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Supplementation von Vitamin D hat null Einfluss auf die Herzgesundheit

Autor: Manuela Arand

Je nach Breitengrad und Jahreszeit haben bis zu 60 % der Bevölkerung einen Vitamin-D-Mangel. Je nach Breitengrad und Jahreszeit haben bis zu 60 % der Bevölkerung einen Vitamin-D-Mangel. © iStock/NatchaS
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Seine Fans trauen Vitamin D alle möglichen Wunder zu. Von einem müssen sie sich wohl verabschieden: dem Herzschutz. Trotzdem substituiert es ein Kollege bei einem Mangel.

Die Hoffnung auf einen kardioprotektiven Effekt ist keineswegs absurd, sondern stützt sich auf reale Hintergründe. Vitamin D ist weniger Vitamin als Hormon, erklärte Professor Dr. Wilhelm­ Krone­ von der Poliklinik für Endokrinologie, Diabetologie und Präventivmedizin an der Uniklinik Köln. Zum einen stellt der Körper das meiste davon selbst her, nur 20 % stammen aus der Nahrung. Den Bedarf über die Ernährung decken zu wollen, ist also illusorisch. Zum anderen reguliert Vitamin D eine Unzahl von Gentranskriptionen und Körperfunktionen. Warum also nicht auch solche, die kardioprotektive Funktionen vermitteln?

Epidemiologische Studien legen einen solchen Zusammenhang nahe, berichtete der Endokrinologe. Vor Kurzem erschien eine Metaanalyse von acht europäischen Studien mit knapp 30 000 Teilnehmern. Der zufolge steigen Gesamt- und kardio­vaskuläre Mortalität bei jenen Individuen steil an, die einen Vitamin-D-Mangel, also Serumspiegel unter 20 ng/l, haben. Eine Studie mit Diabetikern (n = 800) kam zu ähnlichen Resultaten.

Eine Assoziation bestätigt noch keine Kausalität

Also nichts wie ran an die Vitamintabletten? Gemach. Die geschilderte Assoziation ist eine Assoziation, nichts weiter. Ein Kausalzusammenhang ist damit nicht bewiesen. „Vielleicht sind die mit den niedrigen Spiegeln sehr kranke Patienten, die das Haus nicht mehr verlassen können, und die mit den hohen Spiegeln passionierte Golfer, die dreimal pro Woche 18 Löcher spielen“, gab Prof. Krone zu bedenken.

Handfeste Evidenz können nur prospektive kontrollierte Interventionsstudien bringen, und davon gibt es bislang nur eine einzige. Darin bekamen rund 2500 Herzgesunde zwischen 50 und 84 Jahren erst eine Aufsättigungsdosis von 200 000 IE Vitamin D per os und anschließend wöchentlich 100 000 IE. Die 2500 Individuen starke Kontrollgruppe erhielt Placebo. Das Follow-up lief über 3,3 Jahre, definierter Studien­endpunkt war die Kombination aus koronarer Herzkrankheit und Tod.

Um es kurz zu machen: Der Vitamin-D-Effekt war gleich Null. Die Ereignisraten fielen mit 11,5 % und 11,8 % praktisch identisch aus. Dies lag nicht etwa daran, dass Vitamin D nicht resorbiert wurde – das kann passieren, wenn es nicht zusammen mit einer Mahlzeit genommen wird. Spiegelmessungen ergaben für die Substitutions- im Vergleich zur Kontrollgruppe einen um etwa 30 ng/l höheren Spiegel. Selbst die Subgruppe mit manifestem Vitamin-D-Mangel, die rund 25 % der Gesamtpopulation ausmachte, hatte nicht profitiert, jedenfalls nicht in kardio­vaskulärer Hinsicht. Gibt es denn ein anderes Vitamin, das die kardiovaskuläre Morbidität und Mortalität senkt, fragte ein Kollege. Prof. Krones Antwort: „Ich kenne keins.“

Gefühlte 80 % weisen zu niedrige Spiegel auf

So enttäuschend die Resultate sein mögen – Vitamin D behält seinen Stellenwert im Knochenschutz. Auf eine adäquate Versorgung sollte man achten, und die ist in Deutschland vielfach nicht gewährleistet. Je nach Breitengrad und Jahreszeit haben bis zu 60 % der Bevölkerung einen Vitamin-D-Mangel. Prof. Krone misst bei allen seinen Patienten routinemäßig den Spiegel und rät den „gefühlt 80 % mit Vitamin-D-Mangel“ zur Substitution. Er selbst, inzwischen jenseits des 70. Geburtstags angelangt, schluckt es übrigens auch: „Ich will mir ja nicht auf der Skipiste die Knochen brechen.“