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Sequenzierpanels: „Eine Musteruntersuchung für komplexe Biomarker“

Autor: Dr. Moyo Grebbin

Sequenzierpanels zur TMB-Messung sind kommerziell erhältlich, doch wie gut sind sie? Sequenzierpanels zur TMB-Messung sind kommerziell erhältlich, doch wie gut sind sie? © Connect world – stock.adobe.com
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Die Messung der Mutationslast könnte künftig die Vorhersage für das Ansprechen von Checkpointinhibitoren verbessern. Ein Konsortium um Professor Dr. Albrecht Stenzinger und Dr. Daniel Kazdal vom Uniklinikum Heidelberg hat die Methode dafür auf ihre Alltagstauglichkeit getestet.

Sie haben die Leistung von sechs Sequenzierpanels zur Bestimmung der Tumormutationslast verglichen.1 Warum ist das für Onkologen inte­ressant?

Professor Dr. Albrecht ­Stenzinger: Es ist relevant für den Einsatz von Checkpoint­inhibitoren. Diese Medikamente sind zwar hochwirksam, doch nur ein kleiner Teil der Betroffenen spricht darauf an. Die Ärzte sind daher auf gute prädiktive Biomarker angewiesen.

Bisher gibt es zwei etablierte solche Biomarker: Den Nachweis der Expression von PD-L1 und die Mikrosatelliten-Instabilität (MSI). Ein dritter möglicher Prädiktor ist außerdem die Tumormutationslast (TMB). Wie bei der MSI ist die Idee auch hier, dass die Menge an Mutationen im Tumor die Menge der Neo­antigene bestimmt, und damit die Responsivität des Immunsystems.

An dieser Stelle muss man einschränken, dass wir in dem Kontext zwar eine Menge retrospektiver Evidenz haben, es bisher aber keine prospektiven Studien gibt, die diesen Nutzen belegen.

In klinischen Studien werden dazu meist Whole-Exome-Sequenzierungen gemacht. Warum nicht auch in der Routinediagnostik?

Prof. Stenzinger: Im Alltag müssen wir zwei Hauptaspekte berücksichtigen: Zum einen ist die Menge des klinischen Materials oft limitiert. Der andere Punkt ist, dass viele Gewebeproben nur als FFPE*-Material vorliegen. Dadurch leidet die Qualität der DNA. Ein dritter Aspekt ist, dass in Biopsiematerial der Tumoranteil sehr variabel ist. Die Kombination dieser Faktoren macht den Einsatz von Exom-Sequenzierungen schwierig. Auch ist die Auswertung der Daten zu zeitintensiv.

Dr. Daniel Kazdal: Es ist auch eine Frage der Sequenzier-Leistungs­fähigkeit. Nicht mit jedem Gerät ist das möglich, und mit einer gegebenen Kapazität können Sie deutlich weniger Exome sequenzieren als ­Panels. Ein weiterer Punkt ist die Frage von Keimbahnmutationen. Beim Whole-Exome-Sequencing (WES) wird eine Normalgewebeprobe als Referenz benötigt, um diese identifizieren zu können. Das raubt zusätzlich Kosten und Ressourcen. Wäre WES die einzige Option, könnten folglich weniger Patienten eine TMB-Analyse erhalten.

Wenn mithilfe der Panels auch kleine Proben sequenziert werden können, sind diese noch repräsentativ genug für den gesamten Tumor?

Dr. Kazdal: Genau diese Frage haben wir in einer anderen Studie untersucht.2 Da ging es darum, wie hoch die Übereinstimmung zwischen den TMB-Werten ist, wenn wir verschiedene Regionen desselben Tumors sequenzieren. In 17 % der Fälle gab es starke Schwankungen. Die intratumorale Heterogenität ist also tatsächlich eine wichtige Einflussgröße bei der TMB-Bestimmung.

Was war das Ziel der Vergleiche in der aktuellen Studie?

Prof. Stenzinger: Wir haben uns zwei große Bereiche angeschaut: Zum einen, wie die Performance der angebotenen Tests unter Real­welt-Bedingungen ist, das wusste man bisher nicht. Zweitens die Übereinstimmung der Daten, die mit den unterschiedlichen Panels generiert wurden. Ein weiterer Aspekt ist die Frage, inwiefern diese vergleichbar sind mit WES-Analysen.

Wie sind Sie dazu vorgegangen?

Dr. Kazdal: Wir haben uns 20 verschiedene Tumoren angesehen (FFPE-Material), von denen schon Whole-Exome-Daten vorlagen. Diese haben wir mit sechs verschiedenen Genpanels an jeweils fünf Zentren analysiert und verglichen. Um abzuschätzen, ob die TMB-Werte in einer Probe hoch oder niedrig waren, haben wir u.a. Schwellenwerte herausgearbeitet, indem wir bekannte Cutpoints des WES, absolute Zahlen, umgerechnet haben in Mutationen pro Megabase.

Was waren die Ergebnisse?

Dr. Kazdal: Im Prinzip haben wir festgestellt, dass sich alle Tests dazu eignen, die TMB zu bestimmen. Die Korrelationen zwischen den Tests und den Proben waren an sich sehr gut. Es gab einige Ausnahmen, doch das war eher eine Frage des Gewebe­materials. Zwei Proben hatten eine geringere DNA-Qualität, da waren größere Schwankungen natürlich zu erwarten. Ein anderes Beispiel war eine Probe mit sehr geringem Tumorzellgehalt.

Prof. Stenzinger: Diese Proben haben wir absichtlich nicht ausgeschlossen, denn wir wollten ja herausfinden, was so ein Assay tatsächlich im Stande ist zu leisten.
Ein anderer wichtiger technischer Punkt sind auch Sequenzierartefakte, die durch die Fixierung hervorgerufen werden. Das ist relevant, weil es sehr viele sein können. Diese Artefakte herauszufiltern war auch eine Aufgabe der Panel.

Wie darf sich ein Onkologe das Endergebnis eines solchen Tests vorstellen? Gibt es schon Emfehlungen, ab welcher Mutationslast eine Immuntherapie Erfolg verspricht?

Prof. Stenzinger: Nein, noch ist das ein offenes Feld, weil prospektive Studiendaten fehlen. Wir haben die Analysen deshalb auch nur in einem registerbasierten Umfeld eingesetzt: An der Uniklinik und am NCT verwenden wir sie nur als eine zusätzliche Information. Sie werden auch ausschließlich im Rahmen von ­Studien und studien­ähnlichen Konstellationen generiert.

Bei einer großen Lungenkarzinomstudie, der CheckMate-227, haben die Autoren beispielsweise einen Cutpoint von 10 Mutationen pro Megabase gewählt, der in retrospektiven Vorstudien erfolgversprechend aussah. Prospektiv hat sich der Wert nicht bestätigt.

Es gibt eine ganze Reihe weiterer Untersuchungen zu dem Thema, wir haben etwa zusammen mit Professor Dr. Alwin ­Krämer die Phase-2-Studie CheCUP initiiert, in der dieser Biomarker untersucht wird. Man kann für die klinischen Kollegen aber noch keine seriösen Schwellenwerte nennen. Und auch wenn sie etabliert ist, wird die TMB-Messung aus unserer Sicht nur ein Baustein in der Bewertung des Therapieansprechens sein.

Sollten Ärzte also die Ergebnisse dieser Studien abwarten, bevor sie Sequenzierpanel zur Therapie­entscheidung heranziehen?

Prof. Stenzinger: Ja, unbedingt! Die TMB muss sich als prädiktiver Biomarker am klinischen Nutzen orientieren. Doch sie ist ein sehr interessanter Biomarker: Unseres Erachtens werden solche komplexen prädiktiven Marker in Zukunft von großer Bedeutung sein; insofern sehen wir die Bemühungen, die wir in unserem Paper zeigen, auch als eine Art vorläufige Musteruntersuchung. Der Untersuchungsansatz soll dazu beitragen zu verstehen, was diese Analysen im Alltag leisten können.

Medical-Tribune-Interview

* Formalin-fixiert und in Paraffin eingebettet

Quellen:
1. Stenzinger A et al. J Thorac Oncol. 2020; pii: S1556-0864(20)30135-0; DOI: 10.1016/j.jtho.2020.01.023
2. Kazdal D et al. J Thorac Oncol. 2019; 14(11): 1935-1947; DOI: 10.1016/j.jtho.2019.07.006

Prof. Dr. Albrecht Stenzinger; Leiter des Molekularpahologischen Zentrums, Universitätspathologie Heidelberg Prof. Dr. Albrecht Stenzinger; Leiter des Molekularpahologischen Zentrums, Universitätspathologie Heidelberg © zVg
Dr. Daniel Kazdal; Wissenschaftler am Molekularpathologischen Zentrum, Universitätspathologie Heidelberg Dr. Daniel Kazdal; Wissenschaftler am Molekularpathologischen Zentrum, Universitätspathologie Heidelberg © zVg