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Primärprävention von Allergien „Toleranz kann nur entstehen, wenn man sich Allergenen aussetzt“

Autor: Dr. Angelika Bischoff

Schon durch die Ernährung des Kindes kann das Allergierisiko gesenkt werden. Schon durch die Ernährung des Kindes kann das Allergierisiko gesenkt werden. © iStock/NataliaDeriabina
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Fast jedes dritte drei- bis sechsjährige Kind ist gegen bestimmte Allergene sensibilisiert. Lässt sich das verhindern, und wenn ja, wie? Derzeit basteln Experten an einer S3-Leitlinie zum Thema. Konsentierte Empfehlungen wurden vorab auf dem Allergiekongress vorgestellt.

Werdende Eltern fragen oft danach, wie hoch das Risiko ist, dass ihr Kind später eine Allergie entwickelt, berichtete Professor Dr. Eckard Hamelmann­, Ärztlicher Direktor an der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendmedizin, Bielefeld. Die Antwort lautet: Wenn kein Elternteil eine Allergie aufweist, muss in 15 % der Fälle damit gerechnet werden, mit einem allergischen in 20–40 %, sind beide betroffen in 50–60 %. Leiden gar beide Eltern an der gleichen Allergie, wird das Kind in 60–80 % der Fälle zu einem Allergiker.

Kann eine besondere Diät während der Schwangerschaft dazu beitragen, das Kind vor Allergien zu schützen? Dafür gibt es keine Evidenz, so Prof. Hamelmann. Eine diätetische Restriktion während Schwangerschaft oder Stillzeit wird daher nicht empfohlen. Vielmehr sollte sich die Schwangere ausgewogen ernähren. Dazu gehören Gemüse, Milchprodukte, Obst, Nüsse, Eier und Fisch.

Wenn die Geburt ansteht, muss die werdende Mutter wissen, dass ein elektiver Kaiserschnitt mit einem leicht erhöhten Asthmarisiko für das Kind einhergeht. Denn es entfällt die „mikrobielle Impfung“, die im Geburtskanal stattfindet und die wichtig ist für die Entwicklung des Immunsystems. Nach Möglichkeit strebt man also eine normale vaginale Geburt an.

Stillen stellt aus vielen Gründen die beste Ernährung für den Säugling dar und sollte deshalb für die ersten vier bis sechs Lebensmonate ausschließlich erfolgen. Dass es vor der Entwicklung einer atopischen Dermatitis schützen kann, belegen Studien. Aber ob es auch zur Allergie- und Asthmaprävention beiträgt, bleibt unklar. Das Zufüttern einer kuhmilchbasierten Formulanahrung in den ersten Lebenstagen gilt es aber bei Stillwunsch der Mutter zu vermeiden.

Wenn eine Frau nicht stillen kann, gibt man Risikokindern am besten eine Formulanahrung mit nachgewiesenem allergiepräventivem Effekt. Sojabasierte Produkte eignen sich nicht zur Allergieprävention, ebensowenig Tiermilch (Ziege, Schaf, Stute).

Frühestens ab Beginn des fünften, spätestens des siebten Lebensmonats muss das Kind Beikost bekommen. Vor allem die Vielfalt der Ernährung scheint einen protektiven Effekt im Hinblick auf atopische Erkrankungen zu haben. Ausdrücklich gehören dazu auch Fisch, Milch und Hühnerei.

Erdnuss fürs Atopikerbaby, Bleiberecht für die Katze

Letzteres verabreicht man zur Prävention der Hühnereiallergie nicht roh oder als Rührei, sondern nur in hartgekochter oder verbackener Form regelmäßig. „Toleranz kann nur entstehen, wenn sich der Organismus mit den Allergenen auseinandersetzen kann“, erklärte Prof. Hamelmann. Eine diätetische Restriktion durch Meidung potenter Nahrungsmittelallergene ergibt im ersten Lebensjahr keinen Sinn.

Das gilt im Prinzip genauso für die Erdnuss. Zumindest in Familien, in denen sie häufig auf dem Speiseplan steht, sollten Säuglinge mit atopischer Dermatitis regelmäßig Erdnussprodukte (z.B. Erdnussbutter) im Rahmen der Beikost erhalten, um einer Allergie vorzubeugen. Allerdings empfiehlt es sich, bei Kindern mit moderater bis schwerer atopischer Dermatitis vorher eine Erdnussallergie auszuschließen.

Säuglingsnahrungen mit Prä- und Probiotika sind zu Verkaufsschlagern geworden. Das Konzept, durch Steigerung der mikrobiellen Diversität die Toleranzausbildung zu fördern, sei zwar prinzipiell schlüssig, sagte der Pädiater. Aber bisher gebe es keine solide Evidenz für einen primärpräventiven Effekt von Prä- oder Probiotika gegen Allergien. Es wird daher davon abgeraten, dass Schwangeren oder Säuglingen entsprechende Produkte zum Zweck der Allergieprävention einnehmen. Das Gleiche gilt für Vitamin D, für das auch kein allergieprotektiver Effekt gezeigt werden konnte. Dies berührt selbstverständlich nicht die Empfehlung einer Vitamin-D-Substitution mit 400–500 IU/Tag für Säuglinge bis zum zweiten erlebten Frühsommer.

Die Empfehlungen, was Haustiere betrifft, zeigen sich in der neuen Leitlinie menschen- und tierfreundlicher. Keine Einschränkungen gelten für Personen ohne erhöhtes Allergierisiko. Familien mit erhöhtem Allergie­risiko oder mit Kindern, die an einem atopischen Ekzem leiden, sollten keine Katze neu ins Haus holen. Gehört aber schon eine zum Haushalt, muss sie nicht abgeschafft werden. Hunde sind grundsätzlich kein Problem. Verschiedene epidemiologische Studien lassen sogar auf einen protektiven Effekt gegen Allergien schließen, wenn Kinder in den ersten drei Jahren mit einem Hund aufwachsen.

Geimpfte Kinder haben weniger Allergien

Eine Immuntherapie kann zur Primärprävention von Sensibilisierungen bei Säuglingen mit Atopie­risiko nicht empfohlen werden. Auch zur Sekundärprävention bei sensibilisierten Kindern (Vermeidung von Neu-Sensibilisierungen und allergischen Symptomen) eignet sie sich nicht. Sinnvoll ist sie jedoch im Rahmen einer Tertiärprävention bei Kindern mit allergischer Rhinitis, um einem Asthma vorzubeugen.

Es gibt kein Signal dafür, dass Impfungen das Allergierisiko erhöhen können. Eher trifft wohl das Gegenteil zu: Kinder, die das volle STIKO-Programm durchlaufen haben, scheinen ein vermindertes Allergierisiko zu haben. Atopie-Risikokinder sollten ebenfalls alle Impfungen erhalten.

Der atopischen Dermatitis liegt eine Barrierestörung zugrunde. Frühes tägliches Eincremen von Risikokandidaten hat aber keinen präventiven Effekt gegen das Auftreten von Ekzemen gezeigt und wird derzeit nicht angeraten.

Thema Schadstoffe: Sowohl aktive als auch passive Rauchexposition von Schwangeren muss vermieden werden. Wenn die Mutter raucht, verdoppelt sich das Asthmarisiko des Kindes. Kommt noch eine positive Familienanamnese für Allergien dazu, verfünffacht es sich.

Quelle: 16. Deutscher Allergiekongress