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Muskuloskelettale Schmerzen mit Antidepressiva behandeln

Autor: Dr. Dorothea Ranft

Die Schmerzlinderung gelingt nach Einschätzung der Autoren nicht in einem Ausmaß, von dem Betroffene im Alltag profitieren. Die Schmerzlinderung gelingt nach Einschätzung der Autoren nicht in einem Ausmaß, von dem Betroffene im Alltag profitieren. © iStock/SDI Productions
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In der Behandlung muskuloskelettaler Schmerzen haben Antidepressiva inzwischen einen festen Platz. Doch die Evidenz ist nach wie vor unsicher. Zeit für eine neue Metaanalyse.

Patienten mit chronischen Rückenschmerzen oder Arthrose-Beschwerden in Hüft- und Kniegelenk werden häufig mit Antidepressiva behandelt. Allerdings mangelte es bisher an Evidenz für ihre Wirksamkeit bei den genannten Indikationen. Um diese Lücke zu schließen, startete ein australisch-irisches Forscherteam nun eine umfangreiche Metaanalyse.

Effekte vor allem bei radikulären Beschwerden

Eingeschlossen wurden 33 randomisierte Studien mit zusammen mehr als 5300 Teilnehmern, in denen die Wirksamkeit verschiedener antidepressiver Pharmaka mit Placebo verglichen wurde. Für die gepoolte Auswertung rechneten die Wissenschaftler die ermittelte Schmerzlinderung in eine Skala von 0 bis 100 um. Als klinisch relevant stuften sie, wie bei derartigen Studien üblich, eine Verbesserung um mindestens zehn Punkte ein.

Die Resultate sprechen dafür, dass die Behandlung mit SNRI* chronische Rücken- oder Arthroseschmerzen zu lindern vermag. Allerdings gelingt dies nach Einschätzung der Autoren nicht in einem Ausmaß, von dem die Betroffenen im Alltag profitieren. Bei Patienten mit radikulären Schmerzen (Ischias) induzierten SNRI und trizyklische Antidepressiva zwar eine klinisch relevante Reduktion der Beschwerden. Die Evidenz stuft die Arbeitsgruppe um Dr. Giovanni E. Ferreira von der Sydney School of Public Health allerdings als gering ein. Vermehrte Nebenwirkungen wurden nur unter der Behandlung mit SNRI beobachtet, was allerdings nicht die Sicherheit der anderen Wirkstoffe belegt. Denn nur wenige Arbeiten beschäftigten sich mit den unerwünschten Folgen des analgetischen Antidepressiva-Einsatzes.

In ihrem Studienkommentar weisen Professor Dr. Martin Underwood von der Universität Warwick und sein Kollege darauf hin, dass die trizyklischen Antidepressiva den Grenzwert mit -9,9 Punkten beim chronischen unspezifischen Rückenschmerz nur knapp verfehlten. Außerdem schließt eine Verbesserung um weniger als zehn Punkte in der Gesamtgruppe nicht aus, dass einzelne Patienten doch einen Nutzen verspüren. Nach Einschätzung der Kommentatoren ist der Effekt beim unspezifischen Rückenschmerz etwa gleich groß wie der einer Physiotherapie. Demnach müssten fünf bis neun Patienten behandelt werden, damit einer profitiert. Bei dieser Konstellation möchte wahrscheinlich so mancher ausprobieren, ob sich seine Beschwerden unter einer Behandlung mit Antidepressiva bessern.

* Serotonin-Noradrenalin-Reuptake-Inhibitoren

Quellen:
1. Ferreira GE et al. BMJ 2021; 372: m4825; DOI: 10.1136/bmj.m482
2. Underwood M. Tysall C A.a.O.; DOI: 10.1136/bmj.n80