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Krebsfrüherkennung Noch immer nehmen nur wenige Diabetes-Erkrankte Vorsorgemaßnahmen in Anspruch

Diabetes Herbsttagung 2023 Autor: Dr. Miriam Sonnet

Durch einen gesunden Lebensstil und Früherkennungsmaßnahmen lässt sich das Tumorrisiko für  Menschen mit Diabetes senken. Durch einen gesunden Lebensstil und Früherkennungsmaßnahmen lässt sich das Tumorrisiko für Menschen mit Diabetes senken. © neirfy – stock.adobe.com
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Menschen mit Diabetes haben ein erhöhtes Tumorrisiko. Dieses lässt sich senken: durch einen gesunden Lebensstil und Früherkennungsmaßnahmen. Doch die Teilnahmeraten sind niedrig. Verbessern ließen sie sich über niederschwellige Angebote.

Rund 40 % der Krebsfälle und 70 % der Krebstodesfälle sind prinzipiell vermeidbar, konstatierte Prof. Dr. ­Hans ­Scherübl, Vivantes Klinikum Am Urban, Berlin. Neben Rauchen und schlechten Ernährungsgewohnheiten trägt bekanntermaßen Übergewicht zum Krebsrisiko bei. Das Risiko lässt sich laut einem aktuellen Review mit mehr als 1.000.000 Teilnehmenden durch bariatrische Chirurgie dramatisch reduzieren – und zwar im Falle von Leberzellkrebs sogar um 65 %. Das gilt auch für Menschen mit Typ-2-Diabetes: Bei zuvor adipösen Patient:innen, die durch die bariatrische OP eine Remission des Typ-2-Diabetes erzielten, verringerte sich das Krebsrisiko um 55 % gegenüber denjenigen ohne Diabetes-Remission, so der Experte.

Dass die Einstellung des HbA1c besonders wichtig ist, demonstrierte Prof. ­Scherübl anhand des Beispiels für Gebärmutterhalskrebs: Je höher der HbA1c-Wert ausfällt, desto höher das Risiko bei Personen mit Hochrisiko-HPV-Infektion.

Typ-2-Diabetes und Krebs

Menschen mit Typ-2-Diabetes haben ein erhöhtes Risiko für bestimmte Tumoren und ein gesteigertes Risiko für Zweit- und Drittkarzinome. Sie erkrankten teilweise in jüngeren Jahren (z.B. Darmkrebs). Das Fünf-Jahres-Überleben von Krebsbetroffenen mit Diabetes ist kürzer als das von Tumorerkrankten ohne Diabetes. Prof. ­Scherübl plädierte dafür, Patient:innen dazu aufzufordern, an Früherkennungsmaßnahmen teilzunehmen.

Typ-2-Diabetes erhöht Risiko für Pankreaskarzinom

Auch die Entwicklung von Bauchspeicheldrüsentumoren hängt mit einem Diabetes zusammen: So steigert ein langjähriger Typ-2-Diabetes, d.h. mehr als fünf Jahre Erkrankung, das Risiko um das ca. Zweifache. Es bestehe dabei eine wechselseitige Beziehung, erklärte der Referent. Entwickelt eine Person ein Pankreaskarzinom, so tritt in 65 % der Fälle im Verlauf auch ein Diabetes auf. Bei 25–30 % ist ein neu diagnostizierter Diabetes ein Frühsymptom eines Bauchspeicheldrüsentumors. In England empfehlen deshalb Expert:innen für Menschen ab 50 Jahren, die neu an Diabetes erkrankt sind und an Gewicht verlieren, eine CT des Abdomens innerhalb von 14 Tagen.

Dass Krebsfrüherkennungsmaßnahmen erfolgreich sind, belegen verschiedene Daten. Allerdings lassen die Teilnahmeraten noch immer zu wünschen übrig: 

  • nur 20 % (Zehn-Jahres-Rate) nehmen eine Vorsorge-Koloskopie in Anspruch
  • 20 % aller Personen mit Leberzirrhose lassen sich auf Leberkrebs hin untersuchen
  • 24 % partizipieren am Hautkrebsscreening ab 35 Jahren
  • 48–80 % gehen für die Untersuchung auf Zervixkarzinome ab dem Alter von 20 zur Gynäkologin oder zum Gynäkologen
  • 51–71 % nehmen das Angebot für ein Mammografiescreening ab 50 Jahren wahr

„Es ist Luft nach oben“, betonte der Referent, „und es ist insbesondere Luft nach oben bei Menschen mit Diabetes.“ Denn im Vergleich zu Patient:innen ohne Typ-2-Diabetes nehmen diejenigen mit der Zuckerkrankheit in verschiedenen Ländern noch seltener an Früherkennungsmaßnahmen teil.

Diabetes und Darmkrebs

Studien deuten darauf hin, dass Menschen mit Diabetes ein erhöhtes Risiko für Darmkrebs haben. Risikofaktoren für beide Erkrankungen umfassen den sozioökonomischen Status und Rauchen. Auch schwarze Menschen sind häufiger betroffen. Forschende um Dr. ­Thomas ­Lawler, University of Wisconsin Carbone Cancer Center, Madison, untersuchten den Zusammenhang zwischen Diabetes und dem CRC-Risiko bei in Studien meist unterrepräsentierten Patient:innenpopulationen. 

Von den 54.597 Teilnehmenden waren 66 % Afroamerikaner:innen und 53 % hatten ein Einkommen von weniger als 15.000 US-Dollar pro Jahr. 289 von 25.992 Personen mit Diabetes entwickelten ein CRC gegenüber 197 von 28.605 Menschen ohne die Zuckerkrankheit. Ein Diabetes ging mit einem erhöhten CRC-Risiko einher (HR 1,47). Besonders deutlich war die Assoziation in der Personengruppe ohne Kolonoskopiescreening (HR 2,07) und bei Rauchern (HR 1,62). Verglichen mit einer Diabetesdauer zwischen fünf und zehn Jahren hatten Patient:innen mit einer Krankheitsdauer von zwei bis fünf Jahren ein erhöhtes CRC-Risiko (HR 2,55).

Das Fazit der Autor:innen: In der Studie, in der die Mehrheit der Teilnehmenden Afroamerikaner:innen mit niedrigem sozioökonomischen Status waren, erwies sich ein Diabetes als mit einem erhöhten CRC-Risiko assoziiert. Der Zusammenhang galt nicht mehr, wenn Kolonoskopien durchgeführt wurden; dies deute darauf hin, dass die negativen Auswirkungen einer durch den Diabetes verursachten metabolischen Dysregulation durch Früherkennungsmaßnahmen abgemildert werden können, schreiben die Forschenden.

Quellen:
Lawler T et al. JAMA Netw Open 2023; 6: e2343333; DOI: 10.1001/jamanetworkopen.2023.43333

Gründe liegen unter anderem in Gesundheitsbewusstsein und Bildungsstand. So korreliere z.B. die Darmkrebshäufigkeit mit der sozioökonomischen Deprivation, erläuterte Prof. ­Scherübl. Das Problem: 6,2 Millionen der 18- bis 64-Jährigen gehören zu den funktionalen Analphabeten und 59 % der Deutschen sind gesundheitsinkompetent. Bisherige Broschüren zur Aufklärung seien daher nicht ausreichend. „Wir müssen andere Arten der Kommunikation finden, um die Betroffenen zu erreichen, damit sie die gleichen Chancen haben, die Angebote der Krebsfrüherkennung nutzen zu können“, forderte der Experte. Man müsse sozioökonomisch und bildungsbenachteiligte Bevölkerungsgruppen mehr einbeziehen und niederschwellige Angebote schaffen.

Quellen:
Scherübl H. Diabetes Herbsttagung 2023; Vortrag: „Diabetes und Krebs“