Anzeige

Umfrage Patient*innen berichten winDiab von ihren guten und schlechten Erfahrungen

Autor: Angela Monecke

Für eine Untersuchung von winDiab wurden Menschen mit Typ-1-Diabetes retrospektiv befragt und 6.507 Fragebögen aus 161 teilnehmenden Diabetesschwerpunktpraxen ausgewertet. Für eine Untersuchung von winDiab wurden Menschen mit Typ-1-Diabetes retrospektiv befragt und 6.507 Fragebögen aus 161 teilnehmenden Diabetesschwerpunktpraxen ausgewertet. © VILevi – stock.adobe.com
Anzeige

30 % der Menschen mit Typ-1-Diabetes machen in nicht-diabeteszertifizierten  Krankenhäusern schlechte Erfahrungen. Das ergab eine aktuelle Patienten­befragung von winDiab, die den „Erfahrungen von Typ-1-Diabetes-Patient*innen bei stationären Behandlungen“ nachging. Vor allem Pumpenträger*innen sind betroffen.

Die stationäre Versorgung steuert auf „eine eklatante Unterversorgung von Patient*innen mit Typ-1-Diabetes“ zu. Davor warnen die Autor*innen der Befragung, Dr. Gregor M. Hess, Dr. Dietmar Weber, Prof. Dr. Monika Kellerer, Prof. Dr. Andreas Fritsche und Dr. Matthias Kaltheuner. Künftig nutzten noch mehr Patient*innen Insulinpumpen, CGM- und AID-Systeme. Komme es hier in der Folge zu stationären Fehlentscheidungen, z.B. wenn die Therapie nicht richtig ausgeführt oder Insulin fälschlicherweise bei Typ-1-Diabetes im Rahmen einer OP komplett abgesetzt wird, drohten schwerste Komplikationen für die Betroffenen wie ein hypo- oder hyperglykämisches Koma. 

Ansprechpartner*innen für die Pumpe fehlen zumeist 

Als besonders besorgniserregend bewerten es die Diabetes­forschenden, dass es für die meisten Pum­pen­patient*innen für ihre lebenswichtige Therapie keine Ansprechpartner*innen in der Klinik gebe. Über 80 % der Nutzer*innen von Insulinpumpen in Deutschland geht das so, wie die Originalarbeit von winDiab zeigt.1 Zumindest, wenn sie in nicht-diabeteszertifizierten Kliniken stationär aufgenommen werden. Zertifizierte Häuser schneiden hier deutlich besser ab. Für die Untersuchung des wissenschaftlichen Instituts der niedergelassenen Diabetologen (winDiab) wurden Menschen mit Typ-1-Diabetes retrospektiv befragt und 6.507 Fragebögen aus 161 teilnehmenden Diabetesschwerpunktpraxen ausgewertet. 

Im Fokus stand die Frage, welche Erfahrungen diese Menschen mit Typ-1-Diabetes bei ihrem letzten Krankenhausaufenthalt ab Januar 2017 (Erhebungszeitraum: 1.7.–30.9.2018) gemacht haben. Insgesamt 2.023 Personen mit Typ-1-Diabetes machten zu mindestens einem stationären Aufenthalt Angaben. Auch nach der Art der Klinik (Grundversorgung, Universitätsklinik, Reha Klinik oder andere) wurde differenziert – ganz speziell, ob es sich um eine Klinik mit einem ­Diabetes­­zertifi­kat – Zertifiziertes Dia­be­teszentrum (jetzt: Diabeteszentrum DDG) oder ein Diabeteszentrum Diabetologikum (jetzt: Diabetes Exzellenzzentrum) bzw. eine Klinik mit DDG-Zertifikat „Klinik für Diabetespatienten geeignet“ (jetzt: „Klinik mit Diabetes im Blick DDG“) gehandelt hat. 

Die Forschenden interessierte vor allem, ob die Patient*innen die Qualitätsbemühungen und diabetologischen Zertifizierungen der Krankenhäuser erkennen bzw. erleben und ob die Befragten andere Angaben zur Behandlung machen, wenn sie davon ausgehen, dass sie in einem zertifizierten Diabeteszentrum behandelt werden. Speziell nachgefragt wurden Kontakte zu Diabetolog*innen, Diabetesberater*innen oder einer anderweitig in Diabetesfragen kompetenten medizinischen Person (siehe Tabelle oben).  

Diabeteskompetenz gleich erkennbar?

33 % der Befragten gaben an, dass sie in den letzten 18 bis 21 Monaten stationär betreut wurden. Die Teilnehmenden waren zwischen 45 und 59 Jahren alt und blickten auf eine durchschnittliche Diabetesdauer von fast 20 Jahren zurück. Über 31 % der befragten Personen wurden wegen ihres Diabetes in einer Klinik aufgenommen, bei circa 11 % war dies zumindest zum Teil der Aufnahmegrund und bei knapp 58 % war der Diabetes die Nebendiagnose

Hatten Patient*innen mit Typ-1-Diabetes eine Operation oder medizinische Maßnahme in Narkose, wurde bei 21 % die Kompetenz in der Diabetesbehandlung vermisst oder die Betroffenen fühlten sich im Krankenhaus mit ihrer Diabetestherapie sogar alleingelassen (14 %). 58 % der Befragten waren in der Lage anzugeben, ob das Krankenhaus für Diabetesbehandlung zertifiziert ist. Circa 35 % von ihnen bejahten das Vorliegen eines Zertifikats, über 22 % taten dies nicht, 42 % konnten keine Angabe dazu machen. 

In Kliniken mit Zertifikat besser betreut gefühlt

Fast 85 % der Patient*innen in Diabetes-zertifizierten Krankenhäusern hatten Kontakt mit einer Diabetes-kompetenten Person (Diabetologe bzw. Diabetologin, Diabetesberater*in oder eine andere kompetente Person), in nicht-zertifizierten Häusern waren es nur rund 38 %. Hatten die Befragten ein Diabeteszertifikat und eine Dia­beteserkrankung als Aufnahmegrund wahrgenommen, bewerteten rund 69 % der Patient*innen mit Hauptdiagnose Diabetes den stationären Aufenthalt mit „gut“, 24 % mit „neutral“ und nur etwa 7 % als „schlecht“. Ohne Diabeteszertifikat lagen die vergleichbaren Zahlen bei 37 % („gut“), knapp 33 % („neutral“) und fast 30 % („schlecht“). 34 % der stationär behandelten Patient*innen mit Typ-1-Diabetes wurden mit einer Insulinpumpe, 66 % mit einer intensivierten Insulintherapie behandelt.

Von den 705 befragten Pum­penpatient*innen gaben 48 % der in internistischen Abteilungen behandelten Befragten an, eine/n Ansprechpartner/in für ihre Insulinpumpentherapie zu haben, sofern sie davon ausgingen, in einem Krankenhaus mit Zertifikat behandelt zu werden. Nur 15 % konnten dies ohne Zertifikatswahrnehmung angeben. Auch in anderen Fachabteilungen war eine konsiliarische Betreuung von Pum­pen­patient*innen in Krankenhäusern mit Diabeteszertifikat häufiger. 

Mehr als 9 % der Befragten, die eine Operation oder medizinische Maßnahme mit Narkosebehandlung hinter sich gebracht hatten, berichteten von Behandlungsfehlern, fast 5 % davon wurden als gefährlich bewertet. Hier gab es keine Unterschiede zwischen Krankenhäusern mit und ohne Zertifikat. Die hohe Zahl von 6.507 Befragten, von denen 2.023 mindestens einmal stationär behandelt wurden, zeigt, dass sehr viele Patient*innen mit Typ-1-Diabetes erreicht werden konnten, betonen die Diabetesforscher*innen. Überdies gab es zum Teil signifikante Unterschiede in den Antworten, wenn die Personen wussten, dass sie in einer zertifizierten Einrichtrung untergebracht waren. Die Patient*innen, die in Diabetes-zertifizierten Zentren behandelt wurden, darunter auch die Nutzer*innen von Insulinpumpen, waren darüber ­hinaus deutlich zufriedener mit der Therapie und hatten mehr Kontakte zu kompetenten Behandler*innen

Zahl der Typ-1-Patient*innen steigt

Falsch argumentiert werde allerdings immer wieder, so kritisieren die Autor*innen, dass eine Diabetestherapie im Krankenhaus gar nicht nötig sei, da kaum Patient*innen mit Typ-1-Diabetes ins Krankenhaus kämen. Aus den Jahren 2015 bis 2017 sind jedoch im Schnitt 75.000 Fälle von Aufnahmen mit Typ-1-Diabetes pro Jahr bekannt. Dass diese Zahl aufgrund der epidemiologischen Entwicklung eher noch steigt, sei anzunehmen, erklären die Forschenden und sehen hier gesundheitspolitischen Handlungsbedarf.

Literatur:
1. thieme-connect.de/products/ejournals/pdf/10.1055/a-2051-7921.pdf