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Niedrigrisiko-Schilddrüsenkarzinom: Ältere nicht gleich unters Messer legen

Autor: Josef Gulden

Bei der Strategie des Watchful Waiting wird auf einen chirurgischen Eingriff erst einmal verzichtet. Bei der Strategie des Watchful Waiting wird auf einen chirurgischen Eingriff erst einmal verzichtet. © iStock/Shidlovski
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Watchful Waiting – so heißt das Motto für papilläre Niedrigrisiko-Schilddrüsenkarzinome, wenn sie 1 cm nicht überschreiten. Die Wahrscheinlichkeit einer Progression hängt dabei vom Alter des Patienten bei der Erstdiagnose ab, mit Nachteilen für Jüngere.

Die Inzidenz von Schilddrüsenkarzinomen hat in den letzten Jahrzehnten deutlich zugenommen. Für die sogenannten Mikrokarzinome mit einem Durchmesser von höchstens 1 cm hat sich – ursprünglich von Japan ausgehend – aufgrund der ausgezeichneten Prognose eine abwartende Behandlungsstrategie der aktiven Überwachung eingebürgert.

Darunter versteht man ein strukturiertes Nachbeobachtungsprogramm, bei dem ein chirurgischer Eingriff zunächst vermieden, aber im Falle einer Progression oder von Metastasen in kurativer Absicht operiert wird. Unabhängig von den Faktoren kann sich ein Patient jedoch auch für den Eingriff entscheiden. Die längsten Erfahrungen mit dieser Strategie gibt es in Japan, in den letzten Jahren findet sie weltweit Anklang.

Eine kanadisch-japanische Studiengruppe um die Endokrinologin Dr. Alexandra Koshkina, University of Toronto, nutzte die Daten von fünf publizierten Studien, um in einer Metaanalyse der strittigen Frage nachzugehen, ob es einen Zusammenhang zwischen dem Alter bei der Erstdiagnose des papillären Schilddrüsen-Mikrokarzinoms und dem Progressionsrisiko unter aktiver Überwachung gibt. In zwei Studien, in denen als Endpunkt ein Tumorwachstum von mindestens 3 mm angegeben war, lag die Wahrscheinlichkeit dafür bei den 40- bis 50-Jährigen nur etwa halb so hoch wie bei den Jüngeren (Risk Ratio 0,51; 95%-KI 0,29–0,89; n = 1619). Für alle ab 40 Jahren betrug in vier Studien die Risk Ratio 0,55 (95%-KI 0,36–0,82; n = 2097) und in ebenfalls vier Studien fiel für 40- bis 45-Jährige das Risiko gegenüber den Jüngeren um rund ein Drittel geringer aus (RR 0,65; 95%-KI 0,51–0,83; n = 1232).

Fernmetastasierung im Alter unwahrscheinlich

Das Risiko für eine Lymphknoten-Metastasierung nahm mit dem Alter noch stärker ab: In drei der Studien war es bei den ab 40-Jährigen gegenüber den jüngeren Patienten um etwa 80 % vermindert (RR 0,22; 95%-KI 0,10–0,47; 1806 Patienten). Jedoch fiel in einer sekundären Analyse dieser Unterschied nicht mehr signifikant aus. Es gab insgesamt keine durch das Schilddrüsenkarzinom bedingten Todesfälle und keine neu aufgetretenen Fernmetastasen.

Das Fazit der Autoren, das sie aus dieser Metaanalyse ableiten: Eine Fernmetastasierung ist für ältere Patienten unwahrscheinlich. Da das Alter ein negativer Faktor für das Outcome einer OP ist und das Risiko für Komplikationen mit den Lebensjahren steigt, sollten Kollegen die neue Erkenntnis in ihrer Planung berücksichtigen. 

Quelle: Koshkina A et al. JAMA Otolaryngol Head Neck Surg 2020; DOI 10.1001/jamaoto.2020.0368