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Primärer Hirntumor Keine Kontraindikation für Organtransplantation

Autor: Josef Gulden

Scheinbar können solide Organe von Patient:innen, die an einem primären Hirntumor verstorben sind, problemlos transplantiert werden. Scheinbar können solide Organe von Patient:innen, die an einem primären Hirntumor verstorben sind, problemlos transplantiert werden. © Talaj – stock.adobe.com
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Kann man solide Organe von Patient:innen, die an einem primären Hirntumor verstorben sind, problemlos transplantieren? Offenbar ja, wenn es nach den Ergebnissen einer englischen und schottischen Kohortenstudie geht.

Aktive maligne Tumoren bei potenziellen Spender:innen gelten üblicherweise als Kontraindikation für Organtransplantationen, da ein geringes, aber nicht vermeidbares Risiko einer Übertragung besteht. Weil Hirntumoren extrem selten außerhalb des Zentralnervensystems streuen, sehen Expert:innen die Gefahr hier als vertretbar an. Das ist umso mehr ein Thema, als Patient:innen mit Hirntumoren tendenziell jünger sind und in diesem chronisch unterversorgten Bereich qualitativ hochwertige Organe spenden könnten. Dennoch werden auch hier immer wieder Bedenken geäußert; als Risikofaktoren gelten etwa eine besonders aggressive Histologie des Hirntumors sowie eine vor Tod und Transplantation stattgehabte Operation, die möglicherweise die Chancen einer Übertragung erhöhen können.

Dr. ­George H. B. ­Greenhall vom NHS Blood and Transplant, Bristol, und sein Team schlossen in ihre Studie 282 Spender:innen mit Hirntumoren ein; von den insgesamt 887 zwischen den Jahren 2000 und 2016 transplantierten Organen stammten 262 von Personen mit hochaggressiven Tumoren und 494 von Erkrankten, die vor ihrem Tod eine neurochirurgische Operation und/oder eine Radiotherapie erhalten hatten. 

Aggressivere Tumoren: Transplantation seltener

Im Hinblick auf die Verwendung von Organen zeigte sich eine gewisse Zurückhaltung: Bei den potenziellen Spender:innen mit aggressiven Hirntumoren waren Nieren, Lebern und Lungen seltener übertragen worden als im Falle der gematchten Kontrollen.

Niedriges Übertragungsrisiko

Bei 778 der 887 transplantierten Organe (88 %) konnte der primäre Endpunkt, eine mögliche Übertragung des Hirntumors auf den Empfänger, über median sechs (maximal neun) Jahre verfolgt werden. Insgesamt registrierten die Forschenden in diesem Zeitraum 83 nach der Transplantation aufgetretene Malignome (außer nicht-melanotischer Hautkrebs); kein einziger davon war ein Hirntumor, der histologisch dem des Spenders entsprochen hätte. Die Überlebenschancen der transplantierten Organe – Nieren, Lebern, Herzen und Lungen – entsprachen darüber hinaus denen von gematchten Kontrollen, bei denen die Spender:innen keinen Hirntumor aufgewiesen hatten. 

Das Risiko einer Übertragung sei niedriger als bislang befürchtet, resümieren die Autor:innen – auch wenn vermeintliche Risikofaktoren vorlagen.

Quelle:
Greenhall GHB et al. JAMA Surg 2023; 158: 504-513; DOI: 10.1001/jamasurg.2022.8419