Anzeige

Rheumatoide Arthritis Verhängnisvolle Phänotypen

Autor: Dr. Sonja Kempinski

Prognostische Marker könnten beim Management der frühen Erkrankungsvariante helfen. Prognostische Marker könnten beim Management der frühen Erkrankungsvariante helfen. © DOC RABE Media
Anzeige

Wie sich eine frühe Arthritis im weiteren Verlauf entwickeln wird, lässt sich schwer abschätzen. Zwar weiß man, dass hohe Entzündungswerte und Autoantikörper mit einer röntgenologischen Progression verbunden sind. Doch das allein determiniert die Prognose nicht.

Das besser werdende Verständnis der Pathomechanismen der rheumatoiden Arthritis (RA) hat in den letzten Jahren dazu geführt, dass es mehr therapeutische Optionen gibt. Die neuen Medikamente werden nicht nur bei Patienten mit fortgeschrittener Erkrankung, sondern auch in frühen Stadien getestet. Denn je früher eine Therapie mit DMARD beginnt, umso besser kann strukturellen Schäden vorgebeugt werden. 

Eine frühe Arthritis zu erkennen und damit umzugehen gestaltet sich jedoch als schwierig. Denn die Erkrankung variiert nicht nur in ihren Erscheinungsformen. Auch der Verlauf der frühen undifferenzierten Arthritis ist ungewiss. Von der Spontanremission über den Weg zur rheumatoiden Arthritis oder zu einer anderen rheumatischen Erkrankung bis zur Entwicklung einer inflammatorischen Osteoarthritis ist alles offen, schreiben Dr. Alexander Sepriano von der NOVA Medical School der Neuen Universität Lissabon und Kollegen. 

Prognostische Marker könnten beim Management der frühen Erkrankungsvariante helfen. Individuelle Indikatoren für erosive, fortschreitende Varianten sind u.a. eine hohe Anzahl geschwollener Gelenke, die Rheumafaktorpositivität und das Vorhandensein von Antikörpern gegen citrullinierte Proteine (ACPA). Unklar ist jedoch, wie aussagekräftig diese Parameter in Kombination sind.

Fünf Phänotypen der frühen Arthritis identifiziert

Dr. Sepriano und sein Team versuchten herauszufinden, ob sich die frühe Arthritis objektiv in Phänotypen unterteilen lässt und ob sich diese langfristig in ihrer Prognose unterscheiden. Dazu analysierten sie die klinischen Daten von Patienten aus einer britischen Kohorte (Early Arthritis Cohort in Reade), einer französischen Kohorte (Etude et Suivi des Polyarthritides Indifférenciées, ESPOIR) und einer Kohorte der niederländischen Leiden Early Arthritis Clinic (EAC).

Anhand von Anzahl und Lokalisation der betroffenen Gelenke, Entzündungsparametern und Antikörperstatus kristallisierten sich bei den 5.000 Patienten fünf Phänotypen heraus. Für die ersten beiden war eine symmetrische Polyarthritis, für die anderen drei eine Oligoarthritis charakteristisch:

  • autoimmune inflammatorische Polyarthritis (AIPA) mit ausgeprägter Akute-Phase-Reaktion (APR, definiert durch BSG und hohe CRP-Werte) und positivem Antikörperstatus (AK) 
  • milde inflammatorische Polyarthritis (MIPA) ohne APR und ohne positiven AK
  • autoimmune Oligoarthritis der oberen Extremität (AIOAUL, autoimmune oligoarthritis of the upper limbs) mit hoher APR und positivem AK
  • milde inflammatorische OAUL (MIOAUL) ohne APR und mit negativem AK
  • Oligoarthritis der unteren Extremität (OALL, oligoarthritis of the lower limbs)

Bei der Basisuntersuchung erfüllten in allen drei Kohorten diejenigen Patienten mit AIPA-Phänotyp häufiger die RA-Klassifikationskriterien von 2010 als die mit einer MIPA. Auch einige Oligoarthritiden der oberen Gliedmaßen konnten nach diesen Kriterien als RA definiert werden. Die Wahrscheinlichkeit dafür war beim autoimmunen AIOAUL höher als beim mild-inflammatorischen MIOAUL (66 % vs. 17 %). Nicht erfüllt wurden die RA-Klassifikationskriterien dagegen von den allermeisten Patienten mit Oligoarthritis der unteren Extremität. 

Die Forscher fragten sich, ob Patienten mit früher Arthritis im Verlauf ihren Phänotyp wechselten. Die Analyse langfristiger Daten war allerdings nur in der französischen Kohorte möglich. Knapp ein Drittel der ESPOIR-Patienten mit Oligoarthritis der oberen Extremität entwickelte eine Polyarthritis, 21 % die autoimmun-inflammatorische AIPA, 10 % die mild-inflammatorische MIPA.

Die Daten der niederländischen EAC-Kohorte erlaubten nur eine Analyse nach einem Jahr. Die Oligoarthritis war in dieser Kohorte bei 14 % der Patienten aus der autoimmunen Gruppe (AIOAUL) und bei 3 % aus der mild-inflammatorischen Gruppe (MIOAUL) zur Polyarthritis fortgeschritten. In beiden Kohorten ging bei keinem Patienten eine Polyarthritis in einen anderen Phänotyp über. Die Oligoarthritis der unteren Extremität blieb in der britischen und in der niederländischen Kohorte lieber unter sich. In der ESPOIR-Studie wurde dieser Phänotyp nach zehn Jahren nicht mehr erfasst, weshalb es keine Daten gibt. In der EAC-Kohorte blieben 92 % aller EA- Patienten ihrem Phänotyp treu.

Radiologischer Score bei milder Inflammation niedriger

Die röntgenologischen Gelenkschäden wurden in der aktuellen Studie mittels SvdH-Score erfasst. Über alle Kohorten war dieser Score über die gesamte Zeit in den mild-inflammatorischen Gruppen niedriger als in den autoimmun-inflammatorischen. Mit anderen Worten: EA-Patienten mit erhöhten APR und Autoantikörpern entwickeln häufiger radiologische Schäden als Patienten, die diese Marker nicht aufweisen. 

Trotz des klaren Unterschieds in der strukturellen Prognose wiesen AIPA- und MIPA-Patienten am Ende des Follow-ups eine ähnlich starke Beeinträchtigung und eingeschränkte Lebensqualität auf (gemessen mittels HAQ und SF36). Daraus schließen die Wissenschaftler, dass Patienten mit früher Arthritis, aber ohne Autoantikörper und hohe Entzündungswerte nicht zwangsläufig eine bessere Prognose haben als Patienten, die diese Marker aufweisen, betonen die Autoren. Um die Lebensqualität aller Arthritispatienten zu verbessern, fordern sie, Behandlungsstrategien zu entwickeln, die über das Verhindern von Gelenkdestruktion hinausgehen.


Quelle: Sepriano A et al. RMD Open, 2023; 9:e 003611. DOI:10.1136/rmdopen-2023-003611