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HNO-Tumoren Präzisionsonkologie (meist) auf dem Vormarsch

DGHO 2023 Autor: Lara Sommer

HNO-Tumoren sind divers in Erscheinung, die Therapie sollte entsprechend zielgerichtet erfolgen. HNO-Tumoren sind divers in Erscheinung, die Therapie sollte entsprechend zielgerichtet erfolgen. © Supak – stock.adobe.com
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HNO-Tumoren stellen eine heterogene Gruppe dar. Sie unterscheiden sich in ihrer Histologie, charakteristischen Mutationen und der Assoziation mit Viren. Drei Experten schildern, wie sich die Therapie dieser Entitäten wandelt und welche Rolle zielgerichtete Wirkstoffe spielen.

Die aktualisierte Klassifikation unterteilt Speicheldrüsenkarzinome in 22 histologisch definierte Subtypen. Prof. Dr. Dr. Sacha Rothschild vom Kantonsspital Baden schilderte:1 „Die wichtigste Therapie dieser Tumoren ist natürlich zunächst die Chirurgie.“ Abhängig von der Histologie entwickele allerdings ein Drittel bis die Hälfte der Erkrankten ein Rezidiv, manchmal Jahre später. „Das mediane Überleben für Patient:innen mit metastasierten Speicheldrüsenkarzinomen liegt bei nur 15 Monaten“, gab der Referent zu bedenken.

Die Ansprechraten untersuchter Chemotherapien betrugen 25–30 %, in ausgesuchten Subgruppen bis zu 40 %, bei gleichzeitig kurzem PFS. Trotz tendenziell vielversprechender Tumoreigenschaften enttäuschten auch Studien zu CPI: „Die Immuntherapie hat meines Erachtens keine bedeutsame Rolle bei Speicheldrüsentumoren.“ Es scheine allerdings eine kleine Gruppe von Patient:innen einen lang anhaltenden Nutzen zu haben.

Zahlreiche dieser Malignome weisen subtypspezifische genomische Alterationen auf, die sich potenziell für zielgerichtete Therapien nutzen lassen. Über 70 % der Speicheldrüsengangkarzinome sind positiv für den Androgenrezeptor und lassen sich durch ADT oder eine kombinierte Androgenblockade behandeln. Bestätigen Analysen eine HER2-Überexpression, stellt Docetaxel plus Trastuzumab oder T-DM1 eine Option dar, zukünftig eventuell auch T-DXd. Zur optimalen Therapiesequenz bei Tumoren, die beide Rezeptoren überexprimieren, fehlen noch Daten. 

Sekretorische Karzinome können auf NTRK- oder RET-Inhibitoren ansprechen, wenn die entsprechende Fusion vorliegt. Prof. ­Rothschild wies darauf hin, dass die IHC-Diagnostik irreführend ausfallen kann: „Bei den sekretorischen Karzinomen ist NTRK immunhistochemisch im Vergleich zu anderen positiven Tumoren oft gar nicht so stark exprimiert.“ Auch die ESMO empfehle zusätzlich eine FISH-Analyse. 

Eine Kombination aus platinbasierter Chemotherapie und einem Angiogenese-Hemmer bietet sich für die oft besonders aggressiven adenoid-zystischen Karzinome an. Im Falle von NOTCH1-Mutationen erproben Wissenschaftler:innen darüber hinaus einen Gamma-Sekretase-Inhibitor. „Wir sollten die genetischen Analysen durchführen, um mögliche Targets zu identifizieren. Abhängig vom Subtyp finden wir einen substanziellen Teil, der diese Zielstrukturen aufweist“, lautete das Fazit des Experten.

Prof. Dr. ­Peter ­Brossart vom Universitätsklinikum Bonn beschäftigte sich mit therapeutischen Neuerungen bei fortgeschrittenen Plattenepithelkarzinomen (HNSSC),2 denn „die meisten Patient:innen rezidivieren doch“. Zunächst existiert eine gewisse Evidenz dafür, Pembrolizumab bei stark vorbehandelten Erkrankten mit Lenvatinib zu kombinieren. Verabreichten Wissenschaftler:innen Cetuximab zusammen mit dem Anti-HGF-Antikörper Ficlatuzumab, um Resistenzen zu überwinden, schienen HPV-negative Betroffene davon zu profitieren. 

Der NOTCH-Signalweg spielt eine zentrale Rolle in der Entstehung von HNSSC. Es gebe in diesem Bereich eine Reihe von neuen Substanzen. „Alleine scheinen die nicht viel zu bewirken, aber es wird hier Kombinationen mit anderen Small Molecules geben“, prognostizierte der Referent. Wie bei zahlreichen Tumoren biete darüber hinaus auch die Ras-Inhibition einen Ansatzpunkt. In einer Phase-2-Studie konnte die Addition des PI3K-Inhibitors Buparlisib zu einer Taxan-Monotherapie die Ansprechrate platinvorbehandelter Erkrankter mehr als verdoppeln, aber Ergebnisse der Folgeuntersuchung stehen noch aus. Nectin-4, bei fortgeschrittenem Blasenkrebs bereits etabliert, stelle ein weiteres potenzielles Ziel dar.

Immuntherapie bei HNSCC

Forschende arbeiten an Methoden wie bispezifischen Antikörpern, adoptivem Zelltransfer sowie TCR-transgenen Lymphozyten. Eine Studie mit PRAME-spezifischen TCR-T-Zellen schien gemäß Prof. Brossert vielversprechend: „Wir haben hohe Ansprechraten, die teilweise relativ lange anhalten.“

Zukünftig könnten Behandlungen ergänzend zu den klassischen CPI auf zusätzliche immunregulatorische Moleküle abzielen, beispielsweise TIGIT oder LAG-3. „Immuntherapien werden weiterhin ein wichtiger Teil sein, und wir hoffen, dass da noch etwas hinzukommt“, bilanzierte der Experte.

„Sie wissen, dass in unseren Breiten das Nasopharynxkarzinom eine sehr seltene Erkrankung darstellt“, führte Dr. ­Florian ­Kocher, Comprehensive Cancer Center Innsbruck, ein.3 Liegt das Tumorstadium I vor, erreicht eine alleinige IMRT eine Fünf-Jahres-Überlebensrate von mehr als 90 %. Im Stadium II ohne Lymphknotenbefall reiche diese bei niedrigem Risiko vermutlich ebenfalls aus, im Falle eines hohen Risikos kann eine CCRT angebracht sein. 

Gegen lokal fortgeschrittene Tumoren (Stadium III–IV, keine Fernmetastasen) stehen multimodale Konzepte im Vordergrund. Eine konkomitante Chemoradiotherapie stellt die zentrale Komponente der Behandlung dar. Dabei scheint es irrelevant für die Effizienz, ob Patient:innen Cisplatin alle 7 oder 21 Tage erhalten. „Bezüglich der Nebenwirkungen wurden mehr Ototoxizitäten im wöchentlichen Arm detektiert“, merkte der Experte an. 

Eine Induktionschemotherapie mit drei Zyklen Cisplatin/Gemcitabin vor der CCRT beeinflusst das rückfallfreie und Gesamtüberleben günstig. Die Zugabe des CPI Sintilimab verlängert das EFS zusätzlich, aber Daten zum OS sind noch nicht reif. „Der Stellenwert der adjuvanten Therapie ist aus meiner Sicht nach Induktionschemotherapie unklar“, fuhr Dr. ­Kocher fort. Haben Patient:innen keine Induktion erhalten, kommen drei Zyklen Cisplatin/ Gemcitabin oder ein Jahr metronomisches Capecitabin infrage.

Standard bei metastasierten Nasopharynxkarzinomen bleibt eine Chemotherapie-Dublette aus Cisplatin und Gemcitabin. Die Zugabe eines CPI verbessert die Ansprechrate und verlängert das PFS, es bleibt aber unklar, ob sich dies auf das Gesamt­überleben überträgt. Zielgerichtete Therapien spielen bisher kaum eine Rolle: „Das Problem hierbei ist, dass das Nasopharynxkarzinom eher eine niedrige Mutationslast aufweist.“ Chromatin-Regulatoren könnten sich zukünftig als Angriffspunkte erweisen.

Eine Erhaltung mit Capecitabin verlängerte das PFS nach einer Triple-Chemotherapie. „Es ist jedoch fraglich, ob sich dieser Effekt auch nach sechs Zyklen Cisplatin/Gemcitabin einstellt“, mahnte der Referent zur Vorsicht. Als alternativer Ansatz wirkt sich eine konsolidierende Radiotherapie bei neu diagnostizierten, metastasierten Tumoren positiv auf die Lebenserwartung aus. 

In der Zweitlinie vertrugen Behandelte Pembrolizumab besser als eine Monochemotherapie. Wirksamkeit, Ansprechen und andere Parameter unterschieden sich darüber hinaus nicht. Allgemein erreichen platinrefraktäre Patient:innen mit CPI Ansprechraten zwischen 20 % und 30 %.

Quelle: Kongressbericht Jahrestagung 2023 der Deutschen, Österreichischen und Schweizerischen Gesellschaften für Hämatologie und Medizinische Onkologie

1. Rothschild S. Jahrestagung 2023 der Deutschen, Österreichischen und Schweizerischen Gesellschaften für Hämatologie und Medizinische Onkologie; Vortrag „Speicheldrüsenkarzinome – Präzisionsonkologie im Lichte der neuen Leitlinie“
2. Brossart P. Jahrestagung 2023 der Deutschen, Österreichischen und Schweizerischen Gesellschaften für Hämatologie und Medizinische Onkologie; Vortrag „Plattenepithelkarzinome: neue Substanzen und Therapieansätze“
3. Kocher F. Jahrestagung 2023 der Deutschen, Österreichischen und Schweizerischen Gesellschaften für Hämatologie und Medizinische Onkologie; Vortrag „Nasopharynxkarzinome: Neue Therapiekonzepte“