit den Patienten zu besprechen und über die derzeit unzureichende Datenlage zu potenziellen Auswirkungen auf die Fertilität aufzuklären. Allen Betroffenen im gebärfähigen Alter sollte eine Beratung über fertilitätsprotektive Maßnahmen angeboten und auf Wunsch sollten diese Maßnahmen durchgeführt werden. 

Quelle: 29. Deutscher Hautkrebskongress