Nebenniereninsuffizienz  Salzhunger und Schwindel: Wann Kortisonmangel lebensgefährlich wird

Autor: Dr. Andrea Wülker

Eine NNI tritt häufiger bei Menschen auf, die über mehr als vier Wochen mit Glukokortikoiden behandelt werden und diese dann absetzen. Eine NNI tritt häufiger bei Menschen auf, die über mehr als vier Wochen mit Glukokortikoiden behandelt werden und diese dann absetzen. © Yulia Furman - stock.adobe.com

Unspezifische Symptome wie Salzhunger oder Muskelschwäche können auf eine oft übersehene Nebenniereninsuffizienz hinweisen. Die aktuelle NICE-Leitlinie unterstützt Ärztinnen und Ärzte bei der Diagnose. 

Die Symptome einer Nebenniereninsuffizienz (NNI) sind unspezifisch und können auch bei vielen anderen Erkrankungen auftreten, schreiben Saoussen Ftouh, National Institute for Health and Care Excellence (NICE), London, und Mitarbeitende. Denken muss man an diese Erkrankung bei Personen mit unklarer Hyperpigmentierung, die entweder am ganzen Körper oder an bestimmten Stellen wie z. B. OP-Narben oder Mundschleimhaut auftritt. Auch wenn eines oder mehrere der folgenden Symptome bestehen, könnte eine NNI vorliegen:

  • Gewichtsverlust
  • Salzhunger
  • Übelkeit oder Erbrechen, Appetitlosigkeit, Durchfall
  • Schwindel oder Benommenheit im Stehen, Lethargie
  • Muskelschwäche
  • Hyponatriämie, Hyperkaliämie
  • Hypoglykämie (v. a. bei Kindern)

Häufige Ursachen einer NNI (Auswahl)

Primäre NNI

  • Autoimmunerkrankung, M. Addison
  • polyendokrines Autoimmunsyndrom
  • infektiöse Adrenalitis (Tuberkulose, HIV, Zytomegalievirus)
  • bilaterale Nebennieren-Metastasen
  • Medikamente (Antikoagulanzien, Phenobarbital, Phenytoin, Rifampicin etc.)
  • genetische Erkrankungen

Sekundäre NNI (hypophysäre Störungen)

  • Hypophysentumoren
  • Trauma, OP oder Bestrahlung der Hypophyse
  • Infektion oder Infiltration (z. B. Tuberkulose, Sarkoidose)

Tertiäre NNI

  • Hypothalamustumoren
  • Trauma, OP oder Bestrahlung im Bereich des Hypothalamus
  • Infektion oder Infiltration (z. B. Tuberkulose, Sarkoidose)
  • Cushing-Syndrom
  • Medikamente (Glukokortikoide, Mifepriston, Chlorpromazin, Imipramin)

Eine NNI tritt häufiger bei Menschen auf, die über mehr als vier Wochen mit Glukokortikoiden behandelt werden und diese dann absetzen. Weitere Risikofaktoren sind bestimmte Medikamente (z. B. Opioide, Checkpoint-Inhibitoren, Antimykotika oder antiretrovirale Mittel), Begleiterkrankungen wie primäre Hypothyreose, Typ-1-Diabetes oder das polyendokrine Autoimmunsyndrom sowie Tumoren der Hypophyse oder des Hypothalamus.

Eine NNI kann mit einem ACTH-Stimulationstest (Synacthen®-Test) oder einem Insulintoleranztest definitiv diagnostiziert werden. Diese Tests sind jedoch aufwendig und kostenintensiv. Zur initialen Diagnostik bei Verdacht auf NNI eignet sich auch die Bestimmung des Serum-Cortisols. Wegen der zirkadianen Schwankungen der Cortisolwerte empfiehlt die NICE-Guideline eine Blutabnahme zwischen 8:00 und 9:00 Uhr morgens. Für Personen ab 16 Jahren gilt Folgendes:

  • Ein Cortisolwert < 150 nmol/l kann darauf hinweisen, dass eine NNI vorliegt, und die oder der Betroffene sollte an einen Endokrinologen überwiesen werden. Bei akutem Unwohlsein (NNI-Krise) ist umgehend eine Notfallbehandlung einzuleiten.
  • Cortisol 150 bis 300 nmol/l: unsichere Wahrscheinlichkeit einer NNI, evtl. Test wiederholen oder Rat eines Endokrinologen einholen.
  • Cortisol > 300 nmol/l: eine NNI ist sehr unwahrscheinlich.

Rasch handeln bei drohender Krise!

Eine NNI-Krise ist durch einen Mangel an Cortisol bedingt und potenziell lebensbedrohlich. Sie muss notfallmäßig behandelt werden. Verdächtige Symptome sind Hyperpigmentierung, Hyponatriämie und Hypoglykämie sowie Kreislaufschock oder Kollaps.

Bei Menschen ab 16 Jahren besteht die Initialtherapie aus der Gabe von 100 mg Hydrocortison und 1 l 0,9%iger Kochsalzlösung über 30 Minuten i. v. Außerdem sollten Betroffene umgehend stationär eingewiesen werden.

Wichtigster Pfeiler der medikamentösen NNI-Therapie ist die Gabe von Glukokortikoiden in physiologischen Dosen. Für Personen ab 16 Jahren entspricht dies z. B. einer Tagesdosis von 15–25 mg Hydrocortison oder 3–5 mg Prednisolon; dies sollte auf mehrere Dosen aufgeteilt werden. Menschen mit einer sekundären oder tertiären NNI sollte eine Glukokortikoid-Monotherapie angeboten werden. Betroffene mit primärer NNI benötigen außer Glukokortikoiden manchmal zusätzlich Mineralokortikoide.

Körperlicher oder seelischer Stress, Infekte oder eine Operation können den Cortisolbedarf erhöhen. Daher ist bei Vorliegen einer NNI eine gute Patientenedukation erforderlich, damit die Betroffenen ihre Medikation bei Bedarf selbstständig anpassen können. Außerdem sollten alle NNI-Patientinnen und Patienten einen Notfallausweis und eine Notfallmedikation (Hydrocortison zur i.m. Injektion) erhalten und wissen, welche Symptome für eine drohende NNI-Krise sprechen (siehe Kasten).

Quelle: Ftouh S. et al. BMJ 2025; 389: r330; DOI: 10.1136/bmj.r330