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Positives Hoffmann-Tinel-Zeichen weist auf Tarsaltunnelsyndrom hin

Autor: Dr. Dorothea Ranft

Eine Innenknöchelfraktur kann den N. tibialis ganz schön bedrücken. Eine Innenknöchelfraktur kann den N. tibialis ganz schön bedrücken. © iStock.com/spukkato und wikimedia/James Heilman, MD
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Schmerzen und Hypästhesien im Fuß können auf ein Tarsaltunnelsyndrom deuten. Beschwerden beim Drücken oder Klopfen auf den N. tibialis erhärten den Verdacht. Therapeutisch hilft es oft schon, den Tunnel zu fluten.

Das Tarsaltunnelsyndrom entsteht durch eine Kompression des N. tibialis bzw. seiner Endäste (s. Kasten). Es kann diverse Ursachen haben. Dazu zählen Verletzungen wie Sprunggelenksdistorsionen und Kalkaneus- oder Innenknöchelfrakturen. Auch venöse Probleme (z.B. Unterschenkelvarizen) und Tendovaginitiden können für einen Engpass im Tarsaltunnel sorgen, ebenso eine Hypertrophie des M. abductor hallucis longus. Als weitere Auslöser kommen u.a. Ganglien und Tumoren (z.B. Schwannome, Neurofibrome), Diabetes und Gicht infrage. Die idiopathische Form ist mit einem Anteil von 20 % eher selten, so Professor Dr. Alexander Schuh vom Muskuloskelettalen Zentrum des Klinikums Neumarkt und seine Kollegen.

Tarsale Anatomie

Der N. tibialis tritt in Höhe des Innenknöchels an die Oberfläche und erreicht mit A. und V. tibialis den Tarsaltunnel. Dieser verläuft hinter dem Malleolus medialis und ist ventral durch den Innenknöchel, dorsal durch das Retinaculum flexorum und lateral durch den Processus posterior tali und den Processus posterior calcanei begrenzt. Der N. tibialis tritt von proximal in den Kanal ein und teilt sich in die Nn. plantaris medialis und lateralis sowie den Ramus calcanearis medialis auf. Die Nn. plantaris medialis und lateralis versorgen sensibel den plantaren Vorderfuß bis zu den Zehen und motorisch die Fußsohle sowie die Zehenbeuger.

Das klinische Bild des Tarsaltunnelsyndroms ist sehr vielfältig. Im Vordergrund stehen die Schmerzen. Betroffene klagen typischerweise über teils brennende Parästhesien im Bereich des Vorfußes, die in die mediale Ferse ausstrahlen können. Außerdem kann es im Versorgungsgebiet des N. tibialis zu einer Hypästhesie kommen, auch isolierte Hypästhesien im Innervationsareal der Nn. plantaris medialis bzw. lateralis sind möglich. Bei der klinischen Untersuchung lässt sich oft ein lokaler Druckschmerz über dem N. tibialis neben dem Innenknöchel auslösen. Auch ein positives Hoffmann-Tinel-Zeichen weist auf das Kompressionssyndrom hin: Beim Beklopfen des Nervs kommt es zu einem elektrisierenden Gefühl als Zeichen der Druckschädigung. Die Beschwerden verstärken sich bei forcierter Eversion oder Dorsalflexion des Fußes. Eher selten finden sich Atrophien bzw. Paresen der Zehenspreizer und der kurzen Zehenbeuger. Längeres Gehen oder Stehen kann die Beschwerden verstärken. Im fortgeschrittenen Stadium muss man auch mit trophischen Störungen, etwa verminderter Schweißsekretion, rechnen. Differenzialdiagnostisch gilt es, ein Kompartmentsyndrom der tiefen Beugerloge sowie eine Polyneuropathie auszuschließen. Auch Arthrose und Fersensporn können einen Engpass im Tarsaltunnel imitieren, ebenso Entzündungen der Faszien und Bänder sowie Durchblutungsstörungen. Für die bildgebende Diagnostik werden Sonographie und MRT eingesetzt. Mit beiden Verfahren lassen sich morphologische Veränderungen des Nervs und der umgebenden Gewebe detektieren. Eine isolierte Läsion des N. tibialis im Tarsaltunnel ist anhand der Nervenleitgeschwindigkeit nachzuweisen. Am empfindlichsten, aber technisch aufwendig, ist die Messung der sensiblen Leitgeschwindigkeit der Nn. plantaris medialis und lateralis. Allerdings führt auch dieses neurophysiologische Verfahren nicht immer zur richtigen Diagnose, betont Prof. Schuh. Deshalb kann in unklaren Situationen bei ausgeprägtem Verdacht und hohem Leidensdruck eine operative Exploration sinnvoll sein. Die Therapie erfolgt primär konservativ: Gut geeignet ist die Infiltrationsbehandlung mit einem Glukokortikoid. Eine Ruhigstellung der distalen unteren Extremität führt dagegen nur selten zum Erfolg. Versagt die konservative Therapie, kann eine OP hilfreich sein. Dies gilt vor allem, wenn die Indikation gesichert ist und der Patient starke Schmerzen hat. Bei mäßigen Beschwerden verdient die konservative Therapie eine zweite Chance. 

Quelle: Schuh A et al. DNP 2018; 19: 30-31