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Prä-COPD endlich definieren!

Autor: Dr. Angelika Bischoff

Durch eine therapeutische Intervention bereits im Frühstadium könnte man den Verlauf der COPD vielleicht wirksamer beeinflussen. Durch eine therapeutische Intervention bereits im Frühstadium könnte man den Verlauf der COPD vielleicht wirksamer beeinflussen. © iStock/DjelicS
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Die Definition der COPD gründet auf dem FEV1/FVC-Verhältnis. Frühe Stadien der Krankheitsentwicklung werden mit dem Quotienten jedoch nicht erkannt. Eine internationale Autorengruppe schlägt daher vor, die Kategorie „Prä-COPD“ zu schaffen.

Als bester Marker für die Atemwegsobstruktion bei COPD dient heute eine FEV1/FVC-Ratio < 0,7, die sich als starker Prädiktor für Hospitalisierung und Mortalität erwiesen hat. Doch es ist anzunehmen, dass bereits Schäden in der Lunge eingetreten sind, bevor eine relevante Obstruktion evident wird. Durch eine therapeutische Intervention bereits in diesem Frühstadium könnte man den Verlauf der Erkrankung vielleicht wirksamer beeinflussen als dies heute gelingt.

GOLD 0 wurde geschaffen und rasch wieder aufgegeben

Vor 20 Jahren wurde für ein solches Vorstadium die Kategorie 0 nach GOLD* geschaffen – eine „Schublade“ für Patienten mit Risikofaktoren (Rauchen) und Symptomen wie chronischem Husten und Sputumproduktion, aber ohne relevante spirometrische Anomalie. Später gab man sie wieder auf mit dem Argument, dass nicht bei allen Betroffenen eine Progression zur COPD stattfand.

Das Team um Dr. MeiLan Han von der Division of Pulmonary and Critical Care Medicine der Uni­versity of Michigan in Ann Arbor hält dies für eine unglückliche Entscheidung. Denn bei einer Reihe anderer Erkrankungen sind ebenfalls Vorstadien definiert, zum Beispiel Prädiabetes oder Prähypertonie, die sich auch nicht dadurch rechtfertigen, dass bei jedem Patienten unausweichlich die manifeste Erkrankung folgt. Vielmehr kennzeichnen sie Menschen, bei denen ein engeres Risikofaktor-Management den Verlauf günstig beeinflussen könnte.

Gerade vor dem Hintergrund, dass künftig mehr krankheitsmodifizierende Medikamente entwickelt werden, wäre die Festlegung einer „Prä-COPD“ wünschenswert. Während das Stadium GOLD 0 nur auf der Basis von Symptomen bestimmt war, sollte die Prä-COPD Patienten einschließen, die respiratorische Symptome sowie physiologische Ano­malien wie eine niedrig-normale FEV1 und radiographische Veränderungen aufweisen. Damit ließe sich der größte Teil der Menschen, die irgendwann eine obstruktive COPD entwickeln, frühzeitig erfassen.

Als Subtyp dieser Kategorie sei die nicht-obstruktive chronische Bronchitis (NOCB) zu betrachten, unabhängig davon, ob es irgendwann zu einer spirometrisch fassbaren Obstruktion komme. Allerdings, so räumen die Autoren ein, braucht man noch mehr Daten aus jüngeren Kollektiven, um eine klinisch nutzbare Definition der Prä-COPD mit guter Sensitivität und Spezifität zu entwickeln und zu validieren.

Die Patientengruppe scheint sehr heterogen zu sein

Nach der Literatur, die sie durchforsteten, scheinen Patienten ohne spirometrisch nachweisbare Ob­s­truktion eine heterogene Gruppe zu sein, die mit Symptomen wie Husten, Auswurf, Dyspnoe, exazerba­tionsähnlichen Ereignissen und sogar Wandverdickungen und Emphysem im CT auffallen. Die klinischen und radiologischen Veränderungen unterscheiden sich manchmal gar nicht von denen obstruktiver­ COPD-Kranker.

Beispiel SPIROMICS-Studie: Die Hälfte einer Raucherkohorte ohne Obstruktion brachte es im COPD-Assessment Test (CAT) auf einen Score ≥ 10 und Exazerbationen traten bei ihnen nicht seltener auf als bei Teilnehmern in den Stadien GOLD 1 oder 2. In der CT sah man bronchiale Wandverdickungen. Immerhin bekamen gut 40 % der symptomatischen Raucher Bronchodilatatoren und gut 20 % inhalative Kortikoide verschrieben. Das zeigt, dass die betreuenden Ärzte durchaus Therapiebedarf sahen. Daten zur Wirksamkeit dieser Medikation fehlen in diesem Kollektiv allerdings bisher.

Unter anderen wurde im Rahmen einer schwedische Kohortenstudie untersucht, wie hoch für Menschen mit chronischen Atemwegssymptomen ohne Obstruktion das Risiko ist, dass sich eine COPD entwickelt. Insgesamt betrug die kumulative 10-Jahres-Inzidenz 13,5 %. Als Risikofaktoren bei Frauen standen Husten und Auswurf, bei Männern Dyspnoe im Vordergrund. Andere Studien fanden auch ein erhöhtes Mortalitätsrisiko.

Eine Studie aus England er­gab, dass eine chronische nicht- ob­­struktive Bronchitis in mittlerem Lebensalter das Risiko für eine spätere Obstruktion etwa vervierfacht. In einer epidemiologischen Studie ermittelten US-Forscher, dass etwa 40 % der Erwachsenen, die im Alter < 50 Jahren eine chronische Bronchitis hatten, im Langzeit-Follow-up eine Obstruktion bekommen im Vergleich zu gut 20 % der Erwachsenen ohne die Bronchitis in der Vorgeschichte.

* Global Initiative for Chronic Obstructive Lung Disease

Quelle: Han MK et al. Am J Respir Crit Care Med 2021; 203: 414-423; DOI: 10.1164/rccm.202008-3328PP