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TAVI kommt womöglich auch für Niedrigrisiko-Patienten infrage

Autor: Dr. Alexandra Bischoff/Dr. Sascha Bock

Viele Patienten mit hochgradiger Aortenstenose haben ein niedriges OP-Risiko. Viele Patienten mit hochgradiger Aortenstenose haben ein niedriges OP-Risiko. © wikimedia/CDC, Dr. Edwin P. Ewing, Jr
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Wer eine neue Aortenklappe benötigt, kommt meist unters Messer – es sei denn, das perioperative Risiko ist zu hoch. Das könnte sich bald ändern: Die minimalinvasive TAVI erzielte bei Niedrigrisiko-Patienten mindestens genauso gute Ergebnisse wie der offene Eingriff.

Eine Transkatheter-Aortenklappenimplantation (TAVI) bleibt derzeit Patienten mit intermediärem und hohem OP-Risiko vorbehalten. Allerdings trägt der Großteil der von einer hochgradigen Aortenstenose Betroffenen ein niedriges Risiko. Ihre Wahrscheinlichkeit, in den ersten 30 Tagen nach einem chirurgischen Klappenersatz zu sterben, liegt je nach Definition unter 3 % bzw. unter 4 %. Ob die TAVI in diesem Fall mit der klassischen Methode mithalten kann, haben die Studien PARTNER 3 und Evolut untersucht.

An den in mehreren Ländern durchgeführten Untersuchungen nahmen 1000 bzw. 1468 Patienten mit schwerer Aortenstenose und niedrigem OP-Risiko teil. Randomisiert unterzogen sie sich entweder einem konventionellen Eingriff oder erhielten eine Prothese via Katheter. PARTNER 3 nutzte die ballonexpandierende SAPIEN-3-Prothese, Evolut ein selbstexpandierendes Pendant (CoreValve, Evolut R oder Evolut PRO).

Entlassung bereits nach drei statt nach sieben Tagen

Erstgenannte Untersuchung ergab nicht nur eine Nichtunterlegenheit, vielmehr war die TAVI der offenen OP im kombinierten primären Endpunkt (Tod, Schlaganfall und Rehospitalisierung nach einem Jahr) signifikant überlegen (8,5 % vs. 15,1 %). Zudem konnten die im Mittel 73-jährigen Patienten bereits nach drei statt nach sieben Tagen entlassen werden. Bezüglich schwerer vaskulärer Komplikationen, einer Herzschrittmacher-Neuimplantation oder einer mäßigen bis schweren paravalvulären Regurgitation gab es keine signifikanten Unterschiede.

„Wir haben jetzt eine minimalinvasive Prozedur, die genauso gut oder besser ist als die Operation“, so Professor Dr. Michael J. Reardon vom Houston Methodist Hospital und Mitautor der Evolut-Studie. In dieser Untersuchung zeigte sich immerhin eine Nichtunterlegenheit. Die geschätzte Zwei-Jahres-Inzidenz des primären Endpunktes (Tod oder Schlaganfall mit Funktionseinschränkung) lag nach TAVI bei 5,3 %, nach chirurgischem Klappenersatz bei 6,7 %.

In den ersten 30 Tagen nach dem Kathetereingriff kam es im Vergleich u.a. zu weniger Blutungskomplikationen und Vorhofflimmern. Die TAVI-Patienten verließen nach 2,6 statt nach 6,2 Tagen die Klinik. Ähnlich wie in früheren Studien folgte auf die minimal-invasive Versorgung häufiger eine Schrittmacherimplantation und es wurden öfter moderate bis schwere paravalvuläre Lecks festgestellt.

Bewegt sich etwas in den Leitlinien?

Schaut man sich die sekundären Endpunkte wie Lebensqualität und Funktionsverbesserung an, scheint die TAVI laut Prof. Reardon die Nase vorn zu haben. „Angesichts dieser Daten könnten die Leitlinienautoren durchaus erwägen, die Intervention bei Niedrigrisiko-Patienten auf die gleiche Empfehlungsstufe zu stellen wie die OP.“

Herzchirurgen wollen weg vom reinen Risikoprofil

Als wenig überraschend bezeichnen die herzchirurgischen Fachgesellschaften DGTHG* und SGHC** die insgesamt guten Ergebnisse sowohl nach TAVI als auch nach chirurgischem Klappenersatz. Schließlich schlossen Evolut und PARTNER 3 Niedrigrisiko-Patienten ein, heißt es in einer gemeinsamen Pressemitteilung. Den Experten fehlen aber längerfristige Daten über das ein- bis zweijährige Follow-up hinaus. Nichtsdestotrotz würden die beiden Untersuchungen den Weg bereiten hin zu einer individualisierten Therapie. Die Wahl zwischen OP oder TAVI richtet sich künftig wohl eher nach den spezifischen Vor- und Nachteilen der Verfahren als nach dem reinen Risikoprofil. So gelte es herauszufinden, was für einen bestimmten Patienten besser ist: lange Haltbarkeit der Klappe oder ein evtl. niedrigeres prozedurales Risiko samt höherer Rate an Schrittmacherimplantationen. 

Dr. Sascha Bock

* Deutsche Gesellschaft für Thorax-, Herz- und Gefäßchirurgie
** Schweizerische Gesellschaft für Herz- und thorakale Gefäßchirurgie

Quelle: ACC‘s* 68th Annual Scientic Session

* American College of Cardiology