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Moderne Reproduktionstechnik macht Schwangerschaften im hohen Alter kaum risikoärmer

Autor: Michael Brendler/Maria Fett

Bei einer 42-Jährigen sind 80 % aller Oozyten aneuploid. Bei einer 42-Jährigen sind 80 % aller Oozyten aneuploid. © iStock/KatarzynaBialasiewicz
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Ob mit 30, 40 oder fast 50 Jahren – wenn's ums Kinderkriegen geht, scheint kein Alter „zu alt“. Das zumindest glauben viele Frauen, denn der wissenschaftliche Fortschritt macht es (theoretisch) möglich. Die damit einhergehenden Risiken werden dabei oft unterschätzt.

Wie spät können Frauen eigentlich noch Kinder gebären? Ein emeritierter Professor für Reproduktionsmedizin wollte es ganz genau wissen und analysierte die Registerdaten von rund 60 000 europäischen Damen der letzten 300 Jahre. Lange Zeit schien mit 40/41 Schluss zu sein, fand er heraus. Nur noch jede Zehnte bekam mit 45 Jahren ihr letztes Kind.

Und heute? Dank In-vitro-Fertilisation und prominenten Vorbildern wie Cherie Blair (letztes Kind mit 45) oder der Schauspielerin Halle Berry (Mutter mit 46 Jahren) glauben viele Frauen an die uneingeschränkte Fruchtbarkeit bis zur Menopause, schreiben Dr. Rebecca­ Moffat von der Frauenklinik des Universitätsspitals Basel und ihre Kollegen. Allerdings merkte schon der eingangs erwähnte Professor an, dass das ungeachtet aller wissenschaftlicher Fortschritte wohl eine Illusion bleibt. Im Alter von 42 Jahren liegen die Chancen trotz künstlicher Befruchtung bei gerade einmal 50 %.

Nur ist das kaum bekannt. Über die Komplikationen einer Schwangerschaft im hohen Alter wissen Frauen zwischen 18 und 45 Jahren wenig. Sie unterschätzen die Risiken und überschätzen die Erfolge der modernen Reproduktionstechnik, so die Autoren.

Dabei ist die sinkende Fertilität nur eines von mehreren Problemen. Je älter die Damen werden, desto häufiger leiden sie unter Komorbiditäten wie Adipositas, Dia­betes mellitus oder arterieller Hypertonie. Haben Schwangere etwas mehr auf den Rippen, schlägt sich das meist auch im Gewicht des Ungeborenen wieder – und das wiederum begünstigt Geburtskomplikationen. Weil Insulinsensitivität und Betazellfunktion ebenfalls mit dem Alter abnehmen, wird ein Gestationsdiabetes wahrscheinlicher. Bluthochdruck wiederum steigert das Risiko für Präeklampsie, vorzeitige Plazentalösung und eine intrauterine Wachstumsverzögerung.

Künstliche Befruchtung braucht oft mehr als vier Versuche

Auch in Bezug auf die Wahrscheinlichkeit chromosomaler Anomalien sieht die Sache düster aus, schreiben Dr. Moffat und Kollegen. In Anbetracht der Tatsache, dass bereits bei einer 42-Jährigen 80 % aller Eizellen aneuploid sind, mag das kaum verwundern. Als wichtigste Ursache für altersbedingte Infertilität und steigende Abortrate gilt die unbalancierte Verteilung der Chromosomen.

Wer die Antwort auf diese Probleme in reproduktionsmedizinischen Technologien sieht, wird auf lange Sicht wohl eher enttäuscht, so die Autoren. Dadurch werde die fertile Lebensspanne nur um wenige Jahre verlängert. Sogar unter optimalen Bedingungen (normaler BMI und Ovarialreserve, Nichtraucherstatus, kerngesund) beziffert sich bspw. die Lebendgeburtsrate nach künstlicher Befruchtung auf gerade einmal 20–25 %. Zu dieser enttäuschenden Bilanz trägt bei, dass In-vitro-Fertilisationen häufig mit Mehrlingsschwangerschaften, Plazentationsstörungen und einem veränderten neonatalen Gewicht einhergehen.

Eizellen vor dem 35. Lebensjahr einfrieren lassen

Etwas erfolgsversprechender scheint das Einfrieren eigener Eizellen. Zumindest lässt sich die Familienplanung laut den Forschern damit etwas aufschieben. Die Entnahme von mindestens 8–10 reifen Oozyten sollte jedoch vor dem 35. Lebensjahr geschehen. Mit jüngeren Zellen reduziert sich das Risiko für Aborte und fetale Aneuploidien.

Mit Sicherheit zunehmen werden die Möglichkeiten der Präimplantationsdiagnostik, um künftig Embryos mit der besten Überlebens­chance zu erkennen. Noch fehlt es jedoch an randomisierten Studien zur Wirksamkeit und den Langzeitfolgen für die Kinder. Bis es soweit ist, sollten sich Ärzte engagiert in die Diskussion um späte Familienplanung und Ethik der Reproduk­tionsmedizin einbringen und besonders ihre Patientinnen umfassend aufklären.

Quelle: Moffat R et al. Swiss Med Forum 2018; 18: 875-880