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Verletzte Kinderzungen: Viele Wunden heilen auch ohne Naht

Autor: Dr. Elke Ruchalla

Zunächst sollte die Mundhöhle auf Fremdkörper untersucht werden. Zunächst sollte die Mundhöhle auf Fremdkörper untersucht werden. © iStock.com/vitapix
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Ein brüllendes Kind mit blutverschmiertem Mund – das klingt nach einem wahren Albtraum für jede Praxis. Oft ist der Fall jedoch weniger dramatisch als er zunächst aussieht.

Kinder toben herum, stürzen – und verletzen sich dabei nicht selten an der Zunge. Diese Wunden müssen aber keineswegs immer genäht werden. Oft reicht es, die kleinen Patienten (und ihre Eltern) zu beruhigen. Das zeigten die Notfallmedizinerin Dr. Michelle­ Seiler von der Universitätskinderklinik Zürich und ihre Kollegen. Sie hatten retrospektiv die Daten von 73 solchen Verletzungen ausgewertet.

Vor allem Kleinkinder waren betroffen. Bei zwölf erfolgte eine primäre Wundnaht, bei den restlichen 61 verzichteten die Behandler auf das Nähen und schickten die Knirpse nach Hause. Die Autoren betonen, dass der Entscheidung eine Inspektion der Mundhöhle vorangehen muss, bei der gründlich nach Fremdkörpern, z.B. abgebrochenen Zähnen, gesucht wird.

Genäht wurden Wunden mit einer durchschnittlichen Länge von 21 mm (vs. 10,8 mm bei den nicht genähten), solche mit klaffenden Wundrändern und Läsionen, die die gesamte Zunge von dorsal nach ventral betrafen. Auch komplexe Risse mit aktiven Blutungen und großen Wundlappen müssen chirurgisch versorgt werden, ergänzen die Fachleute. Genähte Wunden verheilten in dieser Studie langsamer. Außerdem traten in der „Nähgruppe“ mehr Komplikationen auf.

Auf Grundlage ihrer Daten entwickelten die Autoren das „Zurich Tongue Scheme“. Es soll bei der Einschätzung helfen, welche Läsionen Nadel und Faden benötigen. Vereinfacht gesagt ist das Nähen am lateralen Zungenrand optional, Wunden an der Zungenspitze sollten immer genäht werden. Beim Zungenrücken können Wunden < 2 cm, deren Ränder nicht auseinanderklaffen, ohne Naht heilen.

Quelle: Seiler M et al. Swiss Med Wkly 2018; 148: w14683