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Jodsalz-Mythen entlarvt Von Allergie bis Zwangskonsum

Autor: Dr. Dorothea Ranft

Der Jodierungsgrad ist gesetzlich geregelt und entspricht etwa 20 µg pro Gramm. Der Jodierungsgrad ist gesetzlich geregelt und entspricht etwa 20 µg pro Gramm. © mapoli-photo – stock.adobe.com
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Zum Thema jodiertes Salz kursieren unter ­Patienten teils abenteuerliche Vorstellungen. Umso wichtiger ist die hausärztliche Beratung. Mit den richtigen Argumenten nimmt man Jodskeptikern schnell den Wind aus den Segeln.

Jodgewinnung aus Atommüll?

Die zur Anreicherung von Speisesalz verwendeten Jodverbindungen, darunter Kaliumjodat, stammen aus natürlichen Quellen wie speziellen Salzlagerstätten und keinesfalls aus Sondermüll oder atomaren Abfällen, wie fälschlich im Internet behauptet. Der Jodierungsgrad ist gesetzlich geregelt, er entspricht einem Gehalt des essenziellen Spurenelements von etwa 20 µg/g. Diese Menge stellt auch für schilddrüsenkranke Patienten kein Gesundheitsrisiko dar, schreiben Prof. Dr. Roland ­Gärtner vom Klinikum der Universität München und Kollegen.

Droht der Zwangskonsum?

Wegen des gesundheitsfördernden Effekts wird eine Anreicherung in Lebensmittelproduktion, Gemeinschaftsverpflegung und Gastronomie empfohlen. Aber der Einsatz von jodiertem Speisesalz erfolgt stets freiwillig. Aus veterinärmedizinischen Gründen enthält das in der Nutztierhaltung verwendete Mineral- und Mischfutter eine gewisse Menge des Spurenelements. Diese gelangt über Milch(-Produkte) und Eier auch in die menschliche Ernährung. Bei verpackten Lebensmitteln muss die Verwendung von Jodsalz in der Zutatenliste angegeben werden, bei loser Ware (Brot, Wurst etc.) auf Nachfrage.

Flächendeckende Jodierung?

In Deutschland werden weniger als 30 % der Brot- und Backwaren, Fleisch(-Produkte) und Milcherzeugnisse mit Jodsalz hergestellt. Allerdings bestehen große Unterschiede: Bei Fleischwaren geht es um 47 %, bei Milcherzeugnissen um nur 2 %. Handwerksbetriebe begründen ihren Jodverzicht häufig damit, dass sie Fragen von Kritikern aus dem Weg gehen wollen. Bei exportierbaren Waren spielen auch die unterschiedlichen gesetzlichen Vorgaben innerhalb der EU eine wesentliche Rolle.

Gefahrenquelle Milchkuh?

Für die Jodierung von Futtermitteln gibt die EU klare Höchstmengen vor. Wegen des fehlenden Mindest­gehalts kommt es jedoch zu großen Schwankungen. In Deutschland ist der Jodgehalt mit 1 mg/kg Futtertrockenmasse gering. Trotzdem könnte dieser zu einem Gehalt von 200 µg/l Milch führen. In der Praxis werden aber im Durchschnitt nur 100 µg/l Milch erzielt, weil Jod-Antagonisten in der Tiernahrung (z.B. Glukosinolate in Raps) den Jodtransport in die Schilddrüsen- und Euterzellen der Kühe verringern.

Überdosis im Schnitzel?

Entgegen früheren Vorstellungen ist unverarbeitetes Fleisch kein guter Jodlieferant. Auch fast alle anderen Nahrungsmittel sind von Natur aus arm an diesem essenziellen Spurenelement. Eine Ausnahme bilden Seefisch und andere Meeresbewohner sowie Algen. Milch und Milchprodukte sowie Eier gelten aufgrund der Anreicherung des Tierfutters inzwischen als gute Jodquellen. Allerdings spielt auch die Herstellung eine wesentliche Rolle: Konventionell erzeugte Kuhmilch enthält etwa 100 µg Jod pro Liter, in der biologischen Landwirtschaft werden nur 50–75 % dieses Werts erreicht, in einzelnen Betrieben liegt die Jodmenge sogar unter 30 µg/l. Eier tragen wegen der geringen Verzehrmengen (ca. 30 g/Tag) nur wenig zur Versorgung bei. Ein 60 g schweres Hühnerei enthält 25–50 µg des Spurenelements, das sich fast ausschließlich im Dotter befindet.

Allergie auf Jodsalz?

Allergische Reaktionen auf Jodsalz in Lebensmitteln sind bisher nicht bekannt. Diese sind auch nicht zu erwarten, denn die verwendeten Verbindungen (Jodid und Jodat) wirken aufgrund ihrer geringen Molekülgröße nicht allergen. Jodhaltige Kon­trastmittel und Mittel zur Wundbehandlung (z.B. Lugolsche Lösung) können dagegen sehr wohl eine solche Reaktion hervorrufen. Diese richtet sich jedoch gegen die Trägersubstanz oder die organische Verbindung, an die das Spurenelement gebunden ist. Eine Jodakne ist selten und bildet sich nur bei täglicher Aufnahme im Milligramm- oder Grammbereich (jodhaltige Medikamente, Kontrastmittel). Als Desinfektionsmittel genutzte Tinkturen können ebenfalls derartige Erscheinungen hervorrufen. Auslöser sind in diesen Fällen komplexe Proteinstrukturen, nicht das Salz, weshalb Betroffene ihre alimentäre Zufuhr nicht beschränken müssen.

Risikofaktor Autonomie?

Eine Jodzufuhr von maximal 500 µg/d gilt als unbedenklich. Auch höhere Mengen schaden einer gesunden Schilddrüse nicht. Bei autonomen Adenomen bzw. thyreoidaler Autonomie hat eine kurzfristig erhöhte Zufuhr meist keine negativen Folgen. Die längerfristige Aufnahme von > 500 µg/Tag kann eine Hyperthyreose auslösen. Auch Patienten mit Autoimmunerkrankungen (Basedow, Hashimoto) müssen sich nicht jodarm ernähren. Aber ein dauerhafter Konsum von > 300 µg/Tag kann die Entzündungsaktivität steigern. Schilddrüsenkranke dürfen also Seefisch, Meeresfrüchte, Milcherzeugnisse und mit Jodsalz hergestellte Produkte genießen. Sie sollten aber jodhaltige Medikamente und besonders jodreiche Nahrungsmittel wie Algen meiden.

Nützlicher Mangel?

Die verbesserte Versorgung mit dem Spurenelement fördert langfristig die Schilddrüsengesundheit. Vorübergehend muss man jedoch aufgrund der Prävalenz von Adenomen und Auto­nomien in Jodmangelgebieten mit einem vermehrten Auftreten von Hyperthyreosen rechnen. Kontrovers diskutiert wird eine leichte Zunahme von Autoimmunerkrankungen. Dieser in Studien beobachtete Effekt könnte aber auch die Folge der verbesserten Möglichkeiten zum Antikörpernachweis sein.

Quelle: Gärtner R et al. Ernährungs Umschau 2021; 68: M702-M711; DOI: 10.4455/eu.2021.047