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Autoimmungastritis Saures für die Magenschleimhaut

Autor: Dr. Andrea Wülker

Das Vitamin-B12-Defizit bei Autoimmungastritis kann nicht nur zu internistischen Problemen führen, sondern auch neurologische und psychiatrische Störungen hervorrufen. Das Vitamin-B12-Defizit bei Autoimmungastritis kann nicht nur zu internistischen Problemen führen, sondern auch neurologische und psychiatrische Störungen hervorrufen. © iStock/Minerva Studio
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Wenn das körpereigene Immunsystem die Magenschleimhaut attackiert, drohen gravierende Folgen: Das Spektrum reicht von Eisenmangel- und perniziöser Anämie über neuropsychiatrische Beschwerden bis hin zum Magenkarzinom. Da wegweisende Symptome fehlen, bleibt die Autoimmungastritis oft lange unerkannt.

Die Autoimmungastritis als chronische Entzündung der Magenschleimhaut im Bereich von Magenkorpus und -fundus führt zu einer Atrophie der oxyntischen Drüsen. Die Immunreaktion richtet sich gegen die säuresezernierenden Parietalzellen. Geschätzt wird eine Prävalenz in der Gesamtbevölkerung von 0,1–2 %, wobei Frauen und ältere Menschen bevorzugt betroffen sind, schreiben Prof. Dr. Marino Venerito und Kollegen vom Universitätsklinikum Magdeburg.

Zu den Folgen der Atrophie und des Funktionsverlusts der oxyntischen Magendrüsen gehören:

  • ein Mangel an Intrinsic Factor, wodurch ein Vitamin-B12-Defizit entsteht
  • eine Hypo- bis Achlorhydrie
  • eine reaktive erhöhte Gastrinausschüttung, da der negative Feedbackmechanismus der Säure ausbleibt
  • eine Hyperplasie enterochromaffin-ähnlicher Zellen (getriggert durch die Hypergastrinämie), die zudem neuroendokrine Tumoren des Magens begünstigen kann

Was genau die Autoimmungastritis auslöst, ist nicht abschließend geklärt. Diskutiert werden eine Infektion mit Helicobacter pylori, eine primäre Autoimmunität (bei bis zu 30 % der Patienten liegt eine Autoimmun-Schilddrüsenerkrankung vor) oder eine kombinierte Helicobacter-pylori-Autoimmunätiologie.

Wegweisende Symptome für eine Autoimmungastritis sind nicht bekannt. Oft wird die Erkrankung im Rahmen einer Anämieabklärung entdeckt. Zu den Laborwerten, die auf eine Autoimmungastritis hindeuten können, zählen ein Hämoglobinwert unterhalb der Altersnorm inklusive Erniedrigung oder Erhöhung des mittleren korpuskulären Volumens (MCV) im Rahmen einer Eisenmangelanämie oder einer megaloblastären (perniziösen) Anämie. Betroffene klagen außerdem oft über unspezifische Beschwerden wie Müdigkeit oder Reizbarkeit.

Anfangs können dyspeptische Beschwerden auftreten

Die Anämiesymptomatik korreliert dabei mit dem Eisen- oder Vitamin-B12-Mangel. Im frühen Stadium klagen manche Patienten auch über gastrointestinale Beschwerden (u.a. Dyspepsie).

Das Vitamin-B12-Defizit bei Autoimmungastritis kann nicht nur zu internistischen Problemen (Anämie, Glossitis) führen, sondern auch neurologische und psychiatrische Störungen hervorrufen (siehe Kasten). Daher empfehlen die Autoren, im Falle einer megaloblastären Anämie rasch mit der Substitution zu beginnen, um hämatologische und neuropsychiatrische Symptome zu lindern und potenziell irreversible Komplikationen zu vermeiden.

Neuropsychiatrische Folgen des Vitamin-B12-Mangels

Fehlt Cobalamin, kann das nicht nur zu einer Anämie, sondern auch zu neuropsychiatrischen Komplikationen führen. Ein häufiger Befund ist die Polyneuropathie mit symmetrischen Parästhesien, Taubheitsgefühl und Gangstörungen. Zu den psychiatrischen Folgen des Vitamin-B12-Defizits zählen Depression und Psychosen, die in 25 % der Fälle ohne Anzeichen einer Anämie und Polyneuropathie auftreten.

Diagnostischer Goldstandard bei Verdacht auf Autoimmungastritis ist eine Ösophagogastroduodenoskopie (ÖGD) mit Entnahme von fünf Biopsieproben nach standardisiertem Protokoll. Als typisch gelten z.B. eine blass wirkende Schleimhaut sowie eine intestinale Metaplasie, erkennbar u.a. über leicht knötchenförmige Bereiche mit gefurchten/tubulovillösen Schleimhautmus­tern oder feine blau-weiße Linien auf der Epitheloberfläche (Kamm-Zeichen). Patienten, bei denen erstmals eine megaloblastäre Anämie festgestellt wurde, sollten zeitnah endoskopiert werden, um eine Autoimmungastritis zu bestätigen und ein Magenkarzinom auszuschließen, betonen die Magdeburger Kollegen. Labordiagnostisch sind über einen Immunassay (ELISA) häufig Anti-Parietalzell-Antikörper und Anti-Intrinsic-Factor-Antikörper im Serum nachweisbar; dies kann die Diagnostik unterstützen.

Eine kausale Therapie fehlt bislang. Das Management besteht darin, hämatologische Komplikationen mit Vit­amin B12 oder/und Eisen zu behandeln bzw. zu verhindern.

Krebsrisiko ist verdreifacht

PPI sind in diesem Fall nicht indiziert. Zudem sollte Patienten mit Autoimmungastritis ein endoskopisches Überwachungsprogramm zur Magenkarzinom-Früherkennung angeboten werden, denn ihr Risiko ist dreifach erhöht. Hat der Patient eine H.-pylori-Infektion, kann eine Eradikation das Magenkarzinomrisiko senken. Darüber hinaus ist es sinnvoll, Patienten mit Autoimmungastritis auf autoimmune Schilddrüsenerkrankungen sowie ggf. Diabetes Typ 1 und Morbus Addison hin zu screenen.

Quelle: Venerito M et al. Dtsch Med Wochenschr 2022; 147: 451-459; DOI: 10.1055/a-1520-3562