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SGLT2-Inhibitoren Sollten Leitlinien angepasst werden, um mehr Menschen vor Nierenversagen zu schützen?

Autor: Dr. Judith Lorenz

Um die Nieren zu schützen, sollten SGLT2-Inhibitoren strategisch eingesetzt werden.
Um die Nieren zu schützen, sollten SGLT2-Inhibitoren strategisch eingesetzt werden. © SewcreamStudio – stock.adobe.com
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Wirkstoffe, die den renalen natriumabhängigen Glukosetransporter SGLT2 hemmen, bremsen das Voran­schreiten einer Nierenfunktionsstörung und schützen vor einem akuten Nierenversagen. Dabei spielt es offenbar keine Rolle, ob begleitend ein Diabetes mellitus vorliegt oder nicht.

Große Studien belegen, dass SGLT2-Inhibitoren (SGLT2i) Menschen mit Typ-2-Diabetes und hohem Risiko für atherosklerotische Herzkreislauferkrankungen, Herzinsuffizienz und chronischer Niereninsuffizienz vor kardiovaskulären und renalen Komplikationen schützen. Auch bei einer Herzinsuffizienz oder einer chronischen Nierenfunktionseinschränkung hat diese Wirkstoffklasse entsprechende Vorteile, berichtet Professor Dr. William Herrington von der Universität Oxford. 

Da die Mehrzahl der Patient*innen mit chronischer Niereninsuffizienz allerdings nicht parallel einen Diabetes hat, stellt sich die Frage, ob Menschen mit und ohne Diabetes möglicherweise unterschiedlich stark von SGLT2i profitieren. Eine internationale Forschungsinitiative beschäftigte sich mit dieser Thematik im Rahmen einer umfangreichen Metaanalyse von Studiendaten.

Die Wissenschaftler*innen werteten insgesamt 13 große Doppelblindstudien aus, welche SGLT2i gegen Placebo getestet hatten. Die Endpunkte umfassten unter anderem die Progression einer Nierenfunktionsstörung, das akute Nierenversagen sowie die Kombination aus kardiovaskulärem Tod oder stationär behandlungsbedürftiger Herzinsuffizienz. 

Ergebnisdefinitionen wurden standardisiert

Dabei legten die Forschenden Wert auf eine Standardisierung der Ergebnisdefinitionen: Von einer Progression der Niereninsuffizienz gingen sie aus, wenn die geschätzte glomeruläre Filtrationsrate (eGFR) seit der Randomisierung anhaltend um mindestens 50 % abnahm, eine terminale Niereninsuffizienz eintrat (Dauer-Dialysebehandlung, Nierentransplantation), anhaltend eine niedrige eGFR dokumentiert wurde (< 15 bzw. < 10 ml/min pro 1,73 m2) oder wenn eine Person in Folge eines Nierenversagens verstarb. 

Das Metaanalysekollektiv umfasste  insgesamt 90.409 Personen: 74.804 (82,7 %) hatten einen Diabetes – in mehr als 99 % der Fälle handelte es sich um einen Typ-2-Diabetes – und 15.605 (17,3 %) wiesen keine Blutzuckerstoffwechselstörung auf. Die durchschnittliche eGFR bei Studien-einschluss variierte zwischen 37 und 85 ml/min pro 1,73 m2. 

SGLT2i schützen Menschen mit und ohne Diabetes

Die Behandlung mit einem SGLT2i reduzierte im Vergleich zu Placebo das Risiko für eine Progression der Nierenfunktionseinschränkung um 37 %, wobei Menschen mit und ohne Diabetes diesbezüglich ähnlich stark profitierten

Der Nutzen der SGLT2i bei Personen mit chronischer Niereninsuffizienz hing dabei nicht von der Ursache der renalen Funktionsstörung ab. Auch das Risiko für ein akutes Nierenversagen sank bei den mit SGLT2i behandelten Personen gegenüber den Kontrollen signifikant um 23 %. Die gleiche Risikoreduktion ergab sich für den Endpunkt „kardiovaskulärer Tod oder stationär behandlungsbedürftige Herzinsuffizienz“. In beiden Fällen profitierten Menschen mit und ohne Diabetes wiederum gleichermaßen von der Therapie. Die SGLT2i schützten beide Gruppen signifikant vor einem kardiovaskulär bedingten Tod, nicht jedoch vor einem nicht kardiovaskulär bedingten Versterben. Die durch SGLT2i hervorgerufenen Behandlungsvorteile waren im Wesentlichen unabhängig von der Basis-Nierenfunktion. 

SGLT2i: Wie hoch ist das Amputationsrisiko wirklich?

Nachdem es in zwei Studien unter Behandlung mit dem SGLT2i Canagliflozin zu einer Häufung von Amputationen an den unteren Extremitäten gekommen war, hatte die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) 2017 die gesamte Substanzklasse mit einem Warnhinweis versehen. Die hier besprochene Metaanalyse umfasste allerdings nur eine Studie, die eine Verdoppelung des Amputations-risikos verzeichnete. In den anderen zwölf eingeschlossenen Studien war das Amputationsrisiko hingegen nicht signifikant erhöht.

Der absolute Nutzen der SGLT2i wiegt nach Einschätzung der Forschenden das Risiko für eine Ketoazidose oder Extremitätenamputationen auf (s. obigen Kasten). 

Behandlung unabhängig vom Diabetesstatus befürwortet

Angesichts der Ergebnisse ihrer Metaanalyse befürworten sie eine Anpassung der Leitlinien: Nicht nur Menschen mit Typ-2-Diabetes und hohem kardiovaskulärem Risiko, sondern auch Menschen mit chronischer Nieren- bzw. Herzinsuffizienz sollten – unabhängig vom Diabetesstatus, der renalen Primärdiagnose und dem Grad der Nierenfunktionsstörung – strategisch mit SGLT2i behandelt werden, um das Risiko einer Progession der Niereninsuffizienz zu senken und einem akuten Nierenversagen vorzubeugen.

Literatur:
Nuffield Department of Population Health Renal Studies Group; SGLT2 inhibitor Meta-Analysis Cardio-Renal Trialists‘ Consortium. Lancet 2022; 400 (10365): 1788-1801; DOI: 10.1016/S0140-6736(22)02074-8