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Roboter in der Viszeralchirurgie Trend mit großen Erwartungen

Autor: Stefanie Menzel

Die Arme des Roboters werden vom Chirurgen gesteuert und setzen seine Bewegungen exakt um. Die Arme des Roboters werden vom Chirurgen gesteuert und setzen seine Bewegungen exakt um. © Science Photo Library/Goetgheluck, Pascal
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Roboterassistierte Eingriffe sind auch in der ­Viszeralchirurgie stark im Kommen. Doch was können die neuen Techniken und wo haben sie ihre Grenzen? Eine ­Bestandsaufnahme.

Seit 2016 haben sich die Fallzahlen der Viszeralchirurgie mittels Robotik hierzulande verfünffacht. Das Einsatzspektrum bei Operationen im Bauchraum ist deutlich größer als beispielsweise in der Urologie. Am häufigsten kommt die roboterassistierte Chirurgie (RAC) bei Eingriffen am Kolon und Rektum zur Anwendung. 

Kein Unterschied hinsichtlich Morbidität und Mortalität

Dänische Registerdaten zur Hemikolektomie ergaben keine signifikanten Unterschiede im klinischen Outcome zwischen RAC und der herkömmlichen minimal-invasiven Chirurgie (MIC). Lediglich hinsichtlich der Lymphknotenausbeute schnitt die RAC signifikant besser ab. Bei Rektumresektionen wurden auf Basis desselben Registers vier Vorgehensweisen miteinander verglichen: Die RAC erbrachte im Vergleich zum laparoskopischen und dem offenen Vorgehen die niedrigste Rate an R1/R2-Resektionen. In puncto Sphinktererhalt und Konversionsrate schnitt der trans­anale Zugang am günstigsten ab. Hinsichtlich Morbidität, Mortalität und Komplikationsraten unterschieden sich die Verfahren nicht. In einer US-amerikanischen Studie hat man anhand der OP-Kapazität die Kosten von RAC und MIC bei der Hemikolektomie miteinander verglichen. Die Autoren kommen zu dem Schluss, dass im gleichen Zeitraum 31 robotergestützte oder 45 laparoskopische Eingriffe durchgeführt werden können.

Zur Roboterassistenz bei Rekto­pexie und Proktokolektomie mit Pouchanlage liegen bislang zwar noch keine belastbaren Studienergebnisse vor, so Professor Dr. ­Jörg Kalff­ vom Universitätsklinikum Bonn. Jedoch sehe er für die roboter­assistierte Rektumchirurgie aufgrund des engen OP-Felds eine große Zukunft.

Bei der Ösophagektomie scheinen minimal-invasive Techniken generell Vorteile gegenüber einem rein offenen Vorgehen zu bieten, die sich vor allem in signifikant geringeren peri- und postoperativen Komplikationsraten (z.B. Pneumomien, Anastomoseinsuffizienz) zeigen, so Professor Dr. Beat­ Müller­ vom Heidelberger Universitätsklinikum. Die „Minimalisierung“ mache die Eingriffe sicherer. Inwieweit RAC zukünftig die klinischen Ergebnisse weiter verbessern könne, sei unklar. Er rechnet jedoch mit einer Steigerung von Sicherheit und Radikalität. Denn die RAC biete eine bessere Aufsicht und dem Operateur sehr akkurate Dissektions- und Nahtmöglichkeiten. Daten zum onkologischen Outcome gelte es noch abzuwarten.

Das Pankreas wird nur selten minimal-invasiv operiert. Die Dauer einer offenen OP beträgt knapp sechs Stunden. Postoperativ bleiben Patienten rund 16 Tage im Krankenhaus. Das Komplikationsrisiko (z.B. Fisteln, Blutungen, Reoperationen) ist sehr hoch, die Mortalitätsrate liegt deutschlandweit bei etwa 10 %. Der aktuellen Studienlage zufolge bietet die RAC klinisch keine klaren Vorteile, führt aber zu deutlich verlängerten OP-Zeiten und zu hohen Kosten. 

Für den Chirurgen bieten sich wiederum handwerkliche Vorteile: Der Roboter ermöglicht es, in den beengten Verhältnissen am Pankreas­kopf sehr fein zu nähen. Zudem ist die Sitzposition angenehm und weniger ermüdend als die häufig verkrampfte Haltung während eines laparoskopischen Eingriffs, berichtete Professor Dr. Dirk­ Bausch­ vom Marien Hospital Herne. 

Bei ausreichender Erfahrung ist die RAC gut und sicher

Aufgrund der langen Lernkurve sollte die RAC aber Pankreaszentren mit hohem Patientenaufkommen vorbehalten bleiben, so der Experte weiter. Dort seien die Eingriffe gut und sicher durchführbar.

Hernien spielen in der RAC eher eine untergeordnete Rolle. Laparoskopische Verfahren sind auf hohem Niveau etabliert, eine einseitige Leistenhernien-OP dauert etwa 49 Minuten bei einer Komplikationsrate von < 1 % (v.a. Nachblutungen). Der Trend gehe zudem zum ambulanten Setting, fasst Professor Dr. Dirk ­Weyhe vom Pius Hospital Oldenburg die Situation zusammen. Die RAC sei der aktuellen Studienlage nach bei Leisten- und Narbenhernien als gleichwertig zur Laparoskopie zu sehen, auch bei den Komplikationsraten gebe es kaum Unterschiede. Anders ist es mit Hiatushernien: Einer großen retrospektiven Studie zufolge kam es hier im Rahmen der RAC zu wesentlich mehr Komplikationen als bei der Laparoskopie, darunter auch Ösophagusperforationen, die aus der laparoskopischen Versorgung unbekannt sind. In allen Fällen bleiben deutlich höhere Kosten und eine bis zu doppelt so lange OP-Dauer. Aus Sicht von Prof. Weyhe ist der Einsatz des OP-Roboters in der Hernienchirurgie nicht zu empfehlen.

Ein weiterer wichtiger Aspekt bei der Frage nach der Rentabilität von robotergestützten Eingriffen generell ist der Einarbeitungsaufwand. Die Lernkurve für Roboter­neulinge ist lang und relativ flach. So sind dem Konsens nach im Schnitt 50 Eingriffe mittlerer Komplexität nötig, um eine vertretbare Qualität zu erreichen, bei Pankreaskopfresektionen sogar 80 bis 140. Zur Beschleunigung des Lernfortschritts und gleichzeitiger Qualitätssicherung empfehlen die Kollegen eine Doppelkonsole für Lehrer und Lernenden sowie Stoppkriterien und Zeitlimits, die während der OP die Übernahme durch den erfahrenen Chirurgen erzwingen. Außerdem müsse intensiv über virtuelle Trainingsmöglichkeiten an Simulatoren nachgedacht werden, die momentan allerdings noch nicht zur Verfügung stünden.

Die Experten kommen zu dem Schluss, dass sich die RAC zwar in einigen Bereichen ähnlich schnell etablieren könnte wie vor Jahren bereits die Laparoskopie. Dafür brauche es allerdings noch eine deutlich umfangreichere Datenlage sowie bessere Trainingsmöglichkeiten.

Kongressbericht: Viszeralmedizin 2021