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Autommunreaktion Keine Anzeichen von Erschöpfung

Autor: Dr. Judith Lorenz

Was gibt den Anstoß für das Entstehen von Typ-1-Diabetes? Was gibt den Anstoß für das Entstehen von Typ-1-Diabetes? © Philip – stock.adobe.com
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Dem Typ-1-Diabetes liegt eine dauerhafte, fehlgeleitete Immunantwort gegen körpereigenes Gewebe zugrunde. Forschende sind nun der Ursache etwas nähergekommen: Sie identifizierten eine besondere Population sich selbst erneuernder CD8-T-Zellen in pankreatischen Lymphknoten, die nach dem Einwandern ins Pankreas die dortigen Betazellen zerstören.

CD8-T-Zellen spielen eine wichtige Rolle bei zahlreichen immunologischen Abwehrvorgängen, beispielsweise gegen Viren, erläutern Professor Dr. Stephen Turner und Professor Dr. Nicole La Gruta vom Biomedical Discovery Institute der Monash University in Melbourne.1 Ein typisches Merkmal dieser physiologischen Immunantwort ist, dass sie transient verläuft: Die gegen die Virusinfektion gerichteten CD8-T-Zellen werden aktiviert, proliferieren, differenzieren dann zu Effektorzellen und töten die vom Virus befallenen Körperzellen ab. 

Autoreaktivität gegen Pankreas-gewebe schwächt sich nicht ab

Nach überstandener Infektion schwächt sich die Immunantwort jedoch wieder ab und die Mehrzahl der Effektor-T-Zellen stirbt. Lediglich einige Gedächtniszellen persistieren, um auf einen späteren erneuten Erregerkontakt vorbereitet zu sein. Selbst wenn es letztlich nicht gelingt, das Ziel der Immun­antwort vollständig zu beseitigen, dies ist z.B. bei chronischen Virusinfektionen oder Krebserkrankungen der Fall, nimmt die Aktivität der T-Zellen nach einer gewissen Zeit wieder ab, so die beiden Experten.

Ansatzpunkt für Behandlungsstrategien und die Krebstherapie

Warum tritt trotz der chronischen Exposition gegenüber den Betazell-Autoantigenen beim Typ-1-Diabetes keine Erschöpfung der T-Zellantwort ein? Diese Frage bzw. die Antwort auf sie ist möglicherweise der Schlüssel zur Therapie der Autoimmunerkrankung. Die aus den Tierversuchen gewonnenen Erkenntnisse bieten der Einschätzung von Prof. Turner und Prof. La Gruta zufolge möglicherweise wertvolle Ansatzpunkte für Behandlungsstrategien: Sie denken dabei z.B. an Medikamente, die das Auswandern der CD8-T-Zellen aus den Lymphknoten verhindern. Blockierten die Forschenden nämlich das Auswandern der autoimmunen Effektorzellen aus den Pankreaslymphknoten, verschwanden auch die krankheitsverursachenden CD8-T-Zellen aus dem Pankreasgewebe. 

Diese Strategie wäre allerdings nur in der sehr frühen Krankheitsphase erfolgversprechend. Eine weitere Möglichkeit wäre die selektive Elimination der Progenitorzellen bzw. die künstliche Induktion der Erschöpfung dieser Zellen. Ferner sehen die Experten ein großes Potenzial für die Krebstherapie: Wenn es gelingt zu verstehen, auf welche Weise sich die autoimmunen Progenitorzellen dem „Erschöpfungsprogramm“ entziehen, könnte dies bei der Entwicklung einer dauerhaften antigenspezifischen Tumorantwort helfen. 

Diese „T-Zell-Erschöpfung“ wird von inhibitorischen Rezeptorproteinen vermittelt, die im Sinne von „Checkpoints“ die Effektorfunktion und das proliferative Potenzial der T-Zellen unterdrücken. Wie bei vielen anderen Autoimmun­erkrankungen auch, schwächt sich beim Typ-1-Diabetes die Autoreaktivität gegen das Pankreasgewebe jedoch nicht ab. Warum dies so ist, untersuchte kürzlich eine Arbeitsgruppe aus New York im Mausmodell,2 berichten Prof. Turner und Prof. La Gruta. Die Forschenden fanden heraus, dass im Frühstadium des Typ-1-Diabetes zunächst CD8-T-Zellen in den das Pankreas drainierenden Lymphknoten aktiviert werden, indem sie dort mit dem Betazell-Antigen IGRP in Kontakt kommen. Diese CD8-T-Zellen exprimieren verstärkt das Transkriptionsfaktor-Protein TCF1, welches zur Etablierung und dem langfristigen Aufrechterhalten einer Population von CD8-Gedächtnis-T-Zellen beiträgt. 

Auf diese Weise entsteht ein unerschöpfliches, sich selbst erneuerndes Reservoir von Progenitorzellen, die sich zu autoreaktiven IGRP-spezifischen Effektorzellen weiterentwickeln und in das Pankreasgewebe einwandern. Dort weisen sie dann allerdings einen differenzierteren Phänotyp auf, exprimieren beispielsweise nur noch geringe Mengen TCF1. 

Abweichende Transkriptionssignatur 

Insgesamt zeigte die „Aussaat“ von Betazell-reaktiven Effektorzellen aus dem Lymphgewebe keine Anzeichen für eine Erschöpfbarkeit, berichten die Experten. Genanalysen der Progenitorzellen bestätigten eine von konventionellen CD8-T-Zellen bzw. nicht funktionalen, „erschöpften“ CD8-T-Zellen abweichende Transkriptionssignatur.

Literatur:

  1. Turner SJ, La Gruta NL. Nature 2022; 602 (7895): 35-36; doi: 10.1038/d41586-021-03800-z
  2. Gearty SV et al. Nature 2022; 602(7895): 156-161; doi: 10.1038/s41586-021-04248-x