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Über den Erfolg von Extremsportlern entscheidet auch der Hausarzt

Autor: Michael Brendler/Maria Fett

Schneller, weiter, Ultramarathon – 42 Kilometer sind für manche Extremsportler nicht mehr genug. Schneller, weiter, Ultramarathon – 42 Kilometer sind für manche Extremsportler nicht mehr genug. © iStock/lzf
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Die Zeiten, in denen ein Marathon als die sportliche Herausforderung schlechthin galt, scheinen vorbei. So richtig motivieren können nur noch 50, 100 oder gar 1000 Kilometer Laufstrecke. Für den Körper bedeuten solche Umfänge Fluch und Segen zugleich.

Am Ende durfte sich Pushkar Müllauer über Platz vier freuen. 1160 Stunden, 22 Minuten und 16 Sekunden brauchte der Schweizer vor acht Jahren für die 4989 Kilometer des längsten Ultramarathons der Welt, des „Self-Trans­cendence 3100 Mile-Race“ in New York. Angesichts solcher Distanzen drängt sich die Frage auf: Wieso tun sich Menschen so was an? „Strategie, Management, Gemeinschaft und die eigene Leistungsfähigkeit entdecken“ lautet die Antwort von Professor Dr. Beat­ Knechtle­ vom Institut für Hausarztmedizin der Universität Zürich und seinen Kollegen.

Mehr als 700 Studien zum Thema „Ultramarathon“, also Distanzen mit mehr als 42,195 km, haben die Forscher zusammengetragen. Neben der Motivation der Teilnehmer wollten sie wissen: Wer sind die Läufer, die solche Torturen auf sich nehmen? Und was machen die jährlich mehr als 3000 Trainingskilometer mit dem Körper? Ausgangspunkt ihrer Analyse war die Beobachtung, dass immer mehr Menschen dem Beispiel Pushkar Müllauers folgen – und entsprechend häufig beim Hausarzt um ein Attest bitten. Wie aber soll dieser entscheiden, ob ein Sportler die Langdis­tanzen erfolgreich bestreiten kann?

Wer länger schläft, kommt schneller ans Ziel

Der Vergleich zwischen Finishern und Nicht-Finishern zeigt, mit welchen medizinischen Problemen sich Ultraläufer während eines Wettkampfs konfrontiert sehen. Bei erfahrenen Athleten kommt es laut den Autoren z.B. seltener zu Muskelkrämpfen und Verdauungsbeschwerden. Auch spielt das Schlafmanagement eine zentrale Rolle: Läufer, die vor dem Start vermehrt schliefen, kamen schneller ins Ziel.

Mit der Allgemeinbevölkerung verglichen sind die Extremsportler gesünder und fehlen seltener am Arbeitsplatz. Sie haben einen hohen Bildungsgrad und verzichten auf Genussmittel. Vermutlich trägt dies dazu bei, dass die Athleten ihr Gewicht oft bis ins hohe Alter relativ stabil halten. Vergleichsweise selten leiden sie unter ernsthaften Erkrankungen wie Krebs (4,5 %), KHK, Schlaganfällen und Diabetes (je 0,7 %). Allerdings kommt es häufiger zu Allergien (25,1 %) und einem belastungs­induzierten Asthma (13 %) .

Im Gegensatz zu Marathonläufern haben Ultrarunner eine höhere Schmerztoleranz, einen niedrigeren Körperfettanteil sowie dünnere Hautfalten. Und sie sind häufig deutlich älter. Wie eine Studie mit mehr als 1300 Athleten ergab, nehmen die meist männlichen Sportler im Schnitt mit 36 Jahren zum ersten Mal an einem Ultramarathon teil.

Die maximale Laufstrecke liegt bei rund 5000 Kilometern

Das Alter scheint bei solchen Dis­tanzen ohnehin „nur“ eine Zahl zu sein. Persönliche Bestleistungen lassen sich teilweise sogar mit 55 Jahren erzielen, schreiben die Autoren. Der Deutsche Werner Sonntag absolvierte seinen letzten 100-km-Lauf mit 82 Jahren!

Was kann die Medizin von Ultraläufern lernen? Die maximale Laufstrecke ist mit 3100 Meilen bzw. 4989 Kilometern wohl erreicht, resümieren Prof. Knechtle und Kollegen. Nun scheint es nur noch darum zu gehen, wie schnell diese Distanz bestritten werden kann – und wie alt der Sportler dabei ist.

Quelle: Knechtle B et al. Swiss Med Forum 2020; 20: 14-19; DOI: 10.4414/smf.2020.08433