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Sechs Mythen von Impfgegnern

Autor: Michael Brendler

Ein Stich ins Impfgegnerherz: Die meisten Argumente sind nicht mehr haltbar. Ein Stich ins Impfgegnerherz: Die meisten Argumente sind nicht mehr haltbar. © iStock/smartboy10
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So emotional wie das Impfen werden nur wenige medizinische Themen in der Gesellschaft diskutiert. Auf dem Nährboden von Ängsten und Ideologien gedeihen dabei einige Gerüchte. Welche davon lassen sich wissenschaftlich belegen?

Kinderlähmung ist eines der bes­ten Beispiele dafür, wie Erfolg zu Misstrauen führen kann. In gut gegen Polio geimpften Bevölkerungsgruppen ist die Krankheit vollständig verschwunden. Die wenigen übrigen Fälle werden durch den Impfstoff selbst verursacht, sogenannte vakzinassoziierte paralytische Poliomyelitis.

Wer die Kinderlähmung nicht mehr kennt und nur diese Nebenwirkungen sieht, misstraut natürlich der Impfung. Sich als Antwort darauf aber gar nicht mehr zu schützen, kann keineswegs die Konsequenz sein, schreiben Professor Dr. Markus­ Knuf­ und Professor Dr. Fred­ Zepp­ von der Pädiatrischen Infektiologie und vom Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin der Universitätsmedizin Mainz. Zumal eine Alternative zu der oralen Polio­vakzine existiert.

Der inzwischen eingeführte Tot­impfstoff verursacht diese Probleme nämlich nicht. Trotzdem greifen Impfgegner die beschriebene Komplikation gern auf, um Stimmung gegen andere Lebendimpfstoffe zu machen. Für die beiden Wissenschaftler ein klassisches Beispiel von Impfmythos Nummer 1: His­torische Daten werden tradiert, Risiken und Nebenwirkungen fehlinterpretiert.

Neue Impfstoffe werden an über 100 000 Personen geprüft

Daran schließt sich direkt Mythos Nummer 2 an, wonach Impfungen schlecht vertragen werden. Eindrucksvoll hartnäckig hält sich z.B. der vermeintliche Zusammenhang zwischen der Masern-Mumps-Rötel-Impfung und Autismus – obwohl keinerlei qualifizierte Studien vorliegen, die diese Behauptung belegen. Im Gegenteil, solche hypothetischen Zusammenhänge wurden laut den Autoren vielfach widerlegt.

Natürlich kommen Nebenwirkungen vor, die auch von den Herstellern oder unabhängigen Instituten registriert werden. Vergleichsweise häufig treten etwa Fieber (ca. 5 %) und Lokalreaktionen (bis zu 10 %) auf. Umgekehrt heißt das aber auch, dass 90 % der Geimpften keine Komplikationen entwickeln, unterstreichen die Autoren.

Auch Impfmythos 3 – Impf­risiken und Nebenwirkungen seien kaum bekannt – könne so nicht gelten. Zulassungsstudien seien angesichts ihrer beschränkten Größe mit wenigen 1000 Probanden zwar nicht immer in der Lage, sämtliche unerwünschten Effekte aufzuspüren. Exemplarisch zeigte sich das beispielsweise in Skandinavien, als es nach Schweinegrippeimpfung zu einigen Narkolepsiefällen kam. Doch gerade die in den letzten Jahren zugelassenen Stoffe mit Adjuvanzien wurden in Studien mit mehr als 100 000 Teilnehmern geprüft. Nebenwirkungen sind also sehr wohl gut bekannt.

Kein Kausalzusammenhang mit Autoimmunität belegt

Ähnliches gilt für Mythos Nummer 4, der Schutz begünstige Auto­immunerkrankungen. Prinzipiell sei das durchaus möglich. Doch genau wie beim scheinbaren „Impfen führt zu Autismus“-Zusammenhang exis­tiert keine Evidenz, die einen kausalen Zusammenhang zuverlässig belegt, schreiben die Kollegen.

Als Impfmythos Nummer 5 bezeichnen sie die verbreitete Sorge, Kombinationsimpfstoffe könnten eine zu große Belastung für das Immunsystem darstellen. Moderne Vakzine sind jedoch hochgereinigt und auf wenige, immunologisch wichtige antigene Strukturen reduziert. So enthält die neue Meningokokken-Typ-B-Vakzine lediglich zwei bis vier Komponenten. Gleichzeitig haben Simulationen ergeben, dass – sogar wenn ein Kind elf Impfungen auf einmal erhält – damit nur circa 0,1 % des Immunsystems „zu tun” hätte.

Und was ist mit der Annahme, eine echte Krankheit verleiht eine bessere Immunprotektion als eine Impfung? Auf diesen Mythos Nummer 6 entgegnen die Experten, dass eine Wildinfektion zwar zu höheren Antikörperspiegeln und einer quantitativ besseren Immunantwort führen könne. „Die klinische Bedeutung davon ist jedoch unklar.“ Einige Infektionskrankheiten haben einen vorübergehenden immunsupprimierenden Effekt, zum Beispiel machen Masern kleine Kinder zeitweise anfälliger für andere Infektionen. Eine Masernimpfung dagegen scheint das Immunsystem der Kleinen zu stabilisieren. Es könne also keine Rede davon sein, dass eine „echte“ Erkrankung sicherer sei.

Quelle: Knuf M, Zepp F. Ärztebl Rheinl-Pfalz 2019; 10: 16-19