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Begleiterkrankungen Mit dem Lebensalter und der Diabetesdauer steigt das kardiovaskuläre Risiko

Autor: Antje Thiel

Kardiovaskuläre Endpunktstudien sollten auch für Typ-1-Diabetes durchgeführt werden. Kardiovaskuläre Endpunktstudien sollten auch für Typ-1-Diabetes durchgeführt werden. © Rasi – stock.adobe.com
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Herz- und Gefäßschutz stehen bis dato vor allem in der Therapie von Menschen mit Typ-2-Diabetes im Fokus. Doch auch ein seit frühester Kindheit bestehender autoimmuner Diabetes birgt Gefahren.

Aus Sicht von Dr. Markus ­Menzen vom Gemeinschaftskrankenhaus Bonn verdienen etliche kardiovaskuläre Risikofaktoren bei Typ-1-Diabetes mehr Aufmerksamkeit: „Zum einen eine sehr frühe Manifestation, die schon im Kindesalter u.a. zu Veränderungen am Herzmuskel führen kann. Hinzu kommt die Herausforderung, eine stabile Stoffwechsellage zu erreichen.“ 

So habe sich dem schwedischen Nationalen Diabetesregister zufolge die Mortalitätsrate pro 10.000 Patientenjahren bei Typ-1-Diabetes zwar seit Ende der 1990er-Jahre verbessert, liege aber dennoch deutlich über der entsprechenden Rate in der Allgemeinbevölkerung.1 Gegenüber gleichaltrigen Kindern ohne Diabetes haben Kinder, bei denen sich im Alter von 0–10 Jahren ein Typ-1-Diabetes manifestiert, statistisch gesehen eine um mehr als 15 Jahre verkürzte Lebenserwartung. Bei einer Diagnose zwischen dem 16. und 20. Lebensjahr hingegen gehen ihnen „nur“ 10 Lebensjahre verloren. 

Neben instabilen Glukoseverläufen kämen – wie auch beim Typ-2-Diabetesmit steigendem Lebensalter weitere Risikofaktoren wie Hypertonie und Fettstoffwechselstörungen hinzu, meinte der Experte. So seien jenseits des 40. Lebensjahres Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems die häufigste Todesursache bei Typ-1-Diabetes. Daneben scheint sich auch der immunologische Hintergrund des Typ-1-Diabetes ungünstig auf Herz und Gefäße auszuwirken. 

Adipositas macht Zugewinne wieder zunichte

Vorteile ergeben sich dagegen aus dem Einsatz Ambulanter Glukoseprofile (AGP) im Rahmen der kontinuierlichen Glukosemessung (CGM): „Darin stecken mit ‚Zeit im Zielbereich’ und ‚Glukosevariabilität’ weitere Prädiktoren für das kardiovaskuläre Risiko – jenseits vom HbA1c-Wert. Auch die Häufigkeit von Hypoglykämien hat einen eigenen Impact“, ergänzte Dr. Menzen. 

Auch die Insulinpumpentherapie (CSII) habe großes Potenzial, das kardiovaskuläre Risiko zu senken. So konnte eine Beobachtungsstudie zeigen, dass die kardiovaskuläre Mortalität unter CSII deutlich geringer ausfiel als unter intensivierter konventioneller Therapie (ICT).2

Diese Zugewinne würden jedoch durch die stark steigende Prävalenz von Adipositas bei Menschen mit Typ-1-Diabetes wieder zunichte gemacht. Bei diesen Patient*innen sei das Risiko für eine Herzinsuffizienz sogar deutlich höher als beim Typ-2-Diabetes, so Dr. Menzen: „Hier geht es nicht nur um das Risiko für die gesamte Lebenszeit. Auch der Zeitpunkt, wann ein Herzinfarkt auftritt, liegt bei Typ-1-Diabetes deutlich früher.“ 

Kardiovaskuläre Endpunkt-studien auch für Typ-1-Diabetes

Dr. Menzens Fazit: „Wir tun noch nicht genug für die Blutdruck- und Lipidkontrolle bei Typ-1-Diabetes.“ Für eine Anpassung der Leitlinien fehle es aber an kardiovaskulären Endpunktstudien auch für den Typ-1-Diabetes. „Wir sollten das als Arbeitsauftrag an die pharmazeutische Industrie verstehen, denn hier gibt es definitiv ‚unmet needs‘. Wir können nicht einfach eine ganze Gruppe vernachlässigen!“, sagte er.

Quellen:

  1. Rawshani A. N Engl J Med 2017; 13; 376 (15): 1407-1418; doi: 10.1056/NEJMoa1608664
  2. Steineck I et al. BMJ 2015; 350: h3234; doi: 10.1136/bmj.h3234

Kongressbericht: Diabetes Kongress 2022