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Atemwegsinfekte bei Kindern Viral oder bakteriell?

Autor: Dr. Elke Ruchalla

Schwere bakterielle Atemwegsinfektionen bei kleinen Kindern sind eher selten. (Agenturfoto) Schwere bakterielle Atemwegsinfektionen bei kleinen Kindern sind eher selten. (Agenturfoto) © iStock/FamVeld
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Untere Atemwegsinfekte sind bei Kindern meist kein Grund für die Verordnung von Antibiotika. Ein Blick auf die Entzündungswerte hilft bei der Entscheidung.

Eltern stellen ihr Kleinkind beim Arzt vor. Es fiebert, hustet und die Nase läuft – aber schwer krank wirkt es nicht. Die Temperatur liegt nur etwas über 38 °C, Herz- und Atemfrequenz sind dezent erhöht. Über der Lunge basal beidseits ein leichtes Knistern, der Rö-Thorax zeigt bilaterale peribronchiale Infiltrate. Das Labor fördert eine deutliche Leukozytose (22.500/µl) zutage, C-reaktives Protein (CRP) ist erhöht, wenn auch nicht massiv (30 mg/l, Normbereich < 5 mg/l). Der Procalcitoninwert (PCT) ist normal. So beschreiben Dr. Andrés Pérez-López von der Abteilung für Mikrobiologie der Sidra Medicine in Doha und seine Kollegen einen eher alltäglichen Fall.

Das Kind hat offensichtlich eine Infektion der unteren Atemwege. Doch nun die Gretchenfrage: Handelt es sich um eine virale oder eine bakterielle Genese? In der Erwachsenenmedizin weisen erfahrungsgemäß CRP und Procalcitonin den Weg – massiv angestiegene Konzentrationen sprechen hier für Bakterien. Bei Kindern ist dies weniger eindeutig. Doch sind schwere bakterielle Atemwegsinfektionen bei kleinen Kindern eher selten, und wenn sie auftreten, erkennt man auch ohne Labor ein schwer krankes Kind, das zügig in die Klinik eingewiesen werden sollte.

Bei einem nur leicht kranken Kind ist man im Praxisalltag vielleicht unsicher mit der Differenzialdiagnose. Zumindest sprechen in diesen Fällen normale Procalcitoninwerte für einen Virusinfekt – das heißt, bei diesen Kindern kann man guten Gewissens auf Antibiotika verzichten, schreiben die Experten.

Antibiotikarezepte oft vorsichtshalber ausgestellt

Ähnliches gilt für niedrige CRP-Konzentrationen, obwohl die Beweislage hier nicht ganz so eindeutig ist. Studien zufolge werden auch bei nur leichter CRP-Erhöhung quasi vorsichtshalber öfter einmal Antibiotikarezepte ausgestellt.

Handelt es sich, wie in dem eingangs geschilderten Fall, um einen klinisch stabilen Patienten mit Procalcitoninwerten im Normalbereich, erklärt man den Eltern, dass ihr Kind vermutlich an einem Virusinfekt leidet, bei dem ihm Antibiotika nicht helfen. Man sollte aber in jedem Fall einen Kontrolltermin vereinbaren, um sich das Kind einige Tage später nochmals anzuschauen. Optimalerweise sieht man dann einen fieberfreien kleinen Patienten in gebessertem Allgemeinzustand.

Quelle: Pérez-López A et al. BMJ 2021; 373: n1409; DOI: 10.1136/bmj.n1409