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Sarkopenie geht mit erhöhter postoperativer Morbidität einher

Autor: Josef Gulden

Ob die Maximalkraft des Faustschlusses mit der anderer Muskelgruppen korreliert, ist nicht eindeutig bewiesen. Ob die Maximalkraft des Faustschlusses mit der anderer Muskelgruppen korreliert, ist nicht eindeutig bewiesen. © iStock/BanksPhotos
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Kollegen sollten die Muskelkraft und -masse ihrer Patienten vor einer Hepatektomie aufgrund eines gastrointestinalen Tumors messen. So liefern italienische Forscher in ihrer Studie Hinweise darauf, dass eine Sarkopenie das postoperative Ergebnis maßgeblich beeinflusst.

Tumoroperationen sollen so radikal wie nötig sein, auch, wenn das für Patienten häufig sehr belastend ist. Das gilt besonders für Resektionen der Leber. Studien zufolge liegen die Morbiditäts- und Mortalitätsraten zwischen 20 % und 50 %. Bekannte Risikofaktoren für eine schlechte Prognose nach einem solchen Eingriff sind Alter, Performancestatus, Komorbiditäten und Übergewicht. Nicht gesichert hingegen ist bisher die Rolle einer Sarkopenie, also den degenerativen Verlust von Muskelmasse, -stärke und -funktion. Bis zu drei Viertel aller Menschen, die sich aufgrund gastrointestinaler Tumoren operieren lassen müssen, sind davon betroffen.

Autoren verschiedener Publikationen haben bereits den Einfluss eines Muskelschwunds auf die onkologischen Ergebnisse nach chirurgischen Interventionen beschrieben. Die bisherigen Daten dazu stammen allerdings aus kleinen retrospektiven Studien und sind relativ heterogen. Dr. Gianmauro Berardi vom San Camillo Forlanini Hospital in Rom und Kollegen führten daher eine neue monozentrische Untersuchung durch. Sie schlossen prospektiv 234 Personen ein, die aufgrund von malignen Tumoren an der Leber – mit 64 großen und 170 kleineren Hepatektomien – operiert worden waren. Zwei Drittel der Teilnehmer waren Männer, das mediane Alter betrug 66,5 Jahre.

Kürzerer Klinikaufenthalt bei größerer Muskelkraft

Vor dem Eingriff bestimmten die Forscher die Muskelmasse anhand einer CT-Aufnahme als Skelettmuskel-Index (SMI). Weiterhin maßen sie die Kraft mit dem „Handgrip- Strength-Test“. Anschließend stratifizierten sie die Patienten entsprechend der Werte in vier Gruppen:

  • A: normale Muskelmasse und -kraft
  • B: verringerte Muskelkraft
  • C: verringerte Muskelmasse
  • D: verringerte Muskelkraft und -masse

Vor allem Personen in Gruppe D schnitten hinsichtlich des primären Studienendpunkts signifikant schlechter ab als die anderen Teilnehmer, schreiben die Autoren. So betrug die Rate der Morbidität nach 90 Tagen 51,5 %. In den anderen Gruppen waren es mit 38,7 % (C), 23,1 % (B) und 6,4 % (A) entsprechend weniger (p < 0,001). Betroffene mit verringerter Muskelkraft- und masse verblieben zudem länger stationär im Krankenhaus: 10 Tage vs. 8 Tage vs. 9 Tage vs. 6 Tage (p < 0,001). Weiterhin mussten mehr von den in beiden Messgrößen defizienten Patienten nach der Entlassung wieder aufgenommen werden (8,8 % vs. 5,3 % vs. 7,7 % vs. 0 %; p = 0,02). In einer multivariaten Analyse stellte sich die Sarkopenie neben einem präoperativen Pfortader-Hochdruck, einer Leberzirrhose und einer Gallengangs-Rekonstruktion bezüglich der 90-Tage-Morbidität als ein unabhängiger Risikofaktor heraus.

Das Fazit der Autoren: Ein Verlust an Muskelkraft und -masse beeinflusst den postoperativen Verlauf nach einer Hepatektomie, die aufgrund von gastrointestinalen Tumoren durchgeführt wurde. Um dieses prospektiv bedeutsame Symptom zu diagnostizieren, empfehlen sie sowohl Muskelmasse als auch -stärke zu bestimmen. Das könne dabei helfen, Patienten besser zu klassifizieren und das Risiko von Morbiditäten zu minimieren. Neben der besseren Vorhersage des postoperativen Verlaufs kann die Diagnose einer Sarkopenie dazu anspornen, andere negative präoperative Faktoren ggf. zu korrigieren.

Quelle: Berardi G et al. JAMA Surg 2020; DOI: 10.1001/jamasurg.2020.3336