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Ulcus cruris venosum Offene Beine erfolgreich schließen

Autor: Dr. Sonja Kempinski

Bei fest anhaftenden Wundbelägen oder Nekrosen empfehlen die Leitlinienautoren ein gründliches Débridement. Bei fest anhaftenden Wundbelägen oder Nekrosen empfehlen die Leitlinienautoren ein gründliches Débridement. © Andrii Zastrozhnov - stock.adobe.com
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Ohne adäquate Wundversorgung geht’s nicht bei der Behandlung des venösen Ulkus. Doch ebenso wichtig ist es, Hautirritationen und Kontaktekzeme zu vermeiden sowie Erysipeln vorzubeugen. Wie das perfekte Management rund um das Ulcus cruris aussieht, fasst die aktuelle Leitlinie zusammen. 

Wundreinigung und Débridement sind das A und O bei der lokalen Behandlung eines Ulcus cruris venosum. Dadurch lassen sich nicht nur Wunden besser beurteilen und Infektionen vermeiden: In einer retrospektiven Kohortenstudie besserten sich auch die Heilungsergebnisse mit der Anzahl durchgeführter Débridements. Mehrere Verfahren stehen dafür zur Verfügung (siehe Kasten). Gereinigt werden sollte die Wunde bei jedem Verbandswechsel, schreibt das Expertenteam um Prof. Dr. Eva ­Valesky, Universitätsklinikum Frankfurt, in der aktuellen S2k-Leitlinie. Dafür sind zunächst locker anhaftende Wundbeläge mit Baumwollpads, Pinzetten oder Schwämmen mechanisch zu entfernen.

Bei fest anhaftenden Wundbelägen oder Nekrosen empfehlen die Leitlinienautoren ein gründliches Débridement. Das scharfe Débridement bis an den Rand des avitalen Gewebes ist auch ambulant möglich. Die vorherige topische Applikation von Lidocain oder Prilocain reduziert die Schmerzen, wobei deren Mindesteinwirkungszeit von 30 bis 60 Minuten zu beachten ist. Beim chirurgischen Débridement trägt man Gewebe, Nekrosen, Beläge und Fremdkörper bis in vitale anatomische Strukturen hinein ab und es kommt zu Blutungen. Oft ist dafür eine starke Analgesie bis hin zur Allgemeinnarkose erforderlich.

Wunden mit klinischen Zeichen einer lokalen Infektion müssen nach Wundreinigung und Débridement antiseptisch behandelt werden. Mittel der Wahl für die meisten Patienten ist Polihexanid. Wurden jedoch multiresistente Erreger nachgewiesen, empfehlen die Leitlinien Octenidin bzw. 2-Phenoxyethanol. Auch bei der antiseptischen Therapie ist immer darauf zu achten, dass die Präparate lange genug einwirken (Octenidin 1 bis 2 Minuten, Polihexanid 10 bis 20 Minuten). Systemisch verabreichte Antibiotika sind bei einer lokalen Wundinfektion nutzlos und nur bei systemischer Infektion (z.B. bei beginnender Sepsis) angezeigt.

Nach Versorgung der Wunde wird der Verband angelegt. In der Entstauungsphase muss der Wundverband auch unter Kompression erhebliche Mengen an Exsudat aufnehmen. Am besten gelingt das mit Superabsorbern und Produkten, die die Flüssigkeit vertikal in einen darüber liegenden Sekundärverband leiten. Dieser kann dann bei Sättigung gewechselt werden, ohne die Wundruhe zu stören und Schmerzen zu verursachen. In der Erhaltungsphase stellt man die Wundversorgung auf Verbände um, die das feucht-warme Milieu fördern. Günstig sind hautfreundliche Beschichtungen (Silikon) und Verbandsmittel ohne Kleber.

Vorsicht Erysipel!

Patienten mit venösem Ulkus entwickeln häufig Erysipel. Deshalb ist es wichtig, bei jedem Verbandswechsel auch die Wundumgebung regelmäßig zu reinigen, gründlich auf kleinste Hautverletzungen zu inspizieren. Hautschuppen und Krusten sollten atraumatisch mit Baumwollkompressen oder Pinzetten abgetragen werden. Damit sich die Krusten atraumatisch lösen, weicht man sie vorher mit blanden Salben auf. 

Unter der Kompressionsversorgung kommt es durch die chronisch-venöse Insuffizienz, aber auch durch Reibung der Kompressionsmaterialien häufig zu Trockenheit, Schuppungen und Juckreiz. Diesen Problemen lässt sich durch eine regelmäßige Hautpflege mit hypoallergenen Produkten vorbeugen. Sie sollte nach jedem Ablegen der Kompression erfolgen, wobei die Pflegesubstanzen vor dem erneuten Anlegen von Strumpf oder Verband gut eingezogen sein müssen. Auf trockene Haut gehören eher fettige, lipophile Mittel wie Salben, auf feuchte hydrophile Lotionen. Zur Linderung von Juckreiz empfehlen die Autoren Harnstoff und Glycerin in Salben auf Wasser-in-Öl-Basis.

Durch direkten Kontakt mit Kompressionsmaterialien kann es zu Hautirritationen kommen. Dem lässt sich vorbeugen, indem unter dem Kompressionsverband ein Baumwollschlauch angelegt wird. Eine zusätzliche Option ist die Wahl von Produkten mit höherem Baumwollanteil.

Patienten mit venösem Ulkus entwickeln durch Substanzen aus Hautpflege- oder Wundprodukten häufig allergische Kontaktekzeme am Unterschenkel. In klinischen Studien ließen sich Kontaktsensibilisierungen bei bis zu 75 % der Telnehmer finden. Typische Auslöser – und deshalb zu meiden – sind

  • Bienenwachs/Propolis
  • Duftstoffe und Konservierungsstoffe wie Parabene
  • Melkfett, Perubalsam und Wollwachsalkohole
  • Phytotherapeutika, z.B. aus Rosskastanien, Ringelblüten, Weinlaub oder Teebaum

Allergische Reaktionen auf Kompressionsstrümpfe sind dagegen eine Rarität, sehr selten entwickeln sie sich auf die Haftränder oder Textilfarben. Bei Verdacht auf ein Kontaktekzem durch ein bestimmtes Agens sollte dies zunächst weggelassen werden. Ob eine Sensibilisierung vorliegt, ist vom Dermatologen durch Epikutantestung oder direkte Applikation abzuklären.

In schweren Fällen muss bei der Wundsanierung zu invasiveren Verfahren oder Hautersatz gegriffen werden. Patienten mit therapierefraktärem venösem Ulkus und Dermatoliposklerose können von einer Shave-Therapie profitieren. Davor sollten allerdings alle konservativen Verfahren ausgereizt und sollte die zugrunde liegende Pathophysiologie im Venensystem therapiert sein. 

Mit Zucker, Larven oder Baumwolle

Folgende Verfahren werden für die Wundreinigung und das Débridement beim venösen Ulkus eingesetzt:

  • autolytisch , z. B. mit Hydrogelen, Hydrofasern
  • osmotisch, z. B. mit Honig-, Zuckerpräparationen
  • proteolytisch/enzymatisch, z. B. mit Kollagenase, Streptokinase/Streptodornase
  • technisch, z. B. mit Laser, Ultraschall
  • biochirurgisch mit Fliegenlarven
  • mechanisch, z. B. mit Baumwollgazen, Faserpads
  • chirurgisch, z. B. mit Skalpell, Ringkürrette

Bei der Shave-Therapie werden alle Nekrosen und fibrotischen bzw. sklerotischen Ulkusanteile über den Wundrand hinaus suprafaszial abgetragen. Naturgemäß vergrößert sich dadurch die Wundfläche. Deshalb sollte in gleicher Sitzung eine Defektdeckung mit Spalthaut- bzw. Meshgraft-Plastik erfolgen. Belastbare Daten zum Effekt dieser Methode fehlen bisher. In einigen Fallserienberichten führte die Technik jedoch zu Abheilungsraten von über 90% – insbesondere bei gleichzeitiger Hauttransplantation auf gut vaskularisiertem Wundgrund.

Weitaus invasiver ist die Fasziektomie. Sie kommt nur in Einzelfällen bei erfolgloser Shave-Therapie und ausgeprägter Dermatoliposklerose infrage, schreiben die Leitlinienautoren. Hierbei entfernt man sämtliches nekrotisches Gewebe einschließlich der Fascia cruris en bloc. 

Sowohl bei invasiver Therapie als auch bei chirurgischem Débridement können zusätzlich Hautersatzverfahren zum Einsatz kommen. Zu ihrem Effekt auf die Wundheilung beim venösen Ulkus gibt es bisher wenig Daten. In einer prospektiven randomisierten klinischen Studie wurde bei über 60-Jährigen mit Wundflächen > 50 cm2 zwei bis drei Wochen nach Spalthauttransplantation eine Abheilungsrate von 65,5 % erzielt. Autologe Spalthauttransplantate sind in dieser Situation Goldstandard, als Alternativen gelten allogene, xenogene und biosynthetische Hautersatzpräparate. Mehr und mehr werden auch mesenchymale Stamm- und Stromazellen für die Förderung der Wundheilung beim venösen Ulkus eingesetzt.  

Quelle: S2K-Leitlinie Diagnostik und Therapie des Ulcus cruris venosum. Deutsche Gesellschaft für Phlebologie u. Lymphologie e.V. 2024. register.awmf.org/de/leitlinien/detail/037-009.